27.08.2020

Beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer: Zufluss von Tantiemen bei verspäteter Feststellung des Jahresabschlusses

Eine verspätete Feststellung des Jahresabschlusses nach § 42a Abs. 2 GmbHG führt auch im Falle eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers nicht per se zu einer Vorverlegung des Zuflusses einer Tantieme auf den Zeitpunkt, zu dem die Fälligkeit bei fristgerechter Aufstellung des Jahresabschlusses eingetreten wäre.

Kurzbesprechung
BFH v. 28.4.2020 - VI R 44/17

EStG § 11 Abs. 1, § 19 Abs 1 S. 1 Nr.1
GmbHG § 42 Abs 2, § 46 Nr. 1


Tantiemen gehören zum steuerpflichtigen Arbeitslohn (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Ihre Besteuerung setzt allerdings voraus, dass sie als sonstiger Bezug dem Arbeitnehmer auch nach §§ 11 Abs. 1 Satz 4, 38a Abs. 1 Satz 3 EStG zugeflossen sind.

Der Zufluss tritt mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht ein. Das ist in der Regel der Zeitpunkt des Eintritts des Leistungserfolgs. In der Regel fließen Geldbeträge dadurch zu, dass sie dem Empfänger bar ausbezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden.

Bei einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern kann dagegen ein Zufluss von Einnahmen auch ohne Zahlung oder Gutschrift bereits früher vorliegen. Danach fließt dem alleinigen oder jedenfalls beherrschenden Gesellschafter eine eindeutige und unbestrittene Forderung gegen "seine" Kapitalgesellschaft bereits mit deren Fälligkeit zu. Denn ein beherrschender Gesellschafter hat es regelmäßig in der Hand, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist. Allerdings werden von dieser Zuflussfiktion nur Gehaltsbeträge und sonstige Vergütungen erfasst, die die Kapitalgesellschaft den sie beherrschenden Gesellschaftern schuldet und die sich bei der Ermittlung des Einkommens der Kapitalgesellschaft ausgewirkt haben. Fällig wird der Anspruch auf Tantiemen erst mit der Feststellung des Jahresabschlusses, sofern die Vertragsparteien nicht zivilrechtlich wirksam und fremdüblich eine andere Fälligkeit im Anstellungsvertrag vereinbaren.

Im Streitfall hielt der Steuerpflichtige 51 % der Geschäftsanteile der A - GmbH sowie 100 % der Geschäftsanteile der B GmbH und war daher jeweils beherrschender Gesellschafter. Die Feststellung der Jahresabschlüsse der A GmbH und der B GmbH zum 31.12.2008 erfolgten nach § 46 Nr. 1 GmbHG unter Passivierung der Tantiemen "im Dezember 2009". Die Geschäftsführer-Anstellungsverträge ließen eine Fälligkeit der Tantiemen jeweils einen Monat nach Genehmigung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung eintreten.

Diese vom Grundfall abweichende Fälligkeitsvereinbarung ist zivilrechtlich wirksam und damit auch im Steuerrecht beachtlich. Zudem waren die Vereinbarungen bezüglich der Fälligkeit der Tantiemen nach den Grundsätzen über die verdeckte Gewinnausschüttung fremdüblich. Die Vereinbarungen zwischen dem Kläger und "seinen" GmbHs waren arbeitsrechtlich und nicht gesellschaftsrechtlich veranlasst. Im Streitfall hätte sich auch ein fremder Geschäftsführer bei sonst gleichen Umständen auf die konkreten Tantiemevereinbarungen eingelassen. Denn üblicherweise benötigt die Gesellschaft bei höheren Tantiemen (wie auch im Streitfall) Zeit, um die Liquidität für die Auszahlung herzustellen Ein Monat ist dafür keine unangemessen lange Zeitspanne. Im Streitfall waren die Tantiemen mithin nicht im Streitjahr fällig.

Auch die nach § 42a Abs. 2 GmbHG verspätete Feststellung der Jahresabschlüsse zum 31.12.2008 führte nicht zu einem Zufluss der Tantiemen im Streitjahr. Denn zwischen der Aufstellung des Jahresabschlusses, seiner Feststellung und der Ergebnisverwendung ist zu trennen. Aufstellung bedeutet Erfüllung der den Geschäftsführern als Organ auferlegten Bilanzierungspflicht, also die Übernahme des Zahlenwerks der Buchhaltung nebst der nötigen Abschlussbuchungen, Vorentscheidungen über Bewertungsfragen und Ausübung von Bilanzierungswahlrechten. Die Feststellung des Jahresabschlusses hat auch bei einer GmbH die Bedeutung einer Verbindlicherklärung der Bilanz. Im gesellschaftsinternen Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern ist die Feststellung des Jahresabschlusses ein konstitutiv wirkender Akt der Billigung des aufgestellten Jahresabschlusses durch die Gesellschafter, mit dem diese dessen Richtigkeit anerkennen. Dementsprechend ist die Bilanzfeststellung ein Vorgang, aus dem sich im Innenverhältnis auch rechtliche Konsequenzen für die Ansprüche zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern im Sinne eines --zivilrechtlich verbindlichen-- Schuldanerkenntnisses ergeben können. Die Gesellschafter der GmbH bezwecken mit der ihnen --in der Form der korporativen Beschlussfassung-- obliegenden Feststellung des Jahresabschlusses (§§ 42a Abs. 2, 46 Nr. 1 GmbHG) regelmäßig, zumindest die Rechtsgrundlage für das Folgejahr zu fixieren und ihre Ansprüche und Verbindlichkeiten gegenüber der Gesellschaft zum Bilanzstichtag festzulegen.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund kam im Streitfall eine Vorverlegung der Fälligkeit (und damit des Zuflusses i.S. der §§ 11 Abs. 1 Satz 4, 38a Abs. 1 Satz 3 EStG) auf den Zeitpunkt, zu dem die Fälligkeit bei fristgerechter Aufstellung eingetreten wäre (fiktive Fälligkeit), nicht in Betracht. Denn erst die Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung als des hierzu berufenen Gesellschaftsorgans führt zu seiner Verbindlichkeit. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Jahresabschluss ein rechtliches Nullum und lediglich ein Entwurf der Geschäftsführung Aufgrund dessen kann der aufgestellte Abschluss --ggf. unter Beachtung von § 316 Abs. 3 HGB-- geändert oder ergänzt werden. Erst der festgestellte Jahresabschluss bildet das Substrat für den nachfolgenden Beschluss über die Ergebnisverwendung. Ein noch nicht existenter Jahresabschluss kann deshalb auch dann keine Grundlage für etwaige Ansprüche eines Gesellschafters gegen die GmbH sein, wenn es sich um einen beherrschenden Gesellschafter handelt. Dies gilt selbst dann, wenn die Feststellung des Jahresabschlusses nicht fristgerecht erfolgt ist. Eine vorgezogene (fiktive) Fälligkeit kann der noch nicht existente Jahresabschluss nicht bewirken. Denn der konkrete Anspruch entsteht (erst) mit der Feststellung des Jahresabschlusses.

Auch eine Fiktion des Zuflusses auf den Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses kam im Streitfall nicht in Betracht. Denn die Satzung der GmbH enthielt keine bindenden Regelungen über eine vom Grundsatz der sofortigen Fälligkeit mit dem Gewinnverteilungsbeschluss abweichende Fälligkeit. In einem solchen Fall hat es der beherrschende Gesellschafter einer zahlungsfähigen GmbH in der Hand, den Fälligkeitszeitpunkt des Auszahlungsanspruchs zu bestimmen, so dass er damit wirtschaftlich bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung über seinen Gewinnanteil verfügen kann. Unter diesen Umständen ist das Hinausschieben der Fälligkeit als Verfügung über den Gewinnanteil zu beurteilen, weshalb der Gewinnanteil dem beherrschenden Gesellschafter bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen ist. Enthält die Satzung dagegen eine bindende Regelung über eine spätere Fälligkeit, ist es gerechtfertigt, hierauf abzustellen. Dem entsprach es im Streitfall, die im Geschäftsführervertrag vertraglich wirksam vereinbarte Fälligkeit gelten zu lassen und den Zufluss nicht auf den Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses vorzuverlegen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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