03.02.2022

Beherrschungsidentität bei mittelbarer Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft an einer Besitz-Personengesellschaft

Auch eine Beteiligung der an der Betriebsgesellschaft beteiligten Gesellschafter an einer Besitz-Personengesellschaft, die lediglich mittelbar über eine Kapitalgesellschaft besteht, ist bei der Beurteilung einer personellen Verflechtung als eine der Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung zu berücksichtigen.

Kurzbesprechung
BFH v. 16.9.2021 - IV R 7/18

GewStG § 9 Nr. 1 S 2, § 9 Nr. 1 S 5 Nr. 1
EStG § 15 Abs 1 S 1 Nr. 1, § 15 Abs 2 § 15 Abs 3 S 2 Nr. 1


Die Inanspruchnahme der gewerbesteuerlichen erweiterten Kürzung ist gemäß § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG ausgeschlossen, wenn der Grundbesitz ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen dient. Der Gesetzgeber sieht in diesem Fall die Voraussetzungen für eine Begünstigung des Grundstücksunternehmens nicht mehr als gegeben an, weil bei einer Nutzung des Grundstücks im Gewerbebetrieb des Gesellschafters ohne Zwischenschaltung eines weiteren Rechtsträgers die Grundstückserträge in den Gewerbeertrag einfließen und damit der Gewerbesteuer unterliegen würden.

Grundbesitz "dient" dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters eines Grundstücksunternehmens i.S. von § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG u.a. dann, wenn er von diesem aufgrund eines Miet- oder Pachtvertrags genutzt wird, aber auch dann, wenn das Grundstück von einer Gesellschaft genutzt wird, an der der Gesellschafter des Grundstücksunternehmens als Mitunternehmer (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) beteiligt ist. Als Gesellschafter i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG gilt neben dem unmittelbar Beteiligten auch derjenige, der nur mittelbar über eine Personenhandelsgesellschaft am Grundstücksunternehmen beteiligt ist. Die mittelbare Beteiligung am Grundstücksunternehmen über eine Kapitalgesellschaft hat hingegen keine solche Wirkung; die Kapitalgesellschaft entfaltet insoweit mangels einer ausdrücklich entgegenstehenden gesetzlichen Regelung eine Abschirmwirkung, die zum Verbot des Durchgriffs auf ihre Gesellschafter führt.

Der Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG steht im Streitfall jedoch entgegen, dass in den Streitjahren zwischen der Steuerpflichtigen als Besitzunternehmen und dem Betriebsunternehmen eine Betriebsaufspaltung bestanden hat.

Die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ist grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die Verwaltung oder Nutzung des eigenen Grundbesitzes die Grenzen der Gewerblichkeit überschreitet. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Grundstücksunternehmen infolge einer Betriebsaufspaltung als Besitzunternehmen (originär) gewerbliche Einkünfte erzielt. Die Überlassung eines Grundstücks im Rahmen einer Betriebsaufspaltung wird deshalb als gewerbliche Tätigkeit beurteilt und schließt eine erweiterte Kürzung aus.

Im Streitfall lagen neben der sachlichen Verflechtung auch die Voraussetzungen einer personellen Verflechtung vor. Zur Beurteilung einer personellen Verflechtung zwischen der Steuerpflichtigen und der Betriebsgesellschaft sind bei den Gesellschaftern auch deren mittelbare Beteiligungen sowohl an der Steuerpflichtigen als Besitzgesellschaft als auch an der Betriebsgesellschaft zu berücksichtigen.

Für die personelle Verflechtung ist entscheidend, dass die Geschicke des Besitzunternehmens in den wesentlichen Fragen durch die Person oder Personen bestimmt werden, die auch hinter dem Betriebsunternehmen stehen. Dies kann nicht nur bei einer --im Streitfall nicht gegebenen-- Beteiligungsidentität, sondern auch bei einer sog. Beherrschungsidentität zu bejahen sein. Eine Beherrschungsidentität wird regelmäßig durch die Mehrheitsbeteiligung von Gesellschaftern an Besitz- und Betriebsunternehmen indiziert.

Nach bisheriger Rechtsprechung des BFH kann eine Beteiligung der an der Betriebsgesellschaft beteiligten Gesellschafter an der Besitzgesellschaft, die lediglich mittelbar über eine Kapitalgesellschaft besteht, mangels Mitunternehmerstellung dieser Gesellschafter in der Besitzgesellschaft nicht zu einer personellen Verflechtung führen, weil der Besitzgesellschaft wegen des sog. Durchgriffsverbots weder die Beteiligung an der Betriebsgesellschaft noch eine damit verbundene Beherrschungsfunktion zugerechnet werden könnten Andererseits kann jedoch schon nach bisheriger Rechtsprechung, an der festzuhalten ist, die Herrschaft über das Betriebsunternehmen auch mittelbar über eine Kapitalgesellschaft ausgeübt und damit eine personelle Verflechtung begründet werden.

Die Rechtsauffassung des BFH ist im Schrifttum auf Kritik gestoßen. Nach jetziger, die bisherige Rechtsprechung ändernder Auffassung des erkennenden Senats sind jedenfalls in diesem Fall keine sachlichen Gründe für die von der bisherigen Rechtsprechung bei der Beantwortung der Frage einer personellen Verflechtung vertretene Unterscheidung zwischen einer mittelbaren Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft am Betriebsunternehmen und einer solchen am Besitzunternehmen (hier als Personengesellschaft) ersichtlich.

Zu Recht ist der BFH schon bislang davon ausgegangen, dass es die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft gewährleisten kann, mittelbar über diese einen beherrschenden Einfluss auf das Betriebsunternehmen auszuüben. Denn eine derartige Einflussnahme auf die Betriebsgesellschaft berührt die rechtliche Selbständigkeit der Kapitalgesellschaft, die die mittelbare Beteiligung an der Betriebsgesellschaft vermittelt, nicht. Deshalb hat der I. Senat des BFH, der eine mittelbare Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft am Besitzunternehmen unter Berufung auf das sog. Durchgriffsverbot als für die Frage einer personellen Verflechtung nicht maßgebend angesehen hat, zu Recht der rechtlichen Selbständigkeit der Kapitalgesellschaft als juristische Person hinsichtlich des Einflusses über eine Kapitalgesellschaft auf das Betriebsunternehmen keine Bedeutung beigemessen.

Wenn jedoch die Herrschaft über das Betriebsunternehmen nicht auf einer unmittelbaren Beteiligung beruhen muss, sondern auch mittelbar über eine Kapitalgesellschaft als Beteiligungsgesellschaft ausgeübt werden kann, muss dies auch für eine mittelbare Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft an dem Besitzunternehmen jedenfalls insoweit gelten, als dieses eine Personengesellschaft ist. Denn für die personelle Verflechtung von Besitz- und Betriebsunternehmen kommt es allein darauf an, ob eine Person oder Personengruppe beide Unternehmen in der Weise beherrscht, dass sie in der Lage ist, in beiden Unternehmen einen einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillen durchzusetzen.

Für die personelle Verflechtung ist entscheidend, dass die Geschicke des Besitzunternehmens in den wesentlichen Fragen durch die Person oder Personengruppe bestimmt werden, die auch hinter dem Betriebsunternehmen steht. Die mittelbare Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft kann jedoch sowohl im Fall des Betriebs- als auch des Besitzunternehmens --jedenfalls wenn Letzteres eine Personengesellschaft ist-- einer Person oder Personengruppe eine entsprechende Stellung vermitteln, ohne dass dadurch die rechtliche Selbständigkeit der betreffenden Kapitalgesellschaft berührt wird. Die Frage des Durchgriffs durch eine Kapitalgesellschaft ist deshalb jedenfalls in der vom erkennenden Senat zu entscheidenden Fallkonstellation für die Frage der Beherrschung eines Unternehmens --sowohl in Gestalt eines Betriebs- als auch in Gestalt eines Besitzunternehmens-- gleichermaßen ohne Bedeutung.

Danach ist zur Beurteilung einer personellen Verflechtung die mittelbare Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft an einer Besitz-Personengesellschaft gleich zu behandeln mit einer mittelbaren Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft an einer Betriebsgesellschaft (im Streitfall ebenfalls eine Personengesellschaft). Der erkennende Senat hält deshalb nicht mehr an seiner früheren Rechtsauffassung fest, dass eine Beteiligung der an der Betriebsgesellschaft beteiligten Gesellschafter an einer Besitz-Personengesellschaft, die lediglich mittelbar über eine Kapitalgesellschaft besteht, keine personelle Verflechtung begründen kann. Vielmehr kann in diesem Fall (auch) die Herrschaft über das Besitzunternehmen mittelbar über eine Kapitalgesellschaft ausgeübt und damit eine personelle Verflechtung begründet werden.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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