26.08.2021

Beherrschungsidentität bei treuhänderischer Bindung der mehrheitlich an einer Besitzgesellschaft beteiligten Kommanditistin

1. Die Mehrheitsbeteiligung eines einzelnen Gesellschafters oder einer Personengruppe vermittelt diesen grundsätzlich auch bei einer KG die erforderliche Mehrheit der Stimmen in der Gesellschafterversammlung und damit die Möglichkeit, in der KG ihren Willen durchzusetzen. Trotz Mehrheitsbeteiligung kann aber aufgrund der Umstände des Einzelfalls eine Beherrschungsidentität zu verneinen sein.
2. Hat die mehrheitlich an einer Betriebsgesellschaft beteiligte Kommanditistin einer Besitzgesellschaft aufgrund der ihr als Treuhänderin gegenüber Treugebern obliegenden Treuepflicht in der Gesellschafterversammlung der Besitz-KG ihre eigenen Interessen überwiegend den Interessen der Treugeber unterzuordnen, so scheidet die Annahme einer personellen Verflechtung als Voraussetzung einer Betriebsaufspaltung aus.

Kurzbesprechung
BFH v. 20.5.2021 - IV R 31/19

GewStG § 9 Nr. 1 S. 2
EStG§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 2
AO § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 2


Nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden Grundbesitzes gekürzt (sog. einfache Kürzung). An Stelle der Kürzung nach Satz 1 tritt nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (sog. erweiterte Kürzung).

Die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ist grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die Verwaltung oder Nutzung des eigenen Grundbesitzes die Grenzen der Gewerblichkeit überschreitet. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Grundstücksunternehmen infolge einer Betriebsaufspaltung als Besitzunternehmen (originär) gewerbliche Einkünfte erzielt.

Im Streitfall war die personelle Verflechtung streitig Für ihr Vorliegen ist entscheidend, dass die Geschicke des Besitzunternehmens in den wesentlichen Fragen durch die Person oder Personen bestimmt werden, die auch hinter dem Betriebsunternehmen stehen. Zu den wesentlichen Fragen gehören insbesondere die hinsichtlich der wesentlichen Betriebsgrundlagen bestehenden Nutzungsüberlassungsverträge (sachliche Verflechtung), die nicht gegen den Willen der Person oder der Personengruppe sollen aufgelöst werden können, die das Besitzunternehmen beherrscht.

Eine personelle Verflechtung kann auch bei fehlender Beteiligungsidentität vorliegen, wenn der Mehrheitsgesellschafter oder die Mehrheits-Personengruppe in beiden Unternehmen ihren geschäftlichen Willen durchsetzen können. Nicht in jedem Fall kann nämlich schon allein aufgrund einer Mehrheitsbeteiligung an Besitz- und Betriebsunternehmen auf eine personelle Verflechtung geschlossen werden. Vielmehr kann trotz einer nominellen Mehrheitsbeteiligung die Beherrschung durch den Mehrheitsgesellschafter zu verneinen sein. Deshalb können besondere Umstände des Einzelfalls auch bei einer Mehrheitsbeteiligung von Gesellschaftern an Besitz- und Betriebsunternehmen die Prüfung erfordern, ob diese Umstände der Durchsetzung eines einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillens in beiden Unternehmen und damit einer personellen Verflechtung entgegenstehen.

Eine solche Situation kann u.a. bei einem treuhänderischen Halten der Beteiligung gegeben sein. So gebietet es die dem Treuhänder gegenüber dem Treugeber obliegende Treuepflicht, dass er in der Gesellschafterversammlung seine eigenen Interessen den Interessen des Treugebers unterordnet.

Nach diesen Maßstäben liegt im Streitfall keine personelle Verflechtung vor. Im Streitfall scheiterte die Annahme einer personellen Verflechtung bereits daran, dass die A-Holding in den Streitjahren nicht in der Lage war, ihren Willen in der Steuerpflichtigen durchzusetzen. Denn die aus gesellschaftsrechtlicher Sicht mehrheitlich an der Steuerpflichtigen beteiligte A-Holding konnte nach Maßgabe der im Streitfall getroffenen Regelungen im Emissionsprospekt, in den Treuhandverträgen und im Gesellschaftsvertrag der Steuerpflichtigen in den wesentlichen Fragen, insbesondere in Bezug auf den hinsichtlich der wesentlichen Betriebsgrundlage "Grundstück" bestehenden Nutzungsüberlassungsvertrag, bei der Steuerpflichtigen als Besitzunternehmen nicht ihren Willen durchsetzen. Insbesondere die Kündigung von Gebäude- und Grundstücksmietverträgen war nach dem Gesellschaftsvertrag mit einfacher Mehrheit der in der Gesellschafterversammlung anwesenden und/oder vertretenen Stimmen zustimmungspflichtig. Dabei konnte die A-Holding jedoch nach dem Gesellschaftsvertrag über keine eigene Stimmenmehrheit verfügen, sondern allenfalls gemeinsam mit den Stimmen der Treugeber.

Selbst wenn bzw. soweit die A-Holding die zur eigenen Teilnahme an der Gesellschafterversammlung berechtigten Treugeber dort vertreten hätte, hätte sie deren Weisungen zur Stimmrechtsausübung folgen müssen. Deshalb hätte der Mietvertrag mit der M-KG als rechtliche Grundlage des die sachliche Verflechtung begründenden Nutzungsverhältnisses auch gegen den Willen der A-Holding aufgelöst werden können.

Weil im Streitfall eine Betriebsaufspaltung zu verneinen war, lagen die Voraussetzungen der erweiterten Kürzung vor, weshalb die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide zu ändern waren.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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