31.08.2021

Beherrschungsidentität bei treuhänderischer Bindung der mehrheitlich an einer Besitzgesellschaft beteiligten Kommanditistin

Die Mehrheitsbeteiligung eines einzelnen Gesellschafters oder einer Personengruppe vermittelt diesen grundsätzlich auch bei einer KG die erforderliche Mehrheit der Stimmen in der Gesellschafterversammlung und damit die Möglichkeit, in der KG ihren Willen durchzusetzen. Trotz Mehrheitsbeteiligung kann aber aufgrund der Umstände des Einzelfalls eine Beherrschungsidentität zu verneinen sein. Hat die mehrheitlich an einer Betriebsgesellschaft beteiligte Kommanditistin einer Besitzgesellschaft aufgrund der ihr als Treuhänderin gegenüber Treugebern obliegenden Treuepflicht in der Gesellschafterversammlung der Besitz-KG ihre eigenen Interessen überwiegend den Interessen der Treugeber unterzuordnen, so scheidet die Annahme einer personellen Verflechtung als Voraussetzung einer Betriebsaufspaltung aus.

BFH v. 20.5.2021 - IV R 31/19
Der Sachverhalt:
Gegenstand des Unternehmens der klagenden X-GmbH & Co. KG ist insbesondere der Erwerb, die Errichtung und die Vermietung von Grundstücken sowie die Beteiligung. Die Kommanditanteile an der Klägerin wurden in den Streitjahren (2008 und 2009) sämtlich von der A-Holding gehalten, wobei diese in den Streitjahren zwischen 38,81 % und 48,43 % der Kommanditanteile auf eigene Rechnung, die übrigen treuhänderisch für andere hielt. Die treuhänderische Beteiligung erfolgte aufgrund eines Emissionsprospekts durch Abschluss eines für sämtliche Treugeber gleichlautenden Treuhandvertrags. Durch diesen war sichergestellt, dass die A-Holding mindestens 25,1 % des Kommanditkapitals auf eigene Rechnung hielt. Im Übrigen waren die Treugeber aufgrund des Gesellschaftsvertrags berechtigt, unmittelbar an der Gesellschafterversammlung teilzunehmen und ihre mitgliedschaftlichen Rechte dort auszuüben. Gleichermaßen war es ihnen möglich, sich in der Gesellschafterversammlung durch die A-Holding vertreten zu lassen und dieser Weisungen zur Stimmrechtsausübung zu erteilen.

Persönlich haftende Gesellschafterin der Klägerin war die B-GmbH, die am Kapital der Klägerin nicht beteiligt war. Alleinige Gesellschafterin der B-GmbH war die A-Holding. Die Geschäftsführung der Klägerin oblag ausschließlich der Komplementärin (B-GmbH). Sie war von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Die Geschäftsführung erstreckte sich auf alle Rechtsgeschäfte, die zur Erreichung des Gesellschaftszwecks erforderlich sind, insbesondere die bereits im Investitionsplan genannten. Geschäftsführungsmaßnahmen, die über den gewöhnlichen Betrieb der Gesellschaft hinausgingen, bedurften der Zustimmung der Gesellschafterversammlung, es sei denn, ihre unverzügliche Ergreifung war für die Belange der Gesellschaft erforderlich. Die Zustimmung zu Geschäften, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgingen, bedurfte regelmäßig der einfachen Mehrheit, in besonderen Fällen einer qualifizierten Mehrheit von 75 % der anwesenden bzw. vertretenen Stimmen. Zu den Geschäften i.S.d. Gesellschaftsvertrags zählten insbesondere der Erwerb, die Veräußerung und Belastung von Grundstücken, soweit dies nicht im Investitionsplan vorgesehen war, die Vermietung und Verpachtung der Objekte, soweit es sich nicht um die Vermietung gemäß der Zweckbestimmung im Emissionsprospekt handelte, sowie die Kündigung von Gebäude- und Grundstücksmietverträgen. Zwischen der Geschäftsführung der A-Holding und der B-GmbH bestand weitgehende Personenidentität.

Vermittelt durch eine hundertprozentige Beteiligung an der H-GmbH hielt die A-Holding zudem sämtliche Aktien an der X-AG, die wiederum alleinige Kommanditistin der M-GmbH & Co. KG (M-KG) war. Zwischen der A-Holding und der H-GmbH sowie zwischen der H-GmbH und der AG bestanden Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge. Komplementärinnen der M-KG waren die S-GmbH, die Y-GmbH, sowie die V-GmbH, deren sämtliche Geschäftsanteile wiederum von der AG gehalten wurden. Zwischen der AG und der S-GmbH bestand ebenfalls ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Die Klägerin vermietete der M-KG eine Immobilie. Der Mietvertrag vom 3.11.1997 wurde beginnend ab dem 1.1.1998 für die Dauer von 20 Jahren geschlossen. Nach Ablauf dieser Zeit verlängerte sich die Mietdauer automatisch um jeweils fünf Jahre, wenn nicht zuvor eine der Vertragsparteien den Mietvertrag mit einer zwölfmonatigen Frist kündigte. Im Übrigen konnte die Klägerin den Mietvertrag aufgrund Zahlungsrückstands von einer Monatsmiete oder bei allgemeiner Einstellung der Zahlungen durch die Mieterin kündigen. Die anfänglich vereinbarte Miete unterlag einer Indexanpassung auf Anforderung eines Vertragsteils.

In ihren Gewerbesteuererklärungen 2008 und 2009 nahm die Klägerin jeweils die erweiterte Kürzung bei einem Grundstücksunternehmen i.S.d. § 9 Nr. 1 Sätze 2 und 3 GewStG in Anspruch. Das Finanzamt folgte dem zunächst in seinen Gewerbesteuermessbescheiden für 2008, ehe es nach einer Außenprüfung die erweiterte Kürzung versagte.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass im Streitfall eine Betriebsaufspaltung der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG entgegensteht.

Nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden Grundbesitzes gekürzt (sog. einfache Kürzung). An Stelle der Kürzung nach Satz 1 tritt nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (sog. erweiterte Kürzung). Die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ist grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die Verwaltung oder Nutzung des eigenen Grundbesitzes die Grenzen der Gewerblichkeit überschreitet. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Grundstücksunternehmen infolge einer Betriebsaufspaltung als Besitzunternehmen (originär) gewerbliche Einkünfte erzielt.

Vorliegend war die personelle Verflechtung streitig. Für ihr Vorliegen ist entscheidend, dass die Geschicke des Besitzunternehmens in den wesentlichen Fragen durch die Person oder Personen bestimmt werden, die auch hinter dem Betriebsunternehmen stehen. Zu den wesentlichen Fragen gehören insbesondere die hinsichtlich der wesentlichen Betriebsgrundlagen bestehenden Nutzungsüberlassungsverträge (sachliche Verflechtung), die nicht gegen den Willen der Person oder der Personengruppe sollen aufgelöst werden können, die das Besitzunternehmen beherrscht.

Eine personelle Verflechtung kann auch bei fehlender Beteiligungsidentität vorliegen, wenn der Mehrheitsgesellschafter oder die Mehrheits-Personengruppe in beiden Unternehmen ihren geschäftlichen Willen durchsetzen können. Nicht in jedem Fall kann nämlich schon allein aufgrund einer Mehrheitsbeteiligung an Besitz- und Betriebsunternehmen auf eine personelle Verflechtung geschlossen werden. Vielmehr kann trotz einer nominellen Mehrheitsbeteiligung die Beherrschung durch den Mehrheitsgesellschafter zu verneinen sein. Deshalb können besondere Umstände des Einzelfalls auch bei einer Mehrheitsbeteiligung von Gesellschaftern an Besitz- und Betriebsunternehmen die Prüfung erfordern, ob diese Umstände der Durchsetzung eines einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillens in beiden Unternehmen und damit einer personellen Verflechtung entgegenstehen. Eine solche Situation kann u.a. bei einem treuhänderischen Halten der Beteiligung gegeben sein. So gebietet es die dem Treuhänder gegenüber dem Treugeber obliegende Treuepflicht, dass er in der Gesellschafterversammlung seine eigenen Interessen den Interessen des Treugebers unterordnet.

Nach diesen Maßstäben liegt hier keine personelle Verflechtung vor. Die Annahme einer personellen Verflechtung scheitert bereits daran, dass die A-Holding in den Streitjahren nicht in der Lage war, ihren Willen in der Klägerin durchzusetzen. Denn die aus gesellschaftsrechtlicher Sicht mehrheitlich an der Klägerin beteiligte A-Holding konnte nach Maßgabe der im Streitfall getroffenen Regelungen im Emissionsprospekt, in den Treuhandverträgen und im Gesellschaftsvertrag der Klägerin in den wesentlichen Fragen, insbesondere in Bezug auf den hinsichtlich der wesentlichen Betriebsgrundlage "Grundstück" bestehenden Nutzungsüberlassungsvertrag, bei der Klägerin als Besitzunternehmen nicht ihren Willen durchsetzen. Insbesondere die Kündigung von Gebäude- und Grundstücksmietverträgen war nach dem Gesellschaftsvertrag mit einfacher Mehrheit der in der Gesellschafterversammlung anwesenden und/oder vertretenen Stimmen zustimmungspflichtig. Dabei konnte die A-Holding jedoch nach dem Gesellschaftsvertrag über keine eigene Stimmenmehrheit verfügen, sondern allenfalls gemeinsam mit den Stimmen der Treugeber.

Selbst wenn bzw. soweit die A-Holding die zur eigenen Teilnahme an der Gesellschafterversammlung berechtigten Treugeber dort vertreten hätte, hätte sie deren Weisungen zur Stimmrechtsausübung folgen müssen. Deshalb hätte der Mietvertrag mit der M-KG als rechtliche Grundlage des die sachliche Verflechtung begründenden Nutzungsverhältnisses auch gegen den Willen der A-Holding aufgelöst werden können. Weil vorliegend eine Betriebsaufspaltung zu verneinen war, liegen die Voraussetzungen der erweiterten Kürzung vor, weshalb die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide zu ändern waren.
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