Beiträge an einen Solidarverein können Sonderausgaben sein
FG Münster v. 1.3.2024 - 11 K 820/19 E
Der Sachverhalt:
Die Kläger hatten im Streitjahr 2017 an einen Solidarverein Beiträge für ihre Absicherung im Krankheits- und Pflegefall gezahlt. Bei diesem Verein handelt es sich ausweislich seiner Satzung um eine aufsichtsfreie Personenvereinigung und nicht um eine Krankenkasse oder Krankenversicherung. In der Satzung ist ferner geregelt, dass sich die Mitglieder gegenseitig rechtlich verbindlich eine umfassende flexible Krankenversorgung zusichern, die in Quantität und Qualität mindestens dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht.
Die Höhe der von den Mitgliedern zu leistenden Beiträge ist einkommensabhängig. Nach der Zuwendungsordnung besteht freie Therapiewahl und es wird ein Zuwendungsrahmen festgelegt, der Obergrenzen für einzelne Behandlungsleistungen enthält. In einem "Argumentarium" werden die maßgeblichen Prinzipien des Vereins benannt, zu denen unter anderem das Prinzip "Zuwendung statt Anspruch" gehört. Auch im Aufnahmebogen des Vereins ist die Formulierung enthalten, dass kein Rechtsanspruch auf bestimmte Leistungen bestehe.
Das Finanzamt hat den von den Klägern beantragten Sonderausgabenabzug für die Mitgliedsbeiträge nicht anerkannt, da es an einem Rechtsanspruch auf Leistungen fehle. Das FG hat die hiergegen erhobene Klage im ersten Rechtsgang abgewiesen. Der BFH hat das Urteil mit Gerichtsbescheid vom 23.8.2023 (X R 21/22) aufgehoben und an das FG zurückverwiesen. Im zweiten Rechtsgang hat der 11. Senat der Klage nunmehr weitgehend stattgegeben. Zwar hatte der Senat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Diese wurde von den Beteiligten jedoch nicht eingelegt.
Die Gründe:
Der Einkommensteuerbescheid 2017 ist rechtswidrig.
Der Sonderausgabenabzug für die Beiträge zur Krankheitsvorsorge war anzuerkennen. Die für die Vorsorge im Krankheitsfall geleisteten Beiträge sind zur Erlangung eines sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus erforderlich, da der Ersatz der Krankheitskosten nach der Satzung das Niveau der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung erreichen soll. Obwohl die Satzung einen ausdrücklichen Leistungsanspruch nicht vorsieht, besteht ein rechtsverbindlicher Anspruch auf Leistungen im Krankheitsfall.
Dies ergab sich aus der Auslegung der Satzung und der weiteren Begleitumstände. Die rechtliche Selbsteinschätzung des Vereins, die einen Rechtsanspruch ausschließt, dient lediglich dem Zweck, eine aufsichtsrechtliche Einordnung als Krankenversicherung zu verhindern. Vielmehr ergab sich aus der Satzung, dass in Fällen medizinischer Notwendigkeit ein Anspruch auf Leistungen besteht, der demjenigen der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht und auch ein entsprechendes Leistungsniveau garantiert. Dies wurde auch durch die von den Klägern übersandten Protokolle der Mitgliederversammlungen gestützt, aus denen sich über einen Zeitraum von acht Jahren keinerlei Streitigkeiten über Leistungsansprüche ergeben hatten.
Auch im "Argumentarium" fanden sich Anhaltspunkte dafür, dass die Mitglieder im Krankheitsfall verlässlich und vollumfänglich abgesichert sind. Da der Verein eine solche Absicherung im Krankheitsfall gewährt, ist es unschädlich, dass er keine Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb im Inland hat. Demgegenüber waren die der Pflegevorsorge dienenden Beiträge nicht als Sonderausgaben abzugsfähig, da nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung nur Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung begünstigt sind.
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FG Münster - Newsletter Mai 2024
Die Kläger hatten im Streitjahr 2017 an einen Solidarverein Beiträge für ihre Absicherung im Krankheits- und Pflegefall gezahlt. Bei diesem Verein handelt es sich ausweislich seiner Satzung um eine aufsichtsfreie Personenvereinigung und nicht um eine Krankenkasse oder Krankenversicherung. In der Satzung ist ferner geregelt, dass sich die Mitglieder gegenseitig rechtlich verbindlich eine umfassende flexible Krankenversorgung zusichern, die in Quantität und Qualität mindestens dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht.
Die Höhe der von den Mitgliedern zu leistenden Beiträge ist einkommensabhängig. Nach der Zuwendungsordnung besteht freie Therapiewahl und es wird ein Zuwendungsrahmen festgelegt, der Obergrenzen für einzelne Behandlungsleistungen enthält. In einem "Argumentarium" werden die maßgeblichen Prinzipien des Vereins benannt, zu denen unter anderem das Prinzip "Zuwendung statt Anspruch" gehört. Auch im Aufnahmebogen des Vereins ist die Formulierung enthalten, dass kein Rechtsanspruch auf bestimmte Leistungen bestehe.
Das Finanzamt hat den von den Klägern beantragten Sonderausgabenabzug für die Mitgliedsbeiträge nicht anerkannt, da es an einem Rechtsanspruch auf Leistungen fehle. Das FG hat die hiergegen erhobene Klage im ersten Rechtsgang abgewiesen. Der BFH hat das Urteil mit Gerichtsbescheid vom 23.8.2023 (X R 21/22) aufgehoben und an das FG zurückverwiesen. Im zweiten Rechtsgang hat der 11. Senat der Klage nunmehr weitgehend stattgegeben. Zwar hatte der Senat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Diese wurde von den Beteiligten jedoch nicht eingelegt.
Die Gründe:
Der Einkommensteuerbescheid 2017 ist rechtswidrig.
Der Sonderausgabenabzug für die Beiträge zur Krankheitsvorsorge war anzuerkennen. Die für die Vorsorge im Krankheitsfall geleisteten Beiträge sind zur Erlangung eines sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus erforderlich, da der Ersatz der Krankheitskosten nach der Satzung das Niveau der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung erreichen soll. Obwohl die Satzung einen ausdrücklichen Leistungsanspruch nicht vorsieht, besteht ein rechtsverbindlicher Anspruch auf Leistungen im Krankheitsfall.
Dies ergab sich aus der Auslegung der Satzung und der weiteren Begleitumstände. Die rechtliche Selbsteinschätzung des Vereins, die einen Rechtsanspruch ausschließt, dient lediglich dem Zweck, eine aufsichtsrechtliche Einordnung als Krankenversicherung zu verhindern. Vielmehr ergab sich aus der Satzung, dass in Fällen medizinischer Notwendigkeit ein Anspruch auf Leistungen besteht, der demjenigen der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht und auch ein entsprechendes Leistungsniveau garantiert. Dies wurde auch durch die von den Klägern übersandten Protokolle der Mitgliederversammlungen gestützt, aus denen sich über einen Zeitraum von acht Jahren keinerlei Streitigkeiten über Leistungsansprüche ergeben hatten.
Auch im "Argumentarium" fanden sich Anhaltspunkte dafür, dass die Mitglieder im Krankheitsfall verlässlich und vollumfänglich abgesichert sind. Da der Verein eine solche Absicherung im Krankheitsfall gewährt, ist es unschädlich, dass er keine Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb im Inland hat. Demgegenüber waren die der Pflegevorsorge dienenden Beiträge nicht als Sonderausgaben abzugsfähig, da nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung nur Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung begünstigt sind.
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