01.12.2022

Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer bei Grundstückskauf von erschließungspflichtiger Gemeinde

Veräußert eine erschließungspflichtige Gemeinde ein Grundstück und übernimmt der Erwerber dabei die vertragliche Verpflichtung, für die zukünftige Erschließung des Grundstücks einen bestimmten Betrag zu zahlen, ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs regelmäßig nur das unerschlossene Grundstück.

Kurzbesprechung
BFH v. 28. 9. 2022 - II R 32/20

GrEStG § 1 Abs 1 Nr. 1, § 8 Abs 1, § 9 Abs 1 Nr. 1
BGB § 133, § 134, § 138, § 157
AO § 40, § 42
FGO § 118 Abs 2
BauGB § 123 Abs 1, § 127 Abs 1, § 133 Abs 3 S 5, § 134, § 135 Abs 1


Die Steuerpflichtige erwarb von der erschließungspflichtigen Gemeinde einen Miteigentumsanteil an einem unbebauten und unerschlossenen Grundstück. In dem Kaufvertrag waren Entgelte für das Grundstück und für die künftige Erschließung jeweils gesondert ausgewiesen.

Der BFH entschied, dass ein solcher Vertrag regelmäßig in einen privatrechtlichen Vertrag über den Erwerb des unerschlossenen Grundstücks und einen öffentlich-rechtlichen Vertrag über die Ablösung des Erschließungsbeitrags aufzuteilen ist. Eine solche Ablösungsabrede ist nur öffentlich-rechtlich zulässig; als privatrechtliche Vereinbarung wäre sie nichtig. Das Vertragswerk ist aber so auszulegen, dass es weitestmöglich wirksam bleibt.

§ 40 AO greift erst ein, wenn die Vereinbarung so ausgelegt werden muss, dass ein Gesetzesverstoß vorliegt. Wie ein Vertrag auszulegen ist, wenn die Vereinbarung über die Erschließungskosten nicht den öffentlich-rechtlichen Anforderungen an deren Berechnung genügt und die Beteiligten den auf das Grundstück entfallenden Kaufpreisanteil einvernehmlich bewusst zu niedrig ausweisen, ist eine davon abweichende, möglicherweise unter Beachtung des § 42 AO zu beantwortende Frage.

Beraterhinweis: Der Verkauf eines noch zu erschließenden Grundstücks durch die erschließungspflichtige Gemeinde ist nicht zu verwechseln mit dem Verkauf durch einen privaten Erschließungsträger, mit dem sich der BFH in seinem Urteil vom 23.02.2022 - II R 9/21 (n.v.) befasst hatte. Veräußert danach ein privater Erschließungsträger ein von ihm zu erschließendes, im Zeitpunkt des Erwerbs aber noch unerschlossenes Grundstück, und sind die in dem Kaufpreis enthaltenen Erschließungskosten nicht gesondert ausgewiesen, ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück im erschlossenen Zustand.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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