Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer bei Verlängerung eines Erbbaurechts
Kurzbesprechung
BFH v. 10.7.2024 - II R 3/22
GrEStG § 8 Abs 1
BewG § 12 Abs 3, § 13 Abs 1, § 13 Abs 3
Streitig war die Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Verlängerung eines Erbbaurechts. Das FG war zutreffend davon ausgegangen, dass ein Rechtsgeschäft, das einen Anspruch auf Verlängerung eines Erbbaurechts begründet, ebenfalls nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegt. Denn § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG stellt die Erbbaurechte ausdrücklich den Grundstücken gleich. Die Vereinbarung der Verlängerung eines Erbbaurechts unterliegt als Rechtsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG daher ebenso wie die Vereinbarung über die (erstmalige) Bestellung der Grunderwerbsteuer.
Die grunderwerbsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage im Sinne des § 8 Abs. 1 GrEStG bestimmt sich nach dem Kapitalwert der für den Verlängerungszeitraum zu zahlenden Erbbauzinsen. Da Gegenstand des Erwerbsvorgangs ein Erbbaurecht im Sinne des § 1 Abs. 1 des Erbbaurechtsgesetzes (ErbbauRG) ist, dem eine Erbbauzinsverpflichtung im Sinne des § 9 Abs. 1 ErbbauRG gegenübersteht, ist Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 BewG die auf die vereinbarte Laufzeit des Erbbaurechts kapitalisierte Erbbauzinsverpflichtung. Ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs ein verlängertes Erbbaurecht, ist der auf die Laufzeit der Verlängerung des Erbbaurechts kapitalisierte Erbbauzins als Wert der Gegenleistung der Bemessung der Grunderwerbsteuer zugrunde zu legen.
Der kapitalisierte Erbbauzins ist nicht nach § 12 Abs. 3 Satz 1 BewG auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Verlängerungsvereinbarung abzuzinsen. Die Vorschrift erfasst im Bereich der Grunderwerbsteuer nur solche Fälle, in denen der Grundstücksverkäufer seine Verpflichtung aus dem Kaufvertrag zur Übereignung des Grundstücks bereits erfüllt hat und trotzdem vereinbarungsgemäß die Kaufpreiszahlung des Käufers zinslos hinausgeschoben wird. Denn die zinslose Stundung des Kaufpreises über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr ist wie eine verdeckte Kaufpreisermäßigung zu behandeln.
Eine Abweichung vom Nominalwert des Kaufpreises durch Abzinsung kommt dagegen nicht in Betracht, wenn nicht nur der Kaufpreis, sondern die beiderseitigen Hauptleistungspflichten aus dem Grundstückskaufvertrag hinausgeschoben werden, weil der Verkäufer in einem solchen Fall nicht vorleistungspflichtig ist.
Tauschen die Vertragspartner ihre Leistungen daher Zug um Zug (§ 322 Abs. 1 BGB) aus, entfällt der Rechtfertigungsgrund für die Abzinsung selbst dann, wenn der Leistungsaustausch und damit auch die Zahlung des Kaufpreises erst mehrere Jahre nach dem Vertragsschluss erfolgt.
Diese Grundsätze sind auf die Verlängerung eines Erbbaurechts zu übertragen. Da das Erbbaurecht gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG einem Grundstück gleichsteht, kann hinsichtlich der vereinbarten Gegenleistung für die (erstmalige) Bestellung oder Verlängerung eines Erbbaurechts nichts anderes gelten als hinsichtlich der Gegenleistung für die Übereignung eines Grundstücks. Dabei ist bei Abschluss einer Verlängerungsvereinbarung zu berücksichtigen, dass für diejenige Zeit, auf die sich die Verlängerung des Erbbaurechts bezieht, auch bürgerlich-rechtlich die Abspaltung des Erbbaurechts von dem Eigentum nicht anders stattfindet als dies bei einer Neubestellung des Erbbaurechts der Fall gewesen wäre, denn ohne die Verlängerung endet das Erbbaurecht gemäß § 12 Abs. 3 ErbbauRG ohne Zutun der Beteiligten. Demzufolge ist nicht auf den Zeitpunkt der Vereinbarung über die Verlängerung des Erbbaurechts, sondern den Beginn des Verlängerungszeitraums abzustellen, wenn es darum geht, ob Leistungspflichten hinausgeschoben werden.
Die entsprechende Sachleistungspflicht in Gestalt der Vermittlung der weiteren Sachherrschaft über die Grundstücksfläche kann durch den Grundstückseigentümer bei der Erbbaurechtsverlängerung erst mit dem Beginn des Verlängerungszeitraums erfüllt werden. Erst ab diesem Zeitpunkt wird das aus § 1 Abs. 1 ErbbauRG folgende Recht des Erbbauberechtigten, weiterhin das Eigentum an dem auf dem fremden Grundstück errichteten Bauwerk zu haben, verlängert und damit für den Verlängerungszeitraum (erstmals) begründet, sodass die mit der Verlängerung des Erbbaurechts korrespondierende Leistungspflicht des Grundstückseigentümers auch erst zu diesem Zeitpunkt erfüllt wird. Erst mit Beginn des Verlängerungszeitraums sind auch die jährlichen Erbbauzinszahlungen für das verlängerte Erbbaurecht zu zahlen.
Der dann als wiederkehrende Leistung zu zahlende Erbbauzins und das verlängerte Erbbaurecht stehen in einem Gegenseitigkeitsverhältnis. Somit erfüllen sowohl der Grundstückseigentümer als auch der Erbbauberechtigte die beiderseitigen Leistungen Zug um Zug erst in der Zukunft, sodass der Grundstückseigentümer nicht vorleistungspflichtig ist. Für eine Abzinsung des kapitalisierten Erbbauzinses auf den Zeitpunkt der Verlängerungsvereinbarung ist daher kein Raum.
Der kapitalisierte Erbbauzins ist auch nicht nach § 13 Abs. 1 oder Abs. 3 BewG auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Verlängerungsvereinbarung abzuzinsen. Eine Abzinsung in dem Zeitraum bis zur Verlängerung des Erbbaurechts erfolgt lediglich durch die Kapitalisierung der Erbbauzinsverpflichtung für die erstmalige Bestellung des Erbbaurechts.
Eine weitere Abzinsung ergibt sich auch nicht aus § 13 Abs. 3 BewG. Nach dieser Vorschrift sind wiederkehrende Nutzungen und Leistungen mit ihrem gemeinen Wert anzusetzen, wenn dieser nachweislich geringer oder höher ist als der nach § 13 Abs. 1 BewG ermittelte Kapitalwert. Ein geringerer gemeiner Wert kann sich zwar grundsätzlich auch aus einem zeitlichen Aufschub einer Zahlungsverpflichtung ergeben. Zu einem zeitlichen Aufschub der Erbbauzinsverpflichtung kommt es im Falle der Verlängerung eines Erbbaurechts aber nicht, da in einem solchen Fall auch die Sachleistungspflicht des Grundstückseigentümers als Erbbauverpflichtetem erst nach Ablauf des ursprünglichen Zeitraums einsetzt. Da die gegenseitigen Leistungen somit ab Beginn des Verlängerungszeitraums Zug um Zug erbracht werden, liegt in dem ‑ aus der Perspektive der Verlängerungsvereinbarung ‑ erst zukünftigen Einsetzen der Pflicht zur Entrichtung der Erbbauzinsen kein Zahlungsaufschub, der den Ansatz eines niedrigeren Werts nach § 13 Abs. 3 BewG rechtfertigen könnte.
Beraterhinweis: Siehe hierzu auch die größtenteils inhaltsgleiche Parallelentscheidung des BFH v. 10.7.2024 - II R 36/23, ebenfalls veröffentlicht am 10.10.2024.
Verlag Dr. Otto Schmidt
GrEStG § 8 Abs 1
BewG § 12 Abs 3, § 13 Abs 1, § 13 Abs 3
Streitig war die Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Verlängerung eines Erbbaurechts. Das FG war zutreffend davon ausgegangen, dass ein Rechtsgeschäft, das einen Anspruch auf Verlängerung eines Erbbaurechts begründet, ebenfalls nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegt. Denn § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG stellt die Erbbaurechte ausdrücklich den Grundstücken gleich. Die Vereinbarung der Verlängerung eines Erbbaurechts unterliegt als Rechtsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG daher ebenso wie die Vereinbarung über die (erstmalige) Bestellung der Grunderwerbsteuer.
Die grunderwerbsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage im Sinne des § 8 Abs. 1 GrEStG bestimmt sich nach dem Kapitalwert der für den Verlängerungszeitraum zu zahlenden Erbbauzinsen. Da Gegenstand des Erwerbsvorgangs ein Erbbaurecht im Sinne des § 1 Abs. 1 des Erbbaurechtsgesetzes (ErbbauRG) ist, dem eine Erbbauzinsverpflichtung im Sinne des § 9 Abs. 1 ErbbauRG gegenübersteht, ist Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 BewG die auf die vereinbarte Laufzeit des Erbbaurechts kapitalisierte Erbbauzinsverpflichtung. Ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs ein verlängertes Erbbaurecht, ist der auf die Laufzeit der Verlängerung des Erbbaurechts kapitalisierte Erbbauzins als Wert der Gegenleistung der Bemessung der Grunderwerbsteuer zugrunde zu legen.
Der kapitalisierte Erbbauzins ist nicht nach § 12 Abs. 3 Satz 1 BewG auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Verlängerungsvereinbarung abzuzinsen. Die Vorschrift erfasst im Bereich der Grunderwerbsteuer nur solche Fälle, in denen der Grundstücksverkäufer seine Verpflichtung aus dem Kaufvertrag zur Übereignung des Grundstücks bereits erfüllt hat und trotzdem vereinbarungsgemäß die Kaufpreiszahlung des Käufers zinslos hinausgeschoben wird. Denn die zinslose Stundung des Kaufpreises über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr ist wie eine verdeckte Kaufpreisermäßigung zu behandeln.
Eine Abweichung vom Nominalwert des Kaufpreises durch Abzinsung kommt dagegen nicht in Betracht, wenn nicht nur der Kaufpreis, sondern die beiderseitigen Hauptleistungspflichten aus dem Grundstückskaufvertrag hinausgeschoben werden, weil der Verkäufer in einem solchen Fall nicht vorleistungspflichtig ist.
Tauschen die Vertragspartner ihre Leistungen daher Zug um Zug (§ 322 Abs. 1 BGB) aus, entfällt der Rechtfertigungsgrund für die Abzinsung selbst dann, wenn der Leistungsaustausch und damit auch die Zahlung des Kaufpreises erst mehrere Jahre nach dem Vertragsschluss erfolgt.
Diese Grundsätze sind auf die Verlängerung eines Erbbaurechts zu übertragen. Da das Erbbaurecht gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG einem Grundstück gleichsteht, kann hinsichtlich der vereinbarten Gegenleistung für die (erstmalige) Bestellung oder Verlängerung eines Erbbaurechts nichts anderes gelten als hinsichtlich der Gegenleistung für die Übereignung eines Grundstücks. Dabei ist bei Abschluss einer Verlängerungsvereinbarung zu berücksichtigen, dass für diejenige Zeit, auf die sich die Verlängerung des Erbbaurechts bezieht, auch bürgerlich-rechtlich die Abspaltung des Erbbaurechts von dem Eigentum nicht anders stattfindet als dies bei einer Neubestellung des Erbbaurechts der Fall gewesen wäre, denn ohne die Verlängerung endet das Erbbaurecht gemäß § 12 Abs. 3 ErbbauRG ohne Zutun der Beteiligten. Demzufolge ist nicht auf den Zeitpunkt der Vereinbarung über die Verlängerung des Erbbaurechts, sondern den Beginn des Verlängerungszeitraums abzustellen, wenn es darum geht, ob Leistungspflichten hinausgeschoben werden.
Die entsprechende Sachleistungspflicht in Gestalt der Vermittlung der weiteren Sachherrschaft über die Grundstücksfläche kann durch den Grundstückseigentümer bei der Erbbaurechtsverlängerung erst mit dem Beginn des Verlängerungszeitraums erfüllt werden. Erst ab diesem Zeitpunkt wird das aus § 1 Abs. 1 ErbbauRG folgende Recht des Erbbauberechtigten, weiterhin das Eigentum an dem auf dem fremden Grundstück errichteten Bauwerk zu haben, verlängert und damit für den Verlängerungszeitraum (erstmals) begründet, sodass die mit der Verlängerung des Erbbaurechts korrespondierende Leistungspflicht des Grundstückseigentümers auch erst zu diesem Zeitpunkt erfüllt wird. Erst mit Beginn des Verlängerungszeitraums sind auch die jährlichen Erbbauzinszahlungen für das verlängerte Erbbaurecht zu zahlen.
Der dann als wiederkehrende Leistung zu zahlende Erbbauzins und das verlängerte Erbbaurecht stehen in einem Gegenseitigkeitsverhältnis. Somit erfüllen sowohl der Grundstückseigentümer als auch der Erbbauberechtigte die beiderseitigen Leistungen Zug um Zug erst in der Zukunft, sodass der Grundstückseigentümer nicht vorleistungspflichtig ist. Für eine Abzinsung des kapitalisierten Erbbauzinses auf den Zeitpunkt der Verlängerungsvereinbarung ist daher kein Raum.
Der kapitalisierte Erbbauzins ist auch nicht nach § 13 Abs. 1 oder Abs. 3 BewG auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Verlängerungsvereinbarung abzuzinsen. Eine Abzinsung in dem Zeitraum bis zur Verlängerung des Erbbaurechts erfolgt lediglich durch die Kapitalisierung der Erbbauzinsverpflichtung für die erstmalige Bestellung des Erbbaurechts.
Eine weitere Abzinsung ergibt sich auch nicht aus § 13 Abs. 3 BewG. Nach dieser Vorschrift sind wiederkehrende Nutzungen und Leistungen mit ihrem gemeinen Wert anzusetzen, wenn dieser nachweislich geringer oder höher ist als der nach § 13 Abs. 1 BewG ermittelte Kapitalwert. Ein geringerer gemeiner Wert kann sich zwar grundsätzlich auch aus einem zeitlichen Aufschub einer Zahlungsverpflichtung ergeben. Zu einem zeitlichen Aufschub der Erbbauzinsverpflichtung kommt es im Falle der Verlängerung eines Erbbaurechts aber nicht, da in einem solchen Fall auch die Sachleistungspflicht des Grundstückseigentümers als Erbbauverpflichtetem erst nach Ablauf des ursprünglichen Zeitraums einsetzt. Da die gegenseitigen Leistungen somit ab Beginn des Verlängerungszeitraums Zug um Zug erbracht werden, liegt in dem ‑ aus der Perspektive der Verlängerungsvereinbarung ‑ erst zukünftigen Einsetzen der Pflicht zur Entrichtung der Erbbauzinsen kein Zahlungsaufschub, der den Ansatz eines niedrigeren Werts nach § 13 Abs. 3 BewG rechtfertigen könnte.
Beraterhinweis: Siehe hierzu auch die größtenteils inhaltsgleiche Parallelentscheidung des BFH v. 10.7.2024 - II R 36/23, ebenfalls veröffentlicht am 10.10.2024.