18.11.2021

Berücksichtigung der Ausschlussfrist des § 66 Abs. 3 EStG a.F. beim Familienleistungsausgleich

Wird ein noch nicht festsetzungsverjährter Kindergeldanspruch aufgrund der Anwendung der Frist des § 66 Abs. 3 EStG i.d.F. des StUmgBG vom 23.06.2017 (BGBl I 2017, 1682, BStBl I 2017, 865) ausgeschlossen, ist er auch bei der Günstigerrechnung und der Hinzurechnung nach § 31 Satz 4 EStG nur in Höhe von 0 € zu berücksichtigen. Die Frage, ob der Kindergeldanspruch durch die Frist des § 66 Abs. 3 EStG ausgeschlossen wird, haben die Finanzämter und Finanzgerichte selbstständig und ohne Bindung an die Beurteilung im Kindergeldverfahren zu entscheiden.

Kurzbesprechung
BFH v. 26.5.2021 - III R 50/19

EStG § 31 S 1, § 31 S 4, § 32 Abs 6, § 66 Abs 3
GG Art 1, Art 2 Abs 1, Art 3 Abs 1, Art 6 Abs 1, Art 20 Abs 1


Streitig war, in welcher Höhe ein durch die Frist des § 66 Abs. 3 EStG ausgeschlossener Anspruch auf Kindergeld die tarifliche Einkommensteuer erhöht.

Die Steuerpflichtigen sind Eltern eines 1995 geborenen Sohnes, der im Streitjahr 2017 ein Studium absolvierte. Am 23.05.2018 beantragte der Steuerpflichtige rückwirkend ab Januar 2017 Kindergeld für seinen Sohn. Die Familienkasse setzte mit Bescheid vom 02.07.2018 unter Hinweis auf die Ausschlussfrist des § 66 Abs. 3 EStG jedoch nur Kindergeld ab November 2017 fest und zahlte entsprechend auch nur das Kindergeld für November und Dezember 2017 in Höhe von 384 € aus.

In ihrer Einkommensteuererklärung für 2017 beantragten die Steuerpflichtigen, den Kindergeldanspruch nur in Höhe von 384 € zu berücksichtigen. Das FA berücksichtigte jedoch die kindbedingten Freibeträge in Höhe von 7.356 € und den Kindergeldanspruch in Höhe von 2.304 €. Im FG - Verfahren wurde auf den Betrag herabgesetzt, der sich bei einer Hinzurechnung eines Kindergeldanspruchs in Höhe von 384 € anstatt 2.304 € ergibt.

So sieht das auch der BFH. Da im Rahmen des § 31 EStG nicht mehr auf das gezahlte Kindergeld, sondern auf den Kindergeldanspruch abgestellt wird, folgt hieraus, dass für die Hinzurechnung von Kindergeld nach § 31 Satz 4 EStG der ursprüngliche, vor Erlöschen (z.B. durch Erfüllung) bestehende materiell-rechtliche Kindergeldanspruch maßgebend ist.

Im Streitfall war die sechsmonatige Ausschlussfrist nach § 66 Abs. 3 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz) vom 23.06.2017 (BStBl I 2017, 865) dem Festsetzungsverfahren zuzuordnen. Ein durch die Frist des § 66 Abs. 3 EStG ausgeschlossener Anspruch bei der Günstigerrechnung und Hinzurechnung nach § 31 Satz 4 EStG ist in Höhe von 0 € zu berücksichtigen.

Bei Anwendung des § 31 Satz 4 EStG auch in den Fällen des Eingreifens der Ausschlussfrist nach § 66 Abs. 3 EStG ist dem Grunde nach auf den Kindergeldanspruch und nicht etwa auf das gezahlte Kindergeld abzustellen. Was die Höhe des anzusetzenden Anspruchs anbelangt, ist jedoch bei verfassungskonformer Auslegung des § 31 Satz 4 EStG die materiell-rechtliche Wirkung der Ausschlussfrist auf den Kindergeldanspruch zu berücksichtigen und ein derart ausgeschlossener Kindergeldanspruch bei der Vergleichsrechnung und bei der Hinzurechnung nur in Höhe von 0 € zu berücksichtigen.

Im Streitfall erfüllte der Steuerpflichtige die Anspruchsvoraussetzungen nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, da sich der volljährige Sohn während des gesamten Streitjahres 2017 in einer Berufsausbildung befand. Da der Kindergeldantrag erst am 23.05.2018 und somit nach dem 31.12.2017, aber noch vor dem 18.07.2019 stellte, wurde sein Kindergeldanspruch durch die Ausschlussfrist des § 66 Abs. 3 EStG begrenzt. Ein Kindergeldanspruch besteht daher rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist. Für den Veranlagungszeitraum 2017 bestand der Kindergeldanspruch daher nur für die Monate November und Dezember und mithin in Höhe von 384 €.

Bei der Günstigerrechnung nach § 31 Satz 4 Halbsatz 1 EStG ist der durch § 66 Abs. 3 EStG für die Monate Januar bis Oktober 2017 ausgeschlossene Kindergeldanspruch in Höhe von 0 € anzusetzen, da er noch innerhalb der regulären Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO geltend gemacht wurde. Nachdem die im Einkommensteuerbescheid 2017 durchgeführte Günstigerrechnung bereits unter Ansatz eines Kindergeldanspruchs in Höhe von 2.304 € ergab, dass die kindbedingten Freibeträge günstiger sind als der Anspruch auf Kindergeld, galt dies erst recht bei Ansatz eines Kindergeldanspruchs in Höhe von 384 €.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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