11.02.2022

Berücksichtigung eines Kindes nach krankheitsbedingtem Ausbildungsabbruch

Eine kindergeldrechtliche Berücksichtigung wegen Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG scheidet aus, sobald ein Kind sein Ausbildungsverhältnis krankheitsbedingt nicht nur unterbrochen, sondern --z.B. durch Abmeldung von der (Hoch-)Schule oder Kündigung des Ausbildungsverhältnisses-- abgebrochen hat.

Kurzbesprechung
BFH v. 31.8.2021 - III R 41/19

EStG § 62 Abs 1 S 1 , EStG § 63 Abs 1 S 1 Nr 1 , EStG § 32 Abs 4 S 1 Nr 2 Buchst a , EStG § 32 Abs 4 S 1 Nr 2 Buchst c , EStG § 32 Abs 4 S 1 Nr 3 , EStG VZ 2017 , AO § 88 , FGO § 76 , DA-KG 2020 Abschn 17.2 Abs 1 S 4

Streitig ist der Kindergeldanspruch für ein während einer Ausbildung erkranktes Kind für den Zeitraum April bis September 2017. Die Familienkasse setzte deshalb zunächst zugunsten der Klägerin Kindergeld für A fest. Mit Schreiben vom 24.9.2017 hatte die Klägerin der Familienkasse mitgeteilt, dass für ihre Tochter ab September 2017 bis voraussichtlich Februar 2018 kein Anspruch auf Kindergeld mehr bestehe, da A vollzeitbeschäftigt und keine Auszubildende mehr sei. A werde ihre Ausbildung jedoch voraussichtlich im Februar 2018 fortsetzen. Nach einer Anfrage seitens der Familienkasse bei der Schule teilte diese mit, dass A vorzeitig zum 23.3.2017 von der Schule abgegangen sei. Die Familienkasse hob daher mit Bescheid vom 2.11.2017 die Kindergeldfestsetzung ab dem Monat April 2017 auf und forderte das für den Zeitraum April bis Oktober 2017 in Höhe von insgesamt 1.344 € bereits ausbezahlte Kindergeld von der Klägerin zurück.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein und teilte mit, dass A erkrankt sei. Sie fügte zwei ärztliche Atteste bei. Eine Fachärztin für Allgemeinmedizin bescheinigte, dass A aufgrund massiver gesundheitlicher Probleme das aktuell laufende Schuljahr unterbrechen solle, damit sie intensiv ihre Therapie vollenden könne. Falls es zu einer Besserung kommen sollte, könne sie im September wieder zur Schule gehen. Ein Nervenarzt attestierte, dass A seit Februar 2017 in seiner fachärztlichen Mitbehandlung stehe. Sie sei aktuell zu einer regelmäßigen Teilnahme am Schulunterricht nicht fähig. Der Erfolg der Behandlung müsse abgewartet werden. Es sei realistisch, eine Freistellung bis zum Beginn des neuen Schuljahres im Herbst einzuplanen.

Im dagegen gerichteten Klageverfahren erließ die Familienkasse einen Abhilfebescheid, durch den Kindergeld für A für die Monate November 2017 bis Januar 2018 festgesetzt wurde. Das FG gab der auf die Aufhebung des Aufhebungsbescheids und der Einspruchsentscheidung mit Ausnahme des Monats Oktober 2017 gerichteten Klage in vollem Umfang statt. Auf die hiergegen gerichtete Revision der Familienkasse hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass A im Streitzeitraum i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG für einen Beruf ausgebildet wurde.

Eine kindergeldrechtliche Berücksichtigung wegen Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG scheidet aus, sobald ein Kind sein Ausbildungsverhältnis krankheitsbedingt nicht nur unterbrochen, sondern --z.B. durch Abmeldung von der (Hoch-)Schule oder Kündigung des Ausbildungsverhältnisses-- abgebrochen hat. Ist ein Kind krankheitsbedingt nicht in der Lage, sich ernsthaft um eine Ausbildungsstelle zu bemühen oder sie zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn anzutreten, kann es nur dann nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG berücksichtigt werden, wenn es sich um eine vorübergehende Erkrankung handelt und die im Anspruchszeitraum bestehende Ausbildungswilligkeit nachgewiesen wird. Von einer vorübergehenden Erkrankung ist auszugehen, wenn sie im Hinblick auf die ihrer Art nach zu erwartende Dauer der von ihr ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht länger als sechs Monate währt.

Im Streitfall hat das FG keine genaueren Feststellungen dazu getroffen, welcher Art die Erkrankung ist. Auch fehlen nähere Feststellungen dazu, ob die nach der Art der Krankheit zu erwartende Dauer der von ihr ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht länger als sechs Monate andauern würde. Schließlich lassen die tatsächlichen Feststellungen zur Frage der Ausbildungswilligkeit jedenfalls keine Beurteilung dieses Erfordernisses für den gesamten Streitzeitraum von April bis September 2017 zu. Denn das FG hat zwar festgestellt, dass A am 10.4.2017 durch eine E-Mail gegenüber der von ihr bis März 2017 besuchten Schule ihre weitere Ausbildungswilligkeit dokumentiert hat. Feststellungen dazu, wann der Entschluss zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erfolgte, was spätestens mit Abschluss des Arbeitsvertrages für die dann (wohl) ab September 2017 aufgenommene Arbeit der Fall gewesen sein dürfte, fehlen dagegen. Da das FG weder eine Behinderung noch eine behinderungsbedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt festgestellt hat, vermag der Senat auch nicht zu entscheiden, ob A nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG berücksichtigt werden kann.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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