07.01.2021

Berücksichtigung eines Pflichtteilsanspruchs bei Berechnung der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung

Ein nach Eintritt in den Güterstand der Zugewinngemeinschaft von Todes wegen erworbener Pflichtteilsanspruch ist eine rechtlich geschützte Position von wirtschaftlichem Wert, die bei Berechnung der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung dem Anfangsvermögen des erwerbenden Ehegatten hinzuzurechnen ist.

Kurzbesprechung
BFH v. 22.7.2020 - II R 42/18

ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 5 Abs. 1
BGB § 1363, § 1371 Abs. 2, § 1373, § 1374, § 1376 Abs. 1, § 1922 Abs. 1, § 2317 Abs 1


Der Erbschaftsteuer unterliegt der Erwerb von Todes wegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Als solcher gilt gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erwerb durch Erbanfall i.S. des § 1922 Abs. 1 BGB. Wird der Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§ 1363 BGB, § 6 des Lebenspartnerschaftsgesetzes) durch den Tod eines Ehegatten oder den Tod eines Lebenspartners beendet und der Zugewinn nicht nach § 1371 Abs. 2 BGB ausgeglichen, gilt beim überlebenden Ehegatten oder beim überlebenden Lebenspartner der Betrag, den er nach Maßgabe des § 1371 Abs. 2 BGB als Ausgleichsforderung geltend machen könnte, nicht als Erwerb i.S. des § 3 ErbStG (§ 5 Abs. 1 ErbStG).

Obwohl in diesem Fall dem überlebenden Ehegatten zivilrechtlich keine Ausgleichsforderung nach § 1378 BGB zusteht, wird eine solche für die Erbschaftsteuer fiktiv errechnet und vom Erwerb abgezogen. § 5 Abs. 1 Satz 1 ErbStG bewirkt, dass der Erwerb des überlebenden Ehegatten vorbehaltlich der in § 5 Abs. 1 Sätze 2 bis 5 ErbStG getroffenen Sonderregelungen zu dem Anteil nicht mit Erbschaftsteuer belastet wird, der ihm bei einer gedachten güterrechtlichen Lösung als Ausgleichsforderung zugestanden hätte. Damit wird eine Angleichung der erbschaftsteuerrechtlichen Behandlung von erbrechtlicher und güterrechtlicher Lösung bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten erreicht, soweit § 5 Abs. 1 Sätze 2 bis 5 ErbStG nichts anderes bestimmen.

Diese Angleichung setzt voraus, dass der fiktive Zugewinnausgleichsanspruch nach denselben zivilrechtlichen Grundsätzen berechnet wird wie ein tatsächlich geltend gemachter Zugewinnausgleichsanspruch. Nach § 1371 Abs. 2 BGB kann der überlebende Ehegatte, wenn er nicht Erbe wird und ihm auch kein Vermächtnis zusteht, Ausgleich des Zugewinns nach den Vorschriften der §§ 1373 bis 1383, 1390 BGB verlangen.

Zugewinn ist nach § 1373 BGB der Betrag, um den das Endvermögen eines Ehegatten das Anfangsvermögen übersteigt. Übersteigt der Zugewinn des einen Ehegatten den Zugewinn des anderen, so steht die Hälfte des Überschusses dem anderen Ehegatten als Ausgleichsforderung zu (§ 1378 Abs. 1 BGB). Vermögen ist die Wertsumme aller Gegenstände, die einem Ehegatten beim Eintritt des Güterstands (§ 1374 Abs. 1 BGB, Anfangsvermögen) bzw. bei Beendigung (§ 1375 Abs. 1 Satz 1 BGB, Endvermögen) nach Abzug der Verbindlichkeiten gehören.

Zum Anfangsvermögen i.S. der §§ 1374 Abs. 1, 1363 Abs. 1 BGB zählen alle dem Ehegatten am Stichtag zustehenden rechtlich geschützten Positionen von wirtschaftlichem Wert, d.h. neben den einem Ehegatten gehörenden Sachen alle ihm zustehenden objektiv bewertbaren Rechte, die beim Eintritt des Güterstands bereits bestanden haben. Dazu gehören u.a. auch geschützte Anwartschaften mit ihrem gegenwärtigen Vermögenswert sowie die ihnen vergleichbaren Rechtsstellungen, die einen Anspruch auf künftige Leistung gewähren, sofern diese nicht mehr von einer Gegenleistung abhängig und nach wirtschaftlichen Maßstäben (notfalls durch Schätzung) bewertbar sind. Der Wert muss nicht zwingend sogleich verfügbar sein. Die Berücksichtigung eines Rechts im Anfangsvermögen setzt auch nicht voraus, dass das Recht bereits fällig, unbedingt oder vererblich ist.

Vermögen, das ein Ehegatte nach Eintritt des Güterstands von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, durch Schenkung oder als Ausstattung erwirbt, wird nach Abzug der Verbindlichkeiten dem Anfangsvermögen hinzugerechnet, soweit es nicht den Umständen nach zu den Einkünften zu rechnen ist (§ 1374 Abs. 2 BGB). Solches Vermögen fällt nicht in den Zugewinn.

Nach § 1376 Abs. 1 BGB wird der Berechnung des Anfangsvermögens der Wert zugrunde gelegt, den das beim Eintritt des Güterstands vorhandene Vermögen in diesem Zeitpunkt, das dem Anfangsvermögen hinzuzurechnende Vermögen im Zeitpunkt des (dinglichen) Erwerbs hatte.

Durch die Geldentwertung eingetretenen, nur nominellen Wertsteigerungen des Anfangsvermögens und der Vermögensgegenstände, die diesem zuzurechnen sind, führen nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung nicht zu einem Anspruch auf Zugewinnausgleich.

Ein Pflichtteilsanspruch kann auch dem Endvermögen hinzuzurechnen sein. Voraussetzung ist, dass er zum Zeitpunkt der Beendigung des Güterstands besteht und noch nicht verjährt ist.

Im Streitfall war das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen und hatte bei der Ermittlung des gemäß § 1374 Abs. 2 BGB dem Anfangsvermögen hinzuzurechnenden Vermögens der Erblasserin zu Unrecht den Pflichtteilsanspruch, den die Erblasserin durch den Tod ihrer Mutter erworben hatte, außer Ansatz gelassen. Die Vorentscheidung war deshalb aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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