06.12.2011

Bescheinigung über Zeiten der Ausbildungssuche als Nachweis für das ernsthafte Bemühen um einen Ausbildungsplatz hat besonderen Beweiswert

Einer von der Agentur für Arbeit für den Rentenversicherungsträger erstellten Bescheinigung über Anrechnungszeiten der Ausbildungsuche i.S.d. § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 3a SGB VI kommt als öffentlicher Urkunde (§ 418 ZPO) hinsichtlich des darin vermerkten Tages der Anmeldung des Ausbildungsuchenden bei der Berufsberatung ein besonderer Beweiswert zu. Diese kann jedoch ggf. widerlegt werden (§ 418 Abs. 2 ZPO).

BFH 22.9.2011, III R 30/08
Der Sachverhalt:
Die Klägerin bezog laufend Kindergeld für ihre im September 1986 geborene Tochter S. Im Schuljahr 2004/2005 besuchte S die 11. Klasse einer Gesamtschule. Ausweislich einer Schulbescheinigung sollte der Schulbesuch bis Juli 2007 dauern. Ende 2006 erfuhr die beklagte Familienkasse, dass S im April 2005 vorzeitig von der Schule abgegangen war.

Auf Nachfrage der Familienkasse nach anspruchsbegründenden Ausbildungsnachweisen ab Mai 2005 übersandte die Klägerin ein Schreiben der Agentur für Arbeit vom 30.4.2006, mit dem diese sich wegen der "Meldung beitragsfreier Zeiten an die Rentenversicherung; Beendigungsmeldung für die Ausbildungsuche bei einer deutschen Agentur für Arbeit" an S gewandt hatte.

In diesem Schreiben war aufgeführt, für den Meldezeitraum 2005 sei die Zeit vom 27.4.2005 bis zum 30.9.2005 nach § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 3a SGB VI - Ausbildungsuche bei einer deutschen Agentur für Arbeit - zu melden. Nachdem die Klägerin keine weiteren Unterlagen vorlegte, hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes ab Mai 2005 auf und forderte das bis August 2006 überzahlte Kindergeld zurück.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage teilweise - hinsichtlich der Monate Mai bis September 2005 - statt. Auf die Revision der Familienkasse hob der BFH das Urteil teilweise auf und wies die Klage im Hinblick auf das für August und September 2005 gezahlte Kindergeld ab. Hinsichtlich der Vormonate Mai bis Juli 2005 blieb die Revision dagegen ohne Erfolg.

Die Gründe:
Das FG hat für die Monate August und September zu Unrecht einen Anspruch der Klägerin auf Kindergeld bejaht. Für die Vormonate Mai bis Juli 2005 besteht hingegen ein Anspruch auf Kindergeld.

Die Berücksichtigung eines Kindes, das eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann, erfordert gem. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG, dass sich dieses ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht. Das Bemühen um einen Ausbildungsplatz ist glaubhaft zu machen. Eine für den Rentenversicherungsträger bestimmte Bescheinigung von Zeiten der Ausbildungsuche gem. § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 3a SGB VI ist allenfalls Nachweis dafür, dass das Kind sich zu Beginn des bescheinigten Zeitraums bei der Agentur für Arbeit als Ausbildungsuchender gemeldet hat, nicht jedoch dafür, dass es sich alle drei Monate erneut als Ausbildungsuchender gemeldet hat.

Danach hat die Klägerin für die Monate August und September 2005 keinen Anspruch auf Kindergeld für S; hinsichtlich der Monate Mai bis Juli 2005 besteht dagegen ein Anspruch. Die Meldung der Agentur für Arbeit an den Rentenversicherungsträger entfaltet zwar allein noch keine Rechtswirkungen, sondern dient nur dazu, Tatsachenmaterial für die spätere Entscheidung über die Anerkennung einer Anrechnungszeit an den Rentenversicherungsträger weiterzuleiten, der dann eigenverantwortlich entscheidet. Als öffentliche Urkunde (§ 418 ZPO) kommt ihr jedoch hinsichtlich des bescheinigten Tages der Anmeldung des Ausbildungsuchenden bei der Berufsberatung ein besonderer Beweiswert zu, der allerdings auch widerlegt werden kann (§ 418 Abs. 2 ZPO).

Die Behauptung der Familienkasse, S sei nach Abbruch ihrer Schulausbildung nicht als ausbildungsplatzsuchend registriert gewesen, reichte jedoch nicht aus, um den von der Agentur für Arbeit bescheinigten Anmeldetag zu widerlegen, da der Registrierung keine (echte) Tatbestandswirkung zukommt, sondern allein die tatsächliche Meldung entscheidend ist. Zu Unrecht hat das FG der Bescheinigung jedoch eine bis zum 30.9.2005 fortdauernde Wirkung unterstellt. Die Meldung der S als Ausbildungsuchende von April 2005 konnte nach der Senatsrechtsprechung allenfalls bis einschließlich Juli 2005 Wirkung für einen Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG entfalten, da keine erneute Meldung der S bei der Berufsberatung festgestellt wurde.

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