21.10.2021

Bestätigungsverfahren bei steuerfreien Unterrichtsleistungen

1. Ist der selbständige Lehrer nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG an einer Einrichtung tätig, die die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG erfüllt, muss dieser Einrichtung die dort bezeichnete Bescheinigung erteilt worden sein.
2. Für einen selbständig tätigen Lehrer kommt die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG nicht in Betracht, wenn er nicht selbst eine Bildungseinrichtung im Sinne dieser Vorschrift betrieben, sondern als selbständiger Lehrer Unterrichtsleistungen für eine Bildungseinrichtung erbracht hat.
3. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO enthält eine Berechtigung sowie eine Verpflichtung der Finanzbehörde zur Änderung des Folgebescheids nur insoweit, als die Bindungswirkung des Grundlagenbescheids reicht.

Kurzbesprechung
BFH v. 27.7.2021 - V R 39/20

UStG § 4 Nr. 21 Buchst a DBuchst bb, § 4 Nr. 21 Buchst b DBuchst bb UStG, § 4 Nr. 21 Buchst a DBuchst bb, § 4 Nr. 21 Buchst b DBuchst bb
AO § 171 Abs 10, § 175 Abs 1 S 1 Nr. 1
EGRL 112/2006 Art 132 Abs 1 Buchst i


§ 4 Nr. 21 UStG liegt ein zweistufiges Befreiungsmodell zugrunde, bei dem zwischen der Leistung der Bildungseinrichtung und der des für die Bildungseinrichtung selbständig tätigen Lehrers zu unterscheiden ist.

§ 4 Nr. 21 Buchst. a UStG befreit die Leistung der Bildungseinrichtung. Steuerfrei sind danach die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, wenn sie als Ersatzschulen gemäß Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind (Doppelbuchst. aa) oder wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten (Doppelbuchst. bb).

Die in § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG bezeichnete Bescheinigung der Landesbehörde ist dem Unternehmer zu erteilen, der die dem Bildungszweck dienende Leistungen erbringt.

Die Steuerfreiheit des für die Bildungseinrichtung tätigen Lehrers ergibt sich aus § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG. Diese Steuerfreiheit erfasst die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Unterrichtsleistungen selbständiger Lehrer an Hochschulen i.S. der §§ 1 und 70 des Hochschulrahmengesetzes und öffentlichen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schulen (Doppelbuchst. aa) oder an privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, soweit diese die Voraussetzungen des Buchst. a erfüllen (Doppelbuchst. bb).

Ist der selbständige Lehrer nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG an einer Einrichtung tätig, die die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG erfüllt, muss dieser Einrichtung die dort bezeichnete Bescheinigung erteilt worden sein. Nach allgemeinen Grundsätzen hat der selbständige Lehrer diese Anwendungsvoraussetzung für die Steuerfreiheit als steuermindernden Umstand nachzuweisen. Der Befreiungstatbestand enthält hierzu keine weitergehenden Regelungen.

Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass der selbständige Lehrer den für die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG erforderlichen Nachweis, dass er an einer Bildungseinrichtung tätig ist, die die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG erfüllt, durch eine Bestätigung dieser Bildungseinrichtung erbringen kann (Abschn. 4.21.3 Abs. 3 Satz 3 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses; in den Streitjahren: Abschn. 112a Abs. 3 Satz 3 der Umsatzsteuer-Richtlinien). Die danach von der Bildungseinrichtung im Rahmen einer Verwaltungsregelung zu erteilende Bescheinigung ist von der durch die Landesbehörde nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. aa UStG zu erteilenden Bescheinigung zu trennen.

Im Streitfall war die vom Ministerium erteilte Bescheinigung kein Grundlagenbescheid, der nach § 171 Abs. 10 i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu einer Änderung der Steuerfestsetzungen berechtigt, über die bereits durch den BFH-Beschluss rechtskräftig entschieden worden ist. Die Annahme eines gegenüber dem Steuerpflichtigen unmittelbar erteilten Grundlagenbescheids i.S. von § 171 Abs. 10 AO scheidet aus, da in seiner Person eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG nicht in Betracht kommt. Denn im Streitfall war davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige nicht selbst eine Bildungseinrichtung im Sinne dieser Vorschrift betrieben hat, sondern als selbständiger Lehrer Unterrichtsleistungen für eine Bildungseinrichtung erbracht hat. Zwischen dem Steuerpflichtigen und den Lehrgangsteilnehmern lag keine Vertragsbeziehung vorund im Verhältnis zwischen dem Steuerpflichtigen und den Lehrgangsteilnehmern bestand kein Vergütungsanspruch.

§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO enthält eine Berechtigung sowie eine Verpflichtung der Finanzbehörde zur Änderung des Folgebescheids nur insoweit, als die Bindungswirkung des Grundlagenbescheids reicht. Der Umfang der vorzunehmenden Anpassung des Folgebescheids folgt mithin der Reichweite der Bindungswirkung des Grundlagenbescheids. Zwar hat die Finanzbehörde im Rahmen der Bindungswirkung den Folgebescheid vollständig und zutreffend an den Regelungsinhalt des Grundlagenbescheids anzupassen und dabei einen für das Folgeverfahren relevanten Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erneut selbständig zu würdigen. Eine sog. "Gesamtaufrollung" des Folgebescheids ist aber unzulässig.

Damit beschränkte sich die Prüfung im Streitfall auf die Vorschriften, die nach ihrem gesetzlichen Tatbestand auf das Vorliegen des Grundlagenbescheids abstellen. Dies traf nur auf § 4 Nr. 21 UStG, nicht aber auf eine aus dem Unionsrecht abzuleitende Steuerfreiheit zu. Insbesondere ist die in § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG genannte Bescheinigung nicht Grundlagenbescheid für eine Anerkennung i.S. von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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