Bewertung der Anteile an einer GmbH nach dem Stuttgarter Verfahren
FG München 20.11.2017, 7 K 555/16Der im Jahr 2008 verstorbene Erblasser war von seiner Ehefrau und seinen Kindern (Erbengemeinschaft: Kläger zu 1) beerbt worden. Er war an der Klägerin zu 2), einer GmbH, mit 99,61%, seine Ehefrau mit 0,39% beteiligt. Der Gesellschaftszweck der Klägerin zu 2) bestand satzungsgemäß im Erwerb sowie der Verwaltung und Veräußerung eigenen Vermögens, insbesondere von Immobilien und Beteiligungen an Unternehmen und Gesellschaften aller Art, sowie der Erbringung von Dienstleistungen für diese Beteiligungen und Unternehmen sowie für Dritte. Sie hielt Kommanditanteile von 75,1 % an einer Stiftung & Co. KG Holding KG (Holding), an einer GmbH & Co. KG sowie Minderheitsbeteiligungen an verschiedenen GmbHs. Die Kommanditbeteiligungen an der Holding und der GmbH & Co. KG machten den überwiegenden Teil von ungefähr 99 % ihres Betriebsvermögens aus.
Das Finanzamt nahm im Rahmen einer Außenprüfung sowohl eine Berechnung nach dem sog. Stuttgarter Verfahren unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten und eines Abschlags wegen geringer Erträge als auch eine Bewertung nach den Sonderregeln für Holdinggesellschaften i.S.v. R 103 Abs. 1 ErbStR ohne Berücksichtigung der Ertragsaussichten vor. Es war der Ansicht, dass es sich bei der Klägerin zu 2) um eine Holdinggesellschaft i.S.d. R 103 Abs. 1 ErbStR handle, da sie neben der Verwaltung eigener Beteiligungen keine eigene Produktions-, Handels- oder Dienstleistungstätigkeit ausübe.
Die Kläger wandten sich gegen die Bewertung der Anteile. Zu Unrecht habe das Finanzamt entgegen dem Wortlaut des Gesetzes nur das Vermögen berücksichtigt und keinen Abschlag wegen geringer Erträge vorgenommen. Der BFH habe das Stuttgarter Verfahren als geeignetes Schätzungsverfahren i.S.d. § 11 Abs. 2 S. 2 BewG anerkannt, von dem nur in Ausnahmefällen abgewichen werden dürfe. Zur Vermeidung der mehrfachen Berücksichtigung derselben Erträge (Kaskadeneffekt) sei deshalb in R 103 Abs. 1 ErbStR vorgesehen, dass die Ertragsaussichten bei Holdinggesellschaften unberücksichtigt bleiben, da in diesen Fällen der Gesichtspunkt der Effektensubstitution greife, um den Eintritt eines Kaskadeneffekts zu verhindern.
Das FG gab der Klage statt.
Die Gründe:
Zu Unrecht hat das Finanzamt die Anteile an der Klägerin zu 2) nach der für reine Holdinggesellschaften geltenden Regelung des R 103 Abs. 1 ErbStR bewertet.
Nach ständiger BFH-Rechtsprechung sind Anteile an reinen Holding-Gesellschaften, die neben der Verwaltung ihrer Beteiligungen oder der Koordinierung der Beteiligungsgesellschaften keinen selbstständigen operativen Bereich haben, nur mit ihrem ungekürzten Vermögenswert zu bewerten. Eine Korrektur aufgrund der Ertragsaussichten entfällt, da die Anteile an der Holding-Gesellschaft in wirtschaftlicher Hinsicht identisch mit den von der Holding-Gesellschaft gehaltenen Beteiligungen sind. Das Zwischenschalten der Holding-Gesellschaft bewirkt lediglich eine Effektensubstitution. Kosten der Verwaltung der Beteiligungen oder der Koordinierung der Beteiligungsgesellschaften dürfen demnach nicht zu einer Korrektur des Vermögenswertes führen, da es sich bei solchen Aufwendungen um Kosten für die Vermögensverwaltung auf der Ebene des Anteilseigners handelt. Solche Aufwendungen dürfen bei einer am Substanzwert orientierten Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften nicht in die Wertermittlung einfließen.
Zur Vermeidung der als Kaskadeneffekt bezeichneten Kumulierung sehen R 103 Abs. 1 S. 1 und 2 ErbStR Sonderregelungen für reine Holdinggesellschaften, R 103 Abs. 2 ErbStR für Gesellschaften, deren Aktien und Anteile mehr als 75 v.H. ihres Rohvermögens ausmachen, sowie R 103 Abs. 4 ErbStR für Gesellschaften mit unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungen von mehr als 50 % des jeweiligen Grund- und Stammkapitals der Untergesellschaften vor. Der Sinn und Zweck der Regelung in R 103 Abs. 1 S. 1 u. 2 ErbStR besteht darin, eine doppelte Erfassung der Erträge des Organs zu vermeiden, da sich die Erträge bereits bei der Bewertung der Anteile an der Organgesellschaft ausgewirkt haben.
Bei der Klägerin zu 2) handelt es sich nicht um eine Holdinggesellschaft i.S.d. R 103 Abs. 1 ErbStR. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist unter einer Holdinggesellschaft zwar eine Gesellschaft zu verstehen, die - wie die Klägerin zu 2) - nicht selbst produziert, die aber Aktien anderer Gesellschaften besitzt und diese dadurch beeinflusst oder beherrscht. Allerdings besteht das Betriebsvermögen der Klägerin zu 2) unter Einbeziehung der mittelbar über die Holding gehaltenen Beteiligungen an GmbHs und der eigenen Minderheitsbeteiligungen an GmbHs unstreitig nur ungefähr zu 32 % aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften und zu 68 % aus Personengesellschaften. Anders als das Finanzamt meint, fallen unter den Anwendungsbereich des R 103 Abs. 1 ErbStR - ohne dass es in den Richtlinien entsprechend definiert wird - nur Holdinggesellschaften, die ausschließlich Anteile an Kapitalgesellschaften halten.
Aufgrund der Rechtsprechung zur Neutralisierung des Kaskadeneffekts ergibt sich nach Ansicht des Senats, dass es sich bei den in R 103 Abs. 1 Satz 1ErbStR genannten Holdinggesellschaften nicht um Gesellschaften handeln kann, die zu mehr als 50 % Anteile an Personengesellschaften halten und verwalten. Soweit der BFH entschieden hat, dass eine weitere Absenkung des Beteiligungsbesitzes von 50 % an Kapitalgesellschaften für die Anwendung der Ausnahmeregelung in R 103 Abs. 4 ErbStR nicht in Betracht kommt, kann daraus nur der Schluss gezogen werden, dass die Regelung des R 103 Abs. 1 S. 1 ErbStR nicht dahingehend ausgelegt werden kann, dass davon auch Holdinggesellschaften erfasst werden, die wie die Klägerin überwiegend, d.h. zu mehr als 50 % Anteile an Personengesellschaften - im Streitfall rund 68 % - halten und verwalten.
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