23.02.2023

Bewertung eines Betriebes der Land- und Forstwirtschaft für Zwecke der Erbschaftsteuer

1. Der bewertungsrechtliche Begriff "Betrieb der Land- und Forstwirtschaft" ist tätigkeitsbezogen. Zivilrechtliches Eigentum an Grund und Boden oder am Besatz ist unerheblich.
2. Ist für die Bewertung des Wirtschaftsteils eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs der Liquidationswert maßgebend, kann ausnahmsweise der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts geführt werden, wenn der festgestellte Wert das verfassungsrechtliche Übermaßverbot verletzt. Dies setzt aber regelmäßig voraus, dass der vom FA festgestellte Wert den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert um 40 % oder mehr übersteigt.

Kurzbesprechung
BFH v. 16. 11. 2022 - II R 39/20

BewG § 158, § 160 Abs 7, § 162 Abs 3, § 162 Abs 4, § 165 Abs 3 Halbs 2, § 166, § 198
GG Art 3 Abs 1
AO § 163


Nach § 12 Abs. 3 ErbStG ist Grundbesitz i.S. des § 19 BewG, zu dem nach § 19 Abs. 1 BewG auch Betriebe der Land- und Forstwirtschaft gehören, mit dem nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG auf den Bewertungsstichtag festgestellten Wert anzusetzen. Gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 2 BewG sind für die wirtschaftlichen Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens die Grundbesitzwerte unter Anwendung der §§ 158 bis 175 BewG zu ermitteln. Wirtschaftliche Einheit des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens ist gemäß § 158 Abs. 2 Satz 1 BewG der Betrieb der Land- und Forstwirtschaft.

Zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehören nach § 158 Abs. 1 Satz 2 BewG alle Wirtschaftsgüter, die einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu diesem Zweck auf Dauer zu dienen bestimmt sind. Das bedeutet, dass eine Bewertung nach den für das land- und forstwirtschaftliche Vermögen geltenden Grundsätzen nur erfolgen kann, wenn die betreffenden Wirtschaftsgüter zu einem entsprechenden Betrieb gehören.

Nach § 158 Abs. 1 Satz 1 BewG ist Land- und Forstwirtschaft die planmäßige Nutzung der natürlichen Kräfte des Bodens zur Erzeugung von Pflanzen und Tieren sowie die Verwertung der dadurch selbst gewonnenen Erzeugnisse. Diese Vorschrift knüpft an eine bestimmte Nutzung des Bodens, aber nicht an das Eigentum am Boden an. Einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft hat demnach derjenige inne, der Land- und Forstwirtschaft betreibt. Der Betriebsbegriff ist tätigkeitsbezogen. Zivilrechtlichen Eigentums an Grund und Boden oder am Besatz bedarf es nicht.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 158 Abs. 1 Satz 2 BewG. Die land- und forstwirtschaftliche Zweckbestimmung für den Betrieb eines Dritten reicht nicht aus, land- und forstwirtschaftliches Vermögen beim Eigentümer zu begründen. Dies widerspräche dem tätigkeitsbezogenen Betriebsbegriff.

Im Streitfall trugen die Feststellungen des FG tragen nicht dessen (implizit vorausgesetzte) Schlussfolgerung, dass die Erblasserin einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft unterhalten hatte. Denn das FG hatte insoweit nur festgestellt, dass die vererbten Grundstücke teilweise als Ackerland genutzt und zum Bewertungsstichtag für weniger als 15 Jahre zur Nutzung überlassen worden seien. Hieraus ist jedoch nur zu folgern, dass jedenfalls keine Stückländereien vorlagen. Es lässt sich aber nicht ersehen, ob die Erblasserin im Übrigen einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft innehatte. Diese Prüfung muss das FG nun im zweiten Rechtsgang nachholen.

Sollte das FG zu dem Ergebnis kommen, dass auf den Steuerpflichtigen ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft übergegangen ist, hätte das FA die Höhe des Grundbesitzwerts prinzipiell zutreffend mit dem Liquidationswert gesondert festgestellt. Denn wird ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft innerhalb eines Zeitraums von 15 Jahren nach dem Bewertungsstichtag veräußert, erfolgt die Bewertung der wirtschaftlichen Einheit grundsätzlich mit dem Liquidationswert nach § 166 BewG (§ 162 Abs. 3 Satz 1 BewG). Gleiches gilt für die Bewertung einzelner wesentlicher Wirtschaftsgüter, sofern diese dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft innerhalb eines Zeitraums von 15 Jahren nicht mehr auf Dauer zu dienen bestimmt sind (§ 162 Abs. 4 Satz 1 BewG); zu den wesentlichen Wirtschaftsgütern in diesem Sinn gehört ausweislich § 162 Abs. 4 Satz 1 BewG u.a. der Grund und Boden nach § 158 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BewG. Ausnahmen hiervon gelten bei einer Reinvestition des jeweiligen Veräußerungserlöses in einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb binnen sechs Monaten (§ 162 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 Satz 2 BewG).

Bei der Ermittlung des Liquidationswerts nach § 166 Abs. 1 BewG ist der Grund und Boden i.S. des § 158 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BewG mit den zuletzt vor dem Bewertungsstichtag ermittelten Bodenrichtwerten zu bewerten (§ 166 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 BewG). Zur Berücksichtigung der Liquidationskosten ist der ermittelte Bodenwert um 10 % zu mindern (§ 166 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 BewG).

Der Steuerpflichtige hatte die Grundstücke fünf Monate nach dem Bewertungsstichtag veräußert, ohne den Veräußerungserlös wieder in einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu investieren. Das FA hätte daher zu Recht den Liquidationswert nach § 166 BewG zur Bewertung herangezogen und dessen Höhe entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen korrekt festgestellt. Dagegen scheidet der Ansatz eines niedrigeren gemeinen Werts im Streitfall aus.

Für den nach §§ 162 bis 164 BewG für einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft anzusetzenden Wert des Wirtschaftsteils sieht das Gesetz im Fortführungsfalle den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts vor. Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert des ‑ unveräußerten ‑ Wirtschaftsteils niedriger ist als der nach § 165 Abs. 1 und 2 BewG ermittelte Wert, ist dieser Wert anzusetzen; § 166 BewG ist zu beachten (§ 165 Abs. 3 BewG). Im Rahmen des § 166 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 BewG ist die Möglichkeit des Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts für den Grund und Boden aber nicht eröffnet.

Zwar hat der BFH bereits entschieden, dass zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das Übermaßverbot der Steuerpflichtige auch bei der Veräußerung von Flächen, die einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zuzurechnen waren, entsprechend § 165 Abs. 3 Halbsatz 1 und § 198 BewG den Nachweis eines vom Liquidationswert wesentlich abweichenden niedrigeren gemeinen Werts erbringen kann, etwa durch ein Sachverständigengutachten oder durch einen zeitnahen Verkauf. Das Übermaßverbot ist allerdings nur dann verletzt, wenn die Folgen einer schematisierenden Bewertung extrem über das normale Maß hinausgehen.

Extrem über das normale Maß hinaus geht beispielsweise das Dreifache des gemeinen Werts bzw. das rund 1,4-fache eines sich aus dem Bodenrichtwert errechneten Verkehrswerts. Eine Bewertungsdifferenz von 10 % ist hingegen als Folge der typisierenden Bewertungsmethode aufgrund der mit der Wertschätzung verbundenen Ungenauigkeit hinzunehmen.

Sollte das FG zu dem Ergebnis gelangen, dass der Steuerpflichtige keinen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft geerbt hat, wäre der streitgegenständliche Feststellungsbescheid aufzuheben. Das FA hätte dann erneut eine Bewertung der Grundstücke durchzuführen; diesmal nach den Vorschriften über die Bewertung von Grundvermögen (§§ 157 Abs. 3 Satz 1, 176 bis 198 BewG). Dem Steuerpflichtigen stünde in einem solchen Fall nach § 198 BewG der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts offen.
Verlag Dr. otto Schmidt
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