Bewertung eines GmbH-Anteils mit stark disquotal ausgestalteten Rechten
KurzbesprechungEStG § 10b Abs 3 S 3, § 10b Abs 4 S 1
BewG § 9 Abs 2, § 11 Abs 2, § 97 Abs 1,
GmbHG § 29 Abs 3 S 2, § 34, § 50 Abs 1, § 50 Abs 2, § 53, § 60 Abs 1 Nr. 2, § 60 Abs 1 Nr. 3, § 61, § 66, § 72 S 1
GG Art 3 Abs 1
AO § 162
Im Streitfall ging es um die Bewertung von unentgeltlich einer Stiftung zugewendeten Geschäftsanteilen an einer GmbH und deren steuerminderndem Abzug als Spende nach § 10b EStG.
Nach der auf den Streitfall anzuwendenden Fassung des § 10b EStG war die in der schenkweisen Übertragung des GmbH-Anteils auf die Stiftung liegende Sachzuwendung mit dem gemeinen Wert zu. Für die Schätzung des gemeinen Werts waren im Streitfall allein die Regelungen des § 9 BewG maßgeblich; weder darf das Stuttgarter Verfahren herangezogen werden noch sind erbschaftsteuerrechtlichen Spezialvorschriften anwendbar. Einschränkungen beim Gewinnbezugs- und Stimmrecht sind als wesentliche preisbeeinflussende Umstände (§ 9 Abs. 2 Satz 2 BewG) bei der Bewertung des der Stiftung zugewendeten Anteils zu berücksichtigen.
Die Anwendung des Stuttgarter Verfahrens war für ertragsteuerliche Zwecke im Streitjahr kraft Gesetzes ausgeschlossen (§ 11 Abs. 2 Satz 3 BewG in der am 13.12.2006 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften ‑‑SEStEG‑‑ vom 07.12.2006, BGBl I 2006, 2782). Nach dieser Regelung galt § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG a.F., wonach der gemeine Wert von Anteilen an Kapitalgesellschaften unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu schätzen sei, wenn er nicht aus weniger als ein Jahr zurückliegenden Verkäufen abgeleitet werden könne, nicht für ertragsteuerliche Zwecke. Ausweislich der Gesetzesmaterialien war einziger Zweck des § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG a.F., die Anwendung des Stuttgarter Verfahrens für ertragsteuerliche Zwecke auszuschließen.
Die vom Steuerpflichtigen darüber hinaus in den Vordergrund seines Vorbringens gestellte Aufteilungsregelung des § 97 Abs. 1b BewG war im Streitfall ebenfalls nicht anwendbar. Denn der sachliche Anwendungsbereich dieser Norm beschränkt sich nach ihrer systematischen Stellung auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer.
Daher ist auf die allgemeinen Bewertungsvorschriften des § 11 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 9 BewG zurückzugreifen, die gemäß § 1 Abs. 1 BewG auch für die Einkommensteuer anzuwenden sind.
Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 BewG sind Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht unter § 11 Abs. 1 BewG fallen ‑ also nicht börsennotiert sind ‑ mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 BewG wird der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Satz 2 BewG), nicht jedoch ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse (§ 9 Abs. 2 Satz 3 BewG), zu denen auch Verfügungsbeschränkungen gehören, die in der Person des Steuerpflichtigen oder eines Rechtsvorgängers begründet sind (§ 9 Abs. 3 BewG).
Die Einschränkungen beim Gewinnbezugs- und Stimmrecht, die mit dem der Stiftung zugewendeten Anteil verbunden sind, sind weder als ungewöhnliche noch als persönliche Verhältnisse anzusehen, die nach § 9 Abs. 2 Satz 3 BewG bei der Ermittlung des gemeinen Werts unberücksichtigt bleiben müssten. Es handelt sich vielmehr um wesentliche preisbeeinflussende Umstände i.S. des § 9 Abs. 2 Satz 2 BewG, die bei der Bewertung dieses Anteils zu berücksichtigen sind.
Im Streitfall handelte es sich weder bei disquotalen Gewinnbezugsrechten noch bei einer disquotalen Verteilung der Stimmrechte um ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse, so dass diese Umstände gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 BewG bei der Anteilsbewertung zu berücksichtigen sind. Im Gesellschaftsvertrag vereinbarte und nicht an die Person des konkreten Gesellschafters gekoppelte disquotale Gewinnbezugsrechte stellen keine ungewöhnlichen oder persönlichen Umstände dar. Dies gilt auch für disquotale Stimmrechtsverteilungen, die sich bereits aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben.
Da im Streitfall die Wertermittlung des FG fehlerhaft war, verweis der BFH den Streitfall zur erneuten Wertermittlung an die Vorinstanz zurück. Dabei erhält das FG zudem Gelegenheit, sich nochmals näher mit der Frage zu befassen, ob zu dem ‑ grundsätzlich nach Maßgabe der Beteiligung am Gewinn zu ermittelnden ‑ Wert des Anteils der Stiftung im Hinblick auf die erheblich höhere Beteiligung dieses Anteils an einem künftigen Liquidationserlös ein bestimmter Zuschlag vorzunehmen ist.
Auch ist zu beachten, dass die Ermittlung des gemeinen Werts eine Schätzung darstellt, in deren Rahmen die Angaben des Steuerpflichtigen bzw. des Zuwendungsempfängers weder bindend noch prärogativ sind noch von einer ‑ von den Finanzbehörden und Gerichten zu akzeptierenden ‑ Bandbreite "richtiger" Werte auszugehen ist. Denn ebenso wie bei der Ermittlung des Teilwerts handelt es sich auch bei der Findung des gemeinen Werts auf einen bestimmten Stichtag um eine Schätzung i.S. des § 162 AO. Bei Schätzungen sind alle Umstände zu berücksichtigen, die hierfür von Bedeutung sind (vgl. § 162 Abs. 1 Satz 2 AO, der für die Schätzung des gemeinen Werts durch die spezielleren Regelungen in § 9 Abs. 2, 3 BewG modifiziert wird).
Bei der erneuten Ermittlung des gemeinen Werts der vom Steuerpflichtigen der Stiftung übertragenen Anteile an der GmbH stehen dem FG im Wesentlichen die beiden folgenden Bewertungsmethoden zur Verfügung:
- Bei der Unternehmensbewertung wird bei ungleich ausgestatteten Anteilen von einem Vorrang der direkten Methode ausgegangen. Da diese Methode entscheidend auf die Kapitalisierung der künftigen Zahlungsströme zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter ‑ bzw. die Kapitalisierung der ausschüttungsfähigen Erträge ‑ abstellt, könnte sie im Streitfall das abweichende Gewinnbezugsrecht des auf die Stiftung übertragenen Anteils unproblematisch berücksichtigen. Die Ermittlung eines Gesamtwerts für die GmbH wäre dann nicht erforderlich.
- Sollte das FG im zweiten Rechtsgang der indirekten Methode den Vorzug geben wollen, muss es beachten, dass zunächst ein Gesamtwert der GmbH unter Anwendung des Ertragswertverfahrens zu ermitteln wäre. Der so ermittelte Gesamtwert wäre dann nach Maßgabe des Gewinnverteilungsschlüssels auf die einzelnen Anteile zu verteilen. Dabei muss berücksichtigt werden, das die Gewinnbezugs- und Stimmrechte disquotal ausgestattet sind.
Auch zu der Frage, ob der Steuerpflichtige auf die Zuwendungsbestätigung vertrauen durfte (§ 10b Abs. 4 Satz 1 EStG) konnte der BFH mangels konkreter Tatsachenfeststellungen des FG keine abschließende Entscheidung treffen. Im zweiten Rechtsgang muss das FG insbesondere vorrangig der Frage nachgehen, ob dem Steuerpflichtigen selbst die Unrichtigkeit der Zuwendungsbestätigung bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war.