30.01.2013

BVerfG-Vorlage: FG Hamburg hält Kernbrennstoffsteuer für verfassungswidrig

Das FG Hamburg hält die im Jahr 2011 als Verbrauchsteuer eingeführte Kernbrennstoffsteuer für verfassungswidrig. Es hat das Kernbrennstoffsteuergesetz (KernbrStG) daher dem BVerfG zur Überprüfung vorgelegt.

FG Hamburg 29.1.2013, 4 K 270/11
Hintergrund:
Zum 1.1.2011 trat das KernbrStG in Kraft, mit dem der Bund eine neue Steuer auf die Verwendung von Kernbrennstoffen eingeführt hat. Danach wird der Verbrauch von Uran und Plutonium besteuert, der zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom verwendet wird. Die Steuer wird durch die Hauptzollämter von den Kernkraftwerksbetreibern erhoben und entsteht immer dann, wenn ein Brennelement in einen Kernreaktor eingesetzt und eine sich selbsttragende Kettenreaktion ausgelöst wird.

Das KernbrStG war von Beginn an rechtlich umstritten. Allein beim FG Hamburg sind eine Reihe von Klagen für verschiedene Kernkraftwerke anhängig, deren Gesamtstreitwert sich auf rund 1,5 Mrd. € beläuft. In weiteren Eilverfahren hat bisher auch das FG München ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Kernbrennstoffsteuer geäußert; das FG Baden-Württemberg hat das Gesetz hingegen für verfassungsgemäß gehalten.

Der Sachverhalt:
Als die Klägerin im Juli 2011 in dem vor ihr betriebenen Kraftwerk die Kernbrennstäbe wechselte, berechnete sie pflichtgemäß die Steuer und gab beim für sie zuständigen Hauptzollamt eine Steueranmeldung über rd. 96 Mio. € Kernbrennstoffsteuer ab. Gleichzeitig legte sie aber sogleich Rechtmittel ein.

Das FG gewährte der Klägerin aufgrund erheblicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des KernbrStG bereits mit Beschluss vom 16.9.2011 (Az. 4 V 133/11) vorläufigen Rechtsschutz, der allerdings vom BFH aus formellen Gründen wieder aufgehoben wurde. Das FG setzte das Hauptsacheverfahren nun aus und legte das KernbrStG dem BVerfG zur Überprüfung vor.

Die Gründe:
Das FG ist davon überzeugt, dass das KernbrStG formell verfassungswidrig ist, weil die Kernbrennstoffsteuer keine Verbrauchsteuer i.S.d. finanzverfassungsrechtlichen Kompetenzregeln ist und dem Bund auch sonst keine (alleinige) Gesetzgebungskompetenz zur Verfügung steht.

Der Bund hat die sich aus Art. 105, 106 GG ergebende Gesetzgebungskompetenz für Verbrauchsteuern nicht in Anspruch nehmen können, weil die Kernbrennstoffsteuer weder eine herkömmliche Verbrauchsteuer ist noch die Typusmerkmale einer Verbrauchsteuer erfüllt. Prägendes Wesensmerkmal der Verbrauchsteuern ist insbes. ihr Ziel, den privaten Verbraucher zu belasten. Auch wenn Verbrauchsteuern typischerweise nicht unmittelbar beim Konsumenten erhoben werden, sondern indirekt beim Handel oder bei der Industrie, müssen sie doch darauf angelegt sein, auf den Konsumenten abgewälzt zu werden.

Dies ist jedoch bei der Kernbrennstoffsteuer nicht der Fall. Schon in der Begründung des KernbrStG wurde festgehalten, dass eine Überwälzung der Steuer allenfalls in geringem Umfang möglich sein wird. Eine Betrachtung des Strommarktes bestätigt erwartungsgemäß, dass die Kernbrennstoffsteuer auf die Strompreisbildung ohne Einfluss geblieben ist. Es ist daher festzustellen, dass die Kernbrennstoffsteuer, wie auch entsprechende Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren belegen, das Ziel verfolgt, die Gewinne der Kernkraftwerksbetreiber abzuschöpfen. Die Besteuerung von Gewinnen erfolgt nach dem Steuersystem des GG allerdings nicht durch Verbrauchsteuern, sondern typischerweise durch eine der Ertragsteuern, die jedoch nicht in der alleinigen Gesetzgebungskompetenz des Bundes liegen.

Zur Verfassungsmäßigkeit der Kernbrennsteuer i.Ü. - die Klägerin hat insbes. noch den Verstoß gegen den Gleichheitssatz und die Verletzung der Eigentumsgarantie gerügt - hat sich das FG nicht geäußert; sie wird vom BVerfG im Rahmen des Normenkontrollverfahrens von Amts wegen zu prüfen sein. Eine Überprüfung, ob das KernbrStG gegen höherrangiges Europarecht verstößt - etwa gegen Beihilfevorschriften oder den Euratom-Vertrag - wurde zunächst zurückgestellt.

FG Hamburg PM vom 29.1.2013
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