Corona-Überbrückungshilfe: Zum einstweiligen Rechtsschutz gegen die Pfändung eines Bankkontos
FG Münster v. 22.10.2020 - 6 V 2806/20 AO
Der Sachverhalt:
Der verheiratete Antragsteller ist Diplom-Kaufmann und als Einzelunternehmer in der Wirtschaftsberatung tätig. Er unterhält u.a. bei der X-Bank ein Girokonto, das als Pfändungsschutzkonto geführt wird und am 14.10.2020 kein Guthaben aufwies, ein Sparkonto, das am 14.10.2020 ein Guthaben von 6,63 € aufwies, sowie Geschäftsanteile i.H.v. 750 €. Ein weiteres Konto unterhält er bei der M-Bank, das ausweislich der vom Antragsteller vorgelegten Kontoauszüge am 1.9.2020 ein Guthaben von 176,82 € aufwies. In der Zeit vom 2.9. bis zum 14.9.2020 gingen auf dem Konto Zahlungen i.H.v. 90 € und 150 € ein und wurden vom Konto Beträge i.H.v. insgesamt 409,37 € abgebucht.
Wegen rückständiger Steuerbeträge von 19.250,71 € hatte das Finanzamt unter dem 15.9.2020 betreffend das Konto bei der M-Bank eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung, die der Antragsteller angefochten hat. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung wurde der M-Bank am 18.9.2020 zugestellt. Am 17.9.2020 waren dem Konto des Antragstellers bei der M-Bank 3.784,10 € gutgeschrieben. Hierbei handelt es sich um eine sog. Corona-Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen ("Überbrückungshilfe-NRW 2020"). Der Antragsteller erhielt diese Überbrückungshilfe in Höhe von insgesamt 3.784,10 € für die Monate Juni bis August 2020, davon ein Betrag in Höhe von 1.784,10 € als Bundesmittel und ein Betrag in Höhe von 2.000,00 € als Landesmittel. Eine Abtretung oder Verpfändung der Billigkeitsleistung ist laut Bescheid nicht zulässig.
Über den außergerichtlichen Antrag des Antragstellers vom 23.9.2020, die Kontenpfändung betreffend das Konto bei der M-Bank einstweilen einzustellen, um die Auszahlung der Corona-Überbrückungshilfe zu ermöglichen, hat der Antragsgegner nicht entschieden. Unter Berufung auf den Beschluss des FG Münster vom 13.5.2020 (Az.: 1 V 1286/20 AO) macht der Antragsteller im vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung geltend, dass die Corona-Überbrückungshilfe als zweckgebundener Zuschuss nicht gepfändet werden könne. Die Rechtsprechung zur Corona-Soforthilfe sei auf die Corona-Überbrückungshilfe übertragbar.
Das FG gab dem Antrag statt. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung die Beschwerde zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Ein Anordnungsanspruch ergibt sich aus § 258 AO. Die Corona-Überbrückungshilfe ist an den Antragsteller auszuzahlen, weil sie wegen ihrer Zweckbindung unpfändbar ist. Der Senat schließt sich insoweit den Ausführungen des BFH an, die bisher zur Corona-Soforthilfe im einstweiligen Rechtsschutz ergangen sind, wie etwa im Beschluss vom 9.7.2020 VII S 23/20. Darin bejaht der BFH einen Anordnungsanspruch aus § 258 AO, weil es sich bei der Corona-Soforthilfe um eine nach § 851 Abs. 1 ZPO nicht pfändbare Forderung handele und demzufolge der entsprechende Betrag auf dem Konto des Berechtigten nicht pfändbar sei. Die Unpfändbarkeit der Corona-Soforthilfe leitet der BFH aus deren Zweckbindung ab. Auch soweit der Unternehmer für seinen fiktiven Unternehmerlohn 2.000 € ansetzen dürfe, rechtfertige dies nicht die Annahme, dass es sich bei der Corona-Soforthilfe um einen pfändbaren Lohnersatz handele, so dass die Pfändung und Einziehung der Corona-Soforthilfe zugunsten des Finanzamtes als Altgläubiger keinen rechtlichen Bedenken begegneten.
Die zur Corona-Soforthilfe in einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangene Rechtsprechung ist nach Auffassung des erkennenden Senats auf die Corona-Überbrückungshilfe NRW übertragbar, so dass jedenfalls bei summarischer Prüfung auch der Anspruch auf die Corona-Überbrückungshilfe NRW als i.S. des § 851 Abs. 1 ZPO aufgrund der Zweckbindung nicht übertragbar und damit unpfändbar anzusehen ist, und dieser Rechtsgedanke auch auf die bereits ausgezahlten Mittel zu übertragen ist.
Zudem liegt auch ein Anordnungsgrund vor. Der Antragsteller hat durch Vorlage einer Aufstellung über seine bisher nicht beglichenen Betriebsausgaben in den Monaten Juni bis August 2020 (u.a. Miete, Fahrzeugkosten und Telefonkosten), von Mahnungen und weiterer Schreiben von Gläubigern individuell-konkret dargelegt, dass er mit der Corona-Überbrückungshilfe solche Aufwendungen bezahlen will, die mit seiner beruflichen Tätigkeit in der Zeit ab Juni 2020 im Zusammenhang stehen, und dass seine wirtschaftliche Existenz bei Nichtauszahlung des beantragten Betrages unmittelbar bedroht ist. Der Antragsteller hat die bisher nicht beglichenen betrieblichen Betriebsausgaben auf insgesamt 4.960,65 € beziffert.
Darüber hinaus hat der Antragsteller weiter substantiiert vorgetragen, dass seine Aufträge weggebrochen seien und er die laufenden Kosten wie Büromiete, Fahrzeugmiete, Fahrzeugversicherung und Telefonkosten nicht mehr bedienen könne, und auch geltend gemacht, dass die wirtschaftliche Existenz seines Geschäftsbetriebs gefährdet sei. Aus den vorgelegten Unterlagen ist ersichtlich, dass die ausstehende Miete für mehrere Monate bereits angemahnt und gestundet worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller langfristig auf die Einnahmen aus seiner beruflichen Tätigkeit verzichten und mit anderen Einnahmen oder privaten Hilfestellungen rechnen kann, sind nicht ersichtlich.
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Der verheiratete Antragsteller ist Diplom-Kaufmann und als Einzelunternehmer in der Wirtschaftsberatung tätig. Er unterhält u.a. bei der X-Bank ein Girokonto, das als Pfändungsschutzkonto geführt wird und am 14.10.2020 kein Guthaben aufwies, ein Sparkonto, das am 14.10.2020 ein Guthaben von 6,63 € aufwies, sowie Geschäftsanteile i.H.v. 750 €. Ein weiteres Konto unterhält er bei der M-Bank, das ausweislich der vom Antragsteller vorgelegten Kontoauszüge am 1.9.2020 ein Guthaben von 176,82 € aufwies. In der Zeit vom 2.9. bis zum 14.9.2020 gingen auf dem Konto Zahlungen i.H.v. 90 € und 150 € ein und wurden vom Konto Beträge i.H.v. insgesamt 409,37 € abgebucht.
Wegen rückständiger Steuerbeträge von 19.250,71 € hatte das Finanzamt unter dem 15.9.2020 betreffend das Konto bei der M-Bank eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung, die der Antragsteller angefochten hat. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung wurde der M-Bank am 18.9.2020 zugestellt. Am 17.9.2020 waren dem Konto des Antragstellers bei der M-Bank 3.784,10 € gutgeschrieben. Hierbei handelt es sich um eine sog. Corona-Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen ("Überbrückungshilfe-NRW 2020"). Der Antragsteller erhielt diese Überbrückungshilfe in Höhe von insgesamt 3.784,10 € für die Monate Juni bis August 2020, davon ein Betrag in Höhe von 1.784,10 € als Bundesmittel und ein Betrag in Höhe von 2.000,00 € als Landesmittel. Eine Abtretung oder Verpfändung der Billigkeitsleistung ist laut Bescheid nicht zulässig.
Über den außergerichtlichen Antrag des Antragstellers vom 23.9.2020, die Kontenpfändung betreffend das Konto bei der M-Bank einstweilen einzustellen, um die Auszahlung der Corona-Überbrückungshilfe zu ermöglichen, hat der Antragsgegner nicht entschieden. Unter Berufung auf den Beschluss des FG Münster vom 13.5.2020 (Az.: 1 V 1286/20 AO) macht der Antragsteller im vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung geltend, dass die Corona-Überbrückungshilfe als zweckgebundener Zuschuss nicht gepfändet werden könne. Die Rechtsprechung zur Corona-Soforthilfe sei auf die Corona-Überbrückungshilfe übertragbar.
Das FG gab dem Antrag statt. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung die Beschwerde zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Ein Anordnungsanspruch ergibt sich aus § 258 AO. Die Corona-Überbrückungshilfe ist an den Antragsteller auszuzahlen, weil sie wegen ihrer Zweckbindung unpfändbar ist. Der Senat schließt sich insoweit den Ausführungen des BFH an, die bisher zur Corona-Soforthilfe im einstweiligen Rechtsschutz ergangen sind, wie etwa im Beschluss vom 9.7.2020 VII S 23/20. Darin bejaht der BFH einen Anordnungsanspruch aus § 258 AO, weil es sich bei der Corona-Soforthilfe um eine nach § 851 Abs. 1 ZPO nicht pfändbare Forderung handele und demzufolge der entsprechende Betrag auf dem Konto des Berechtigten nicht pfändbar sei. Die Unpfändbarkeit der Corona-Soforthilfe leitet der BFH aus deren Zweckbindung ab. Auch soweit der Unternehmer für seinen fiktiven Unternehmerlohn 2.000 € ansetzen dürfe, rechtfertige dies nicht die Annahme, dass es sich bei der Corona-Soforthilfe um einen pfändbaren Lohnersatz handele, so dass die Pfändung und Einziehung der Corona-Soforthilfe zugunsten des Finanzamtes als Altgläubiger keinen rechtlichen Bedenken begegneten.
Die zur Corona-Soforthilfe in einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangene Rechtsprechung ist nach Auffassung des erkennenden Senats auf die Corona-Überbrückungshilfe NRW übertragbar, so dass jedenfalls bei summarischer Prüfung auch der Anspruch auf die Corona-Überbrückungshilfe NRW als i.S. des § 851 Abs. 1 ZPO aufgrund der Zweckbindung nicht übertragbar und damit unpfändbar anzusehen ist, und dieser Rechtsgedanke auch auf die bereits ausgezahlten Mittel zu übertragen ist.
Zudem liegt auch ein Anordnungsgrund vor. Der Antragsteller hat durch Vorlage einer Aufstellung über seine bisher nicht beglichenen Betriebsausgaben in den Monaten Juni bis August 2020 (u.a. Miete, Fahrzeugkosten und Telefonkosten), von Mahnungen und weiterer Schreiben von Gläubigern individuell-konkret dargelegt, dass er mit der Corona-Überbrückungshilfe solche Aufwendungen bezahlen will, die mit seiner beruflichen Tätigkeit in der Zeit ab Juni 2020 im Zusammenhang stehen, und dass seine wirtschaftliche Existenz bei Nichtauszahlung des beantragten Betrages unmittelbar bedroht ist. Der Antragsteller hat die bisher nicht beglichenen betrieblichen Betriebsausgaben auf insgesamt 4.960,65 € beziffert.
Darüber hinaus hat der Antragsteller weiter substantiiert vorgetragen, dass seine Aufträge weggebrochen seien und er die laufenden Kosten wie Büromiete, Fahrzeugmiete, Fahrzeugversicherung und Telefonkosten nicht mehr bedienen könne, und auch geltend gemacht, dass die wirtschaftliche Existenz seines Geschäftsbetriebs gefährdet sei. Aus den vorgelegten Unterlagen ist ersichtlich, dass die ausstehende Miete für mehrere Monate bereits angemahnt und gestundet worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller langfristig auf die Einnahmen aus seiner beruflichen Tätigkeit verzichten und mit anderen Einnahmen oder privaten Hilfestellungen rechnen kann, sind nicht ersichtlich.