04.06.2024

Cum/Ex-Verfahren: Korrektur von angerechneter Kapitalertragsteuer

Die Kapitalertragsteuer bei sog. "Cum/Ex-Geschäften" ist nur dann anrechnungsfähig, wenn sie tatsächlich einbehalten wurde. Dabei kommt demjenigen, der die Anrechnung für sich in Anspruch nehmen möchte, eine entsprechende Mitwirkungs- und Nachweispflicht zu. Kann die tatsächliche Einbehaltung nicht oder nicht mehr nachgewiesen werden, ist das Finanzamt grundsätzlich berechtigt, eine bereits ergangene Anrechnungsverfügung zu ändern und zu viel erstattete Steuerbeträge zurückzufordern.

Hessisches FG v. 26.7.2023 - 4 V 1042/22
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin ist eine GmbH. Gegenstand ihres Unternehmens ist der Handel mit Finanzinstrumenten. Sie ist als Eigenhändlerin an verschiedenen Börsen tätig. Die Antragstellerin hatte im Streitjahr 2011 an den Börsen XETRA und EUREX auf eigene Rechnung Geschäfte um den Dividendenstichtag herum getätigt. Im Rahmen der Körperschaftsteuererklärung für 2011 machte sie dann aus diesen getätigten Börsengeschäften unter Vorlage von Steuerbescheinigungen die Anrechnung von Kapitalertragsteuer geltend.

Das Finanzamt ließ den Abzug zunächst wie erklärt zu, stellte im Rahmen einer Außenprüfung später aber fest, dass ein Großteil der Transaktionen sog. Leerverkäufe waren, bei denen der Einbehalt der Kapitalertragsteuer zweifelhaft ist. Infolgedessen änderte das Finanzamt die Anrechnungsverfügung zu Lasten der Antragstellerin ab.

Die Antragstellerin war der Ansicht, dass sie all ihren Verpflichtungen nachgekommen sei, während das Finanzamt seine vorangegangenen Pflichtverletzungen in gesetzeswidriger Weise durch die Rückgängigmachung der der Antragstellerin zustehenden Anrechnung zu heilen versuche. Es sei Aufgabe der Steuerbehörde gewesen, pflichtgemäß zu kontrollieren, ob die Kapitalertragsteuer abgeführt worden sei. Dieser Verpflichtung sei sie pflichtwidrig nicht nachgekommen.

Das FG hat den im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gestellten Antrag, soweit es um die Frage der Korrektur der Kapitalertragsteueranrechnung ging, abgelehnt. Allerdings wurde die Beschwerde beim BFH zugelassen, über die noch nicht entschieden ist (Az.: VIII B 121/23).

Die Gründe:
Der Abrechnungsbescheid aus Januar 2018 begegnete mit Blick auf die hier streitigen Börsengeschäfte keinen ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit.

Es lag hier eine typische "Cum/Ex-Konstellation" vor, bei der es den Beteiligten ausschließlich darum ging, tatsächlich nicht einbehaltene Kapitalertragsteuer auf die persönliche Steuer anrechnen zu können oder eine Erstattung zu erhalten. Nach der Rechtslage für das Jahr 2011 setzt dies jedoch voraus, dass ein den Verkaufsauftrag ausführendes inländisches Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut die Kapitalertragsteuer auf die hier betroffenen Dividendenkompensationszahlungen tatsächlich einbehalten und abgeführt hat. Die Nachweispflicht dafür traf hier die Antragstellerin, wobei der bloßen Kapitalertragsteuerbescheinigung in diesen Konstellationen kein Beweiswert für die Frage der tatsächlichen Einbehaltung und Abführung der Kapitalertragsteuer zukam. Dies galt insbesondere vor dem Hintergrund, dass aufgrund der Anonymität der Börsengeschäfte keinerlei Überprüfungsmöglichkeiten bestanden, wer wann welche Aktien besessen hat und ob überhaupt Kapitalertragsteuer einbehalten wurden.

Die Antragstellerin war insoweit auch nicht schutzwürdig, da sie sich in Kenntnis ihrer Nachweispflichten in die Anonymität des Börsengeschäfts begeben hatte, zumal es ihr angesichts der von ihr getätigten marktrisikolosen Geschäfte ausschließlich darum ging, einen steuerlichen Vorteil aus der Anrechnung der Kapitalertragsteuer zu bekommen. Nur unter Einbeziehung dieser Anrechnung ist das Geschäftsmodell wirtschaftlich sinnvoll. Die Änderung der Anrechnungsverfügung war binnen einer Jahresfrist zulässig. Die Beschwerde wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

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