Darlegung fehlender Gewinnerzielungsabsicht beim Steuerabzug für das Honorar ausländischer Künstler - Unionsrechts- und Verfassungsmäßigkeit des Steuerabzugs
Kurzbesprechung
BFH v. 25.10.2023 - I R 35/21
EStG § 50a Abs 4 S 1 Nr. 1, § 50a Abs 4 S 2, § 50a Abs 4 S 1 Nr. 1, § 50a Abs 4 S 2, § 50a Abs 4 S 1 Nr. 1, § 50a Abs 4 S 2, § 50a Abs 5 S 5, § 50a Abs 5 S 5
EGV Art 59
EG Art 49
AEUV Art 56
GG Art 3
AO § 228, § 231
Die Einkünfte von Künstlern, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (ausländische Künstler), für Auftritte im Inland unterliegen unter anderem gemäß § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG (Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die im Inland ausgeübt oder verwertet wurde) oder § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG (Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die durch künstlerische, sportliche, artistische oder ähnliche Darbietungen oder durch deren Verwertung im Inland erzielt werden) der beschränkten Steuerpflicht und nach Maßgabe von § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 EStG dem Steuerabzug in Höhe von 25 %.
Die Steuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Vergütungen dem Gläubiger zufließen; in diesem Zeitpunkt hat der Vergütungsschuldner den Steuerabzug für Rechnung des beschränkt steuerpflichtigen Gläubigers (Steuerschuldner) vorzunehmen (§ 50a Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG). Er hat die innerhalb eines Kalendervierteljahrs einbehaltene Steuer jeweils bis zum 10. des dem Kalendervierteljahr folgenden Monats an das für ihn zuständige Finanzamt abzuführen (§ 50a Abs. 5 Satz 3 EStG) und haftet gemäß § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG für die Einbehaltung und Abführung der Steuer.
Ist die Steuer nicht ordnungsmäßig einbehalten oder abgeführt, so hat nach § 73g Abs. 1 EStDV das FA die Steuer von dem Vergütungsschuldner durch Haftungsbescheid (§ 191 AO) oder von dem Steuerschuldner durch Steuerbescheid anzufordern.
Die Vorschriften über die Einbehaltung, Abführung und Anmeldung der Steuer sind gemäß § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG ungeachtet dessen anzuwenden, dass die Einkünfte, die dem Steuerabzug unterliegen, gegebenenfalls aufgrund eines DBA nicht oder nur nach einem niedrigeren Steuersatz besteuert werden. Erst auf der Ebene eines Freistellungs- oder des Erstattungsverfahrens wäre gegebenenfalls die abkommensrechtliche Besteuerungsbefugnis Deutschlands zu prüfen.
Im Streitfall hatte die Steuerpflichtige Vereinbarungen mit ausländischen Künstlerensembles für Auftritte im Inland geschlossen und sich darin zur Zahlung von Vergütungen an diese verpflichtet. Die hiermit verbundenen Einkünfte der ausländischen Künstler unterliegen entweder gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG oder gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG der beschränkten Steuerpflicht und dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG.
Die Steuerpflichtige als Schuldnerin der Vergütungen war verpflichtet, den Steuerabzug für Rechnung der Künstler vorzunehmen und haftet ‑ weil sie dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist ‑ gemäß § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG für die Einbehaltung und Abführung der Steuer; sie kann gemäß § 73g Abs. 1 EStDV durch Haftungsbescheid (so auch im Streitfall) in Anspruch genommen werden.
Im Streitfall hat der BFH die Rechtmäßigkeit der Haftungsinanspruchnahme bestätigt. Denn auch Vergütungsschuldner sind zum Steuerabzug verpflichtet, die ‑ wie die Steuerpflichtige - im Inland weder ihren Sitz unterhalten noch eine Betriebsstätte haben. Dem Gesetz lässt sich keine Einschränkung entnehmen, dass nur Vergütungsschuldner, die im Inland über eine Betriebsstätte oder eine vergleichbare Einrichtung verfügen, zum Steuerabzug verpflichtet sind. Ausreichend ist vielmehr, dass Entgelte an Künstler für einen Auftritt im Inland entrichtet werden, die gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 3 oder Nr. 2 Buchst. d EStG beschränkt steuerpflichtig sind.
Im Streitfall war das FG zu Recht davon ausgegangen, dass die ausländischen Künstlerensembles, an die die Steuerpflichtige die Vergütungen gezahlt hatte, Gewinnerzielungsabsicht gehabt hatten und damit einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtig gewesen waren. Denn die Inanspruchnahme staatlicher Subventionen durch ein Künstlerensemble spricht nicht grundsätzlich gegen dessen Gewinnerzielungsabsicht. Insbesondere ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund auf staatlichen Subventionen beruhende Einnahmen eines aus Berufsmusikern oder -schauspielern bestehenden Ensembles bei der Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht außer Acht bleiben müssten. Es handelt sich bei staatlichen Subventionen um Einnahmen, die durch die betreffende Einkunftsquelle veranlasst und folglich grundsätzlich den betreffenden Einkünften zuzuordnen sind.
Der beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 3 bzw. Nr. 2 Buchst. d EStG unterlag das an die ausländischen Künstler für die im Inland ausgeübten Tätigkeiten zu entrichtende Honorar in vollem Umfang.
Das Steuerabzugsverfahren, dem beschränkt steuerpflichtige Künstler unterworfen sind, sowie ein sich gegebenenfalls anschließendes Haftungsverfahren gegenüber dem Vergütungsschuldner sind nach Auffassung des BFH auch mit der unionsrechtlich verbürgten Dienstleistungsfreiheit vereinbar. Auch ist der BFH nicht davon überzeugt, dass der gemäß § 50a Abs. 4 Satz 2 EStG im Streitzeitraum anzuwendende Steuersatz der Abzugsteuer von 25 % der Einnahmen, mit dem die Einkommensteuer des beschränkt steuerpflichtigen Vergütungsgläubigers nach Maßgabe von § 50 Abs. 5 Satz 1 EStG im Grundsatz abgegolten war, wegen Verstößen gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 GG) oder die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) verfassungswidrig gewesen ist.
Verlag Dr. Otto Schmidt
EStG § 50a Abs 4 S 1 Nr. 1, § 50a Abs 4 S 2, § 50a Abs 4 S 1 Nr. 1, § 50a Abs 4 S 2, § 50a Abs 4 S 1 Nr. 1, § 50a Abs 4 S 2, § 50a Abs 5 S 5, § 50a Abs 5 S 5
EGV Art 59
EG Art 49
AEUV Art 56
GG Art 3
AO § 228, § 231
Die Einkünfte von Künstlern, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (ausländische Künstler), für Auftritte im Inland unterliegen unter anderem gemäß § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG (Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die im Inland ausgeübt oder verwertet wurde) oder § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG (Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die durch künstlerische, sportliche, artistische oder ähnliche Darbietungen oder durch deren Verwertung im Inland erzielt werden) der beschränkten Steuerpflicht und nach Maßgabe von § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 EStG dem Steuerabzug in Höhe von 25 %.
Die Steuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Vergütungen dem Gläubiger zufließen; in diesem Zeitpunkt hat der Vergütungsschuldner den Steuerabzug für Rechnung des beschränkt steuerpflichtigen Gläubigers (Steuerschuldner) vorzunehmen (§ 50a Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG). Er hat die innerhalb eines Kalendervierteljahrs einbehaltene Steuer jeweils bis zum 10. des dem Kalendervierteljahr folgenden Monats an das für ihn zuständige Finanzamt abzuführen (§ 50a Abs. 5 Satz 3 EStG) und haftet gemäß § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG für die Einbehaltung und Abführung der Steuer.
Ist die Steuer nicht ordnungsmäßig einbehalten oder abgeführt, so hat nach § 73g Abs. 1 EStDV das FA die Steuer von dem Vergütungsschuldner durch Haftungsbescheid (§ 191 AO) oder von dem Steuerschuldner durch Steuerbescheid anzufordern.
Die Vorschriften über die Einbehaltung, Abführung und Anmeldung der Steuer sind gemäß § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG ungeachtet dessen anzuwenden, dass die Einkünfte, die dem Steuerabzug unterliegen, gegebenenfalls aufgrund eines DBA nicht oder nur nach einem niedrigeren Steuersatz besteuert werden. Erst auf der Ebene eines Freistellungs- oder des Erstattungsverfahrens wäre gegebenenfalls die abkommensrechtliche Besteuerungsbefugnis Deutschlands zu prüfen.
Im Streitfall hatte die Steuerpflichtige Vereinbarungen mit ausländischen Künstlerensembles für Auftritte im Inland geschlossen und sich darin zur Zahlung von Vergütungen an diese verpflichtet. Die hiermit verbundenen Einkünfte der ausländischen Künstler unterliegen entweder gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG oder gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG der beschränkten Steuerpflicht und dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG.
Die Steuerpflichtige als Schuldnerin der Vergütungen war verpflichtet, den Steuerabzug für Rechnung der Künstler vorzunehmen und haftet ‑ weil sie dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist ‑ gemäß § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG für die Einbehaltung und Abführung der Steuer; sie kann gemäß § 73g Abs. 1 EStDV durch Haftungsbescheid (so auch im Streitfall) in Anspruch genommen werden.
Im Streitfall hat der BFH die Rechtmäßigkeit der Haftungsinanspruchnahme bestätigt. Denn auch Vergütungsschuldner sind zum Steuerabzug verpflichtet, die ‑ wie die Steuerpflichtige - im Inland weder ihren Sitz unterhalten noch eine Betriebsstätte haben. Dem Gesetz lässt sich keine Einschränkung entnehmen, dass nur Vergütungsschuldner, die im Inland über eine Betriebsstätte oder eine vergleichbare Einrichtung verfügen, zum Steuerabzug verpflichtet sind. Ausreichend ist vielmehr, dass Entgelte an Künstler für einen Auftritt im Inland entrichtet werden, die gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 3 oder Nr. 2 Buchst. d EStG beschränkt steuerpflichtig sind.
Im Streitfall war das FG zu Recht davon ausgegangen, dass die ausländischen Künstlerensembles, an die die Steuerpflichtige die Vergütungen gezahlt hatte, Gewinnerzielungsabsicht gehabt hatten und damit einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtig gewesen waren. Denn die Inanspruchnahme staatlicher Subventionen durch ein Künstlerensemble spricht nicht grundsätzlich gegen dessen Gewinnerzielungsabsicht. Insbesondere ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund auf staatlichen Subventionen beruhende Einnahmen eines aus Berufsmusikern oder -schauspielern bestehenden Ensembles bei der Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht außer Acht bleiben müssten. Es handelt sich bei staatlichen Subventionen um Einnahmen, die durch die betreffende Einkunftsquelle veranlasst und folglich grundsätzlich den betreffenden Einkünften zuzuordnen sind.
Der beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 3 bzw. Nr. 2 Buchst. d EStG unterlag das an die ausländischen Künstler für die im Inland ausgeübten Tätigkeiten zu entrichtende Honorar in vollem Umfang.
Das Steuerabzugsverfahren, dem beschränkt steuerpflichtige Künstler unterworfen sind, sowie ein sich gegebenenfalls anschließendes Haftungsverfahren gegenüber dem Vergütungsschuldner sind nach Auffassung des BFH auch mit der unionsrechtlich verbürgten Dienstleistungsfreiheit vereinbar. Auch ist der BFH nicht davon überzeugt, dass der gemäß § 50a Abs. 4 Satz 2 EStG im Streitzeitraum anzuwendende Steuersatz der Abzugsteuer von 25 % der Einnahmen, mit dem die Einkommensteuer des beschränkt steuerpflichtigen Vergütungsgläubigers nach Maßgabe von § 50 Abs. 5 Satz 1 EStG im Grundsatz abgegolten war, wegen Verstößen gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 GG) oder die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) verfassungswidrig gewesen ist.