Dauernde Lasten: Zur Anerkennung von Zahlungen aufgrund eines Übertragungsvertrages gegen Versorgungsleistungen bei Schwankungen in der Höhe
FG Münster v. 14.5.2020 - 5 K 2761/18 E
Der Sachverhalt:
Streitig ist, ob in den Streitjahren Zahlungen an die Mutter des Klägers als dauernde Last im Wege des Sonderausgabenabzugs zu berücksichtigen sind. Die Kläger sind Ehegatten und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt u.a. gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb eines Campingplatzes, den er von seinen Eltern übernommen hat. Die Übertragung des Betriebes einschließlich des Grundstücks, auf dem sich der Campingplatz befindet, erfolgte auf Grundlage eines notariellen Vertrages von 1994. Danach verpflichtete sich der Kläger gegenüber seinen Eltern zur lebenslänglichen Zahlung eines jährlichen Betrages von 30.000 DM für deren Versorgung. Im Fall des Versterbens eines Elternteils sollte der überlebende Elternteil einen ungeminderten Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Versorgungsbetrages von 30.000 DM haben.
Der Kläger leistete in den Folgejahren nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1998 folgende Zahlungen an seine Mutter: 1998: 15.000 DM; 2000: 10.000 DM; 2001: 15.000 DM; 2002: 7.699 €; 2003: 7.699 €; 2004: 5.000 €; 2005-2013: 2.500 €; 2014: 13.000 €; 2015-2016: 12.000 €. Ob und in welcher Höhe in den Jahren 1995 bis 1997 und 1999 der Kläger Zahlungen an seine Eltern bzw. an seine Mutter leistete, ist zwischen den Beteiligten streitig. Die Zahlungen für 1998 und für 2001 bis 2016 wurden von den Klägern im Rahmen ihrer jeweiligen Einkommensteuererklärung als dauernde Last und als abzugsfähige Sonderausgaben geltend gemacht. Das Finanzamt veranlagte bis einschließlich 2014 die Kläger insoweit antragsgemäß zur Einkommensteuer. Im Rahmen der Veranlagung der Kläger zur Einkommensteuer 2015 und 2017 wich das Finanzamt von dem erklärten Wert einer dauernden Last i.H.v. 12.000 € ab und berücksichtigte nur einen Betrag i.H.v. 2.500 € als unbeschränkt abziehbare Sonderausgaben. Die an die Mutter des Klägers geleisteten Zahlungen seien nicht als dauernde Last im Wege des Sonderausgabenabzugs zu berücksichtigen. Denn die Zahlungen seien von Anfang an willkürlich geleistet worden.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab.
Die Gründe:
Bei den in den Streitjahren an die Mutter des Klägers gezahlten Beträgen handelt es sich nicht um eine als dauernde Last im Wege des Sonderausgabenabzugs berücksichtigungsfähige Versorgungsleistung.
Nach § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 1 EStG gehören zu den Sonderausgaben auch "auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende, lebenslange und wiederkehrende Versorgungsleistungen". Die Abzugsmöglichkeit gilt nur in den ausdrücklich benannten Fallgruppen wie etwa für Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit der Übertragung eines Betriebs oder Teilbetriebs (§ 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 Buchst. b EStG). Ein Vermögensübergabe- und Versorgungsvertrag kann danach der Besteuerung zugrunde gelegt werden, wenn die (Mindest-)Voraussetzungen, die die Qualifikation des Vertrags als Versorgungsvertrag erst ermöglichen (Umfang des übertragenen Vermögens, Art und Höhe der Versorgungsleistung sowie Art und Weise der Zahlung), klar und eindeutig vereinbart sind. Die Vereinbarungen müssen zu Beginn des Rechtsverhältnisses und bei Änderung der Verhältnisse für die Zukunft getroffen werden.
Nach der Rechtsprechung des BFH müssen die Parteien den im Versorgungsvertrag eingegangenen Verpflichtungen auch tatsächlich nachkommen; die Leistungen müssen wie vereinbart erbracht werden. Allerdings liegt es in der Rechtsnatur des Versorgungsvertrags, dass die Vertragspartner z.B. auf geänderte Bedarfslagen angemessen reagieren. Lassen sich Abweichungen von den vertraglichen Vereinbarungen feststellen, so ist zu prüfen, ob es den Parteien am erforderlichen Rechtsbindungswillen fehlt und ob sie ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen wollen. Versorgungsverträge, denen beide Parteien rechtliche Bindungswirkung beimessen, sind von solchen "Verträgen" abzugrenzen, die die Parteien selbst nicht ernst nehmen und von denen sie nur Gebrauch machen, wenn es ihnen opportun erscheint. Letzteres ist vor allem dann anzunehmen, wenn der Vollzug der Vereinbarung durch willkürliche Aussetzung und Wiederaufnahme der Zahlungen oder durch Schwankungen in der Höhe des Zahlbetrags, die nicht durch Änderungen der Verhältnisse gerechtfertigt sind, gekennzeichnet ist.
Vorliegend ist davon auszugehen, dass es den Parteien des Übertragungsvertrages am erforderlichen Rechtsbindungswillen gefehlt hat. Die von den Klägern tatsächlich geleisteten Zahlungen weisen Schwankungen auf, die nicht durch Änderungen der Verhältnisse gerechtfertigt sind. Der vertraglich vereinbarte jährliche Versorgungsbetrag i.H.v. 30.000 DM (rd. 15.300 €) wurde bis zuletzt in keinem Jahr tatsächlich gezahlt. Für die Jahre 1995, 1997 und 1999 konnte nicht festgestellt werden, dass der Kläger Zahlungen an seine Eltern bzw. an seine Mutter geleistet hat. In den Jahren 1998, 2000 sowie 2001 bis 2003 wurden der Mutter des Klägers ein Betrag von 15.000 DM, 10.000 DM und 7.699 € gezahlt, obwohl laut Übergangsvertrag vereinbart war, dass die Versorgungsleistung im Fall des Versterbens eines Elternteils in unveränderter Höhe von 30.000 DM zu zahlen sei. 2004 wurde ein Betrag von 5.000 € an die Mutter gezahlt, in den Jahren 2005 bis 2012 waren es jeweils 2.500 €. Im Jahr 2013 zahlte der Kläger dann 13.000 €, in den Jahren 2014 bis 2017 jeweils 12.000 €.
Es konnte kein Sachverhalt festgestellt werden, durch den die jeweiligen Schwankungen gerechtfertigt wären. Dies gilt etwa für die fehlenden Zahlungen in den Jahren 1995, 1997 und 1999. Der Kläger erzielte in diesen Jahren aus dem Betrieb des Campingplatzes Einkünfte in vergleichbarer Höhe wie in den Jahren, in denen Zahlungen von 15.000 DM bzw. 7.699 € (2001-2003), 5.000 € (2004) oder auch 2.500 € (ab 2005) geleistet wurden. Soweit nach dem Tod des Vaters des Klägers ein geminderter Versorgungsbedarf der Mutter bestanden haben soll, beträfe dieser Umstand allein den Zeitraum ab 1998. Aber selbst dann haben die Zahlungen zunächst 15.000 DM bzw. 7.699 € betragen. Warum aber 1999 keine Versorgungsleistungen gezahlt wurden, ist nicht ersichtlich. Die Erhöhung des gezahlten Betrages von 2.500 € auf 13.000 € (2013) bzw. 12.000 € (ab 2014) ließe sich zwar durch den erhöhten Pflegebedarf der Mutter rechtfertigen. Allerdings hätte bereits die Zahlung des ursprünglich vereinbarten Betrages von umgerechnet 15.300 € ausgereicht, um den Versorgungsbedarf der Mutter abzudecken.
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Streitig ist, ob in den Streitjahren Zahlungen an die Mutter des Klägers als dauernde Last im Wege des Sonderausgabenabzugs zu berücksichtigen sind. Die Kläger sind Ehegatten und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt u.a. gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb eines Campingplatzes, den er von seinen Eltern übernommen hat. Die Übertragung des Betriebes einschließlich des Grundstücks, auf dem sich der Campingplatz befindet, erfolgte auf Grundlage eines notariellen Vertrages von 1994. Danach verpflichtete sich der Kläger gegenüber seinen Eltern zur lebenslänglichen Zahlung eines jährlichen Betrages von 30.000 DM für deren Versorgung. Im Fall des Versterbens eines Elternteils sollte der überlebende Elternteil einen ungeminderten Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Versorgungsbetrages von 30.000 DM haben.
Der Kläger leistete in den Folgejahren nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1998 folgende Zahlungen an seine Mutter: 1998: 15.000 DM; 2000: 10.000 DM; 2001: 15.000 DM; 2002: 7.699 €; 2003: 7.699 €; 2004: 5.000 €; 2005-2013: 2.500 €; 2014: 13.000 €; 2015-2016: 12.000 €. Ob und in welcher Höhe in den Jahren 1995 bis 1997 und 1999 der Kläger Zahlungen an seine Eltern bzw. an seine Mutter leistete, ist zwischen den Beteiligten streitig. Die Zahlungen für 1998 und für 2001 bis 2016 wurden von den Klägern im Rahmen ihrer jeweiligen Einkommensteuererklärung als dauernde Last und als abzugsfähige Sonderausgaben geltend gemacht. Das Finanzamt veranlagte bis einschließlich 2014 die Kläger insoweit antragsgemäß zur Einkommensteuer. Im Rahmen der Veranlagung der Kläger zur Einkommensteuer 2015 und 2017 wich das Finanzamt von dem erklärten Wert einer dauernden Last i.H.v. 12.000 € ab und berücksichtigte nur einen Betrag i.H.v. 2.500 € als unbeschränkt abziehbare Sonderausgaben. Die an die Mutter des Klägers geleisteten Zahlungen seien nicht als dauernde Last im Wege des Sonderausgabenabzugs zu berücksichtigen. Denn die Zahlungen seien von Anfang an willkürlich geleistet worden.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab.
Die Gründe:
Bei den in den Streitjahren an die Mutter des Klägers gezahlten Beträgen handelt es sich nicht um eine als dauernde Last im Wege des Sonderausgabenabzugs berücksichtigungsfähige Versorgungsleistung.
Nach § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 1 EStG gehören zu den Sonderausgaben auch "auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende, lebenslange und wiederkehrende Versorgungsleistungen". Die Abzugsmöglichkeit gilt nur in den ausdrücklich benannten Fallgruppen wie etwa für Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit der Übertragung eines Betriebs oder Teilbetriebs (§ 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 Buchst. b EStG). Ein Vermögensübergabe- und Versorgungsvertrag kann danach der Besteuerung zugrunde gelegt werden, wenn die (Mindest-)Voraussetzungen, die die Qualifikation des Vertrags als Versorgungsvertrag erst ermöglichen (Umfang des übertragenen Vermögens, Art und Höhe der Versorgungsleistung sowie Art und Weise der Zahlung), klar und eindeutig vereinbart sind. Die Vereinbarungen müssen zu Beginn des Rechtsverhältnisses und bei Änderung der Verhältnisse für die Zukunft getroffen werden.
Nach der Rechtsprechung des BFH müssen die Parteien den im Versorgungsvertrag eingegangenen Verpflichtungen auch tatsächlich nachkommen; die Leistungen müssen wie vereinbart erbracht werden. Allerdings liegt es in der Rechtsnatur des Versorgungsvertrags, dass die Vertragspartner z.B. auf geänderte Bedarfslagen angemessen reagieren. Lassen sich Abweichungen von den vertraglichen Vereinbarungen feststellen, so ist zu prüfen, ob es den Parteien am erforderlichen Rechtsbindungswillen fehlt und ob sie ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen wollen. Versorgungsverträge, denen beide Parteien rechtliche Bindungswirkung beimessen, sind von solchen "Verträgen" abzugrenzen, die die Parteien selbst nicht ernst nehmen und von denen sie nur Gebrauch machen, wenn es ihnen opportun erscheint. Letzteres ist vor allem dann anzunehmen, wenn der Vollzug der Vereinbarung durch willkürliche Aussetzung und Wiederaufnahme der Zahlungen oder durch Schwankungen in der Höhe des Zahlbetrags, die nicht durch Änderungen der Verhältnisse gerechtfertigt sind, gekennzeichnet ist.
Vorliegend ist davon auszugehen, dass es den Parteien des Übertragungsvertrages am erforderlichen Rechtsbindungswillen gefehlt hat. Die von den Klägern tatsächlich geleisteten Zahlungen weisen Schwankungen auf, die nicht durch Änderungen der Verhältnisse gerechtfertigt sind. Der vertraglich vereinbarte jährliche Versorgungsbetrag i.H.v. 30.000 DM (rd. 15.300 €) wurde bis zuletzt in keinem Jahr tatsächlich gezahlt. Für die Jahre 1995, 1997 und 1999 konnte nicht festgestellt werden, dass der Kläger Zahlungen an seine Eltern bzw. an seine Mutter geleistet hat. In den Jahren 1998, 2000 sowie 2001 bis 2003 wurden der Mutter des Klägers ein Betrag von 15.000 DM, 10.000 DM und 7.699 € gezahlt, obwohl laut Übergangsvertrag vereinbart war, dass die Versorgungsleistung im Fall des Versterbens eines Elternteils in unveränderter Höhe von 30.000 DM zu zahlen sei. 2004 wurde ein Betrag von 5.000 € an die Mutter gezahlt, in den Jahren 2005 bis 2012 waren es jeweils 2.500 €. Im Jahr 2013 zahlte der Kläger dann 13.000 €, in den Jahren 2014 bis 2017 jeweils 12.000 €.
Es konnte kein Sachverhalt festgestellt werden, durch den die jeweiligen Schwankungen gerechtfertigt wären. Dies gilt etwa für die fehlenden Zahlungen in den Jahren 1995, 1997 und 1999. Der Kläger erzielte in diesen Jahren aus dem Betrieb des Campingplatzes Einkünfte in vergleichbarer Höhe wie in den Jahren, in denen Zahlungen von 15.000 DM bzw. 7.699 € (2001-2003), 5.000 € (2004) oder auch 2.500 € (ab 2005) geleistet wurden. Soweit nach dem Tod des Vaters des Klägers ein geminderter Versorgungsbedarf der Mutter bestanden haben soll, beträfe dieser Umstand allein den Zeitraum ab 1998. Aber selbst dann haben die Zahlungen zunächst 15.000 DM bzw. 7.699 € betragen. Warum aber 1999 keine Versorgungsleistungen gezahlt wurden, ist nicht ersichtlich. Die Erhöhung des gezahlten Betrages von 2.500 € auf 13.000 € (2013) bzw. 12.000 € (ab 2014) ließe sich zwar durch den erhöhten Pflegebedarf der Mutter rechtfertigen. Allerdings hätte bereits die Zahlung des ursprünglich vereinbarten Betrages von umgerechnet 15.300 € ausgereicht, um den Versorgungsbedarf der Mutter abzudecken.