30.04.2020

Der Wegfall der Unternehmensidentität kann zu abgekürztem Erhebungszeitraum führen

Fällt die Unternehmensidentität und damit die sachliche Gewerbesteuerpflicht während des Kalenderjahrs weg, ist der Gewerbesteuermessbetrag für einen abgekürzten Erhebungszeitraum festzusetzen. Ob der bisherige Gewerbebetrieb eingestellt und (ggf.) ein neuer Gewerbebetrieb in Gang gesetzt wird, bestimmt sich danach, ob der "bisherige" und der "neue" Betrieb bei wirtschaftlicher Betrachtung und nach der Verkehrsauffassung identisch sind. Dies richtet sich nach den gleichen Kriterien, die für die Bestimmung der Unternehmensidentität im Rahmen des § 10a GewStG entwickelt wurden. Dabei steht die Überführung wesentlicher Betriebsgrundlagen, insbesondere von Wirtschaftsgütern mit erheblichen stillen Reserven, der Einstellung des "bisherigen" Betriebs nicht entgegen.

Kurzbesprechung
BFH v. 19.12.2019 ‑ IV R 8/17

GewStG § 2 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5, § 10a, § 14

Gemäß § 14 Satz 1 GewStG wird der Steuermessbetrag für den Erhebungszeitraum festgesetzt. Erhebungszeitraum ist das Kalenderjahr (Satz 2). Besteht die Gewerbesteuerpflicht nicht während eines ganzen Kalenderjahrs, so tritt an dessen Stelle der Zeitraum der Steuerpflicht (abgekürzter Erhebungszeitraum, Satz 3).

Die Gewerbesteuerpflicht in § 14 Satz 3 GewStG knüpft an den Steuergegenstand gemäß § 2 GewStG an. Danach unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG), der Gewerbesteuer. Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen i.S. des EStG (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG). Mit dem Begriff "gewerbliches Unternehmen" werden nicht nur die sachlichen Grundlagen des Betriebs und die mit ihnen ausgeübte Tätigkeit angesprochen, sondern auch deren Beziehung zu dem oder den Unternehmern des Betriebs.

Die Steuerpflicht gemäß § 14 Satz 3 GewStG knüpft daher ausschließlich an die sachliche Steuerpflicht und nicht an die persönliche Steuerpflicht (= Steuerschuldnerschaft) an. Der Steuermessbetrag ist danach für das Kalenderjahr als Erhebungszeitraum festzusetzen, wenn die sachliche Steuerpflicht während des Kalenderjahrs fortbesteht; er ist für einen abgekürzten Erhebungszeitraum festzusetzen, wenn die sachliche Steuerpflicht nur für die­sen Zeitraum bestanden hat.

Im Streitfall hatte das FG zu Recht entschieden, dass der partielle Mitunternehmerwechsel auf die persönliche Steuerpflicht der Steuerpflichtigen, einer GmbH Co KG, keinen Einfluss habe. Denn ein Fall des § 2 Abs. 5 GewStG ist nur anzunehmen, wenn alle Mitunternehmer der das Unternehmen fortführenden Personengesellschaft ausscheiden.

Dagegen trugen die bisherigen Feststellungen des FG nicht seine Entscheidung, dass auch die Verpachtung der Gebäude und Betriebsvorrichtungen des Kraftwerks aufgrund des Vertrags vom 14.12.2012 die sachliche Steuerpflicht der Steuerpflichtigen nicht beendet habe. Das FG hatte insoweit allein darauf abgestellt, dass es sich bei der Steuerpflichtigen um eine gewerblich geprägte Personengesellschaft handele, so dass die Verpachtung weiterhin als Gewerbebetrieb anzusehen sei. Jedoch kann auch eine gewerblich geprägte Personengesellschaft nacheinander mehrere Gewerbebetriebe haben.

Dass die Steuerpflichtige das Kraftwerk mit Vertrag vom 14.12.2012 verpachtet hatte, kann daher dazu geführt haben, dass sie ihren bisherigen Betrieb eingestellt und mit Beginn der Verpachtungstätigkeit ggf. einen neuen Betrieb begonnen hat.

Ob im Einzelfall der bisherige Gewerbebetrieb eingestellt und (ggf.) ein neuer Gewerbebetrieb in Gang gesetzt wird, bestimmt sich danach, ob der "bisherige" und der "neue" Betrieb bei wirtschaftlicher Betrachtung und nach der Verkehrsauffassung identisch sind. Dies richtet sich nach den gleichen Kriterien, die für die Bestimmung der Unternehmensidentität im Rahmen des § 10a GewStG entwickelt wurden.

Unter Gewerbebetrieb ist in diesem Zusammenhang die tatsächlich ausgeübte gewerbliche Betätigung zu verstehen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 und Abs. 3 EStG). Ob diese die gleiche geblieben ist, muss nach dem Gesamtbild der Tätigkeit unter Berücksichtigung ihrer wesentlichen Merkmale wie insbesondere der Art der Betätigung, des Kunden- und Lieferantenkreises, der Arbeitnehmerschaft, der Geschäftsleitung, der Betriebsstätten sowie der Zusammensetzung des Aktivvermögens beurteilt werden. Bei einer Personengesellschaft ist insoweit auf die von der Personengesellschaft ausgeübte werbende Tätigkeit abzustellen, auch wenn die Mitunternehmer Träger des Verlustabzugs sind. Denn der Steuergegenstand, die gewerbliche Tätigkeit i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG i.V.m. § 15 EStG, wird durch die Tätigkeit der Personengesellschaft bestimmt.

Soweit es in früheren Entscheidungen des BFH im Zusammenhang mit der Frage, ob der "bisherige" Betrieb fortgeführt oder eingestellt wird, heißt, eine Betriebsaufgabe sei regelmäßig zu verneinen, wenn wesentliche Betriebsgrundlagen, insbesondere Wirtschaftsgüter mit erheblichen stillen Reserven, in den neuen Betrieb überführt werden, hält der BFH daran jedenfalls für die Frage, ob es in gewerbesteuerrechtlicher Hinsicht zu einem Wegfall der Unternehmensidentität und damit zu einem Wegfall der sachlichen Steuerpflicht kommt, nicht mehr fest.

Der Umstand, dass eine für den "bisherigen" Betrieb wesentliche Betriebsgrundlage - insbesondere dann, wenn sie "wesentlich" nur wegen der in ihr enthaltenen stillen Reserven ist - in dem "neuen" Betrieb weiter genutzt wird, kann zwar einer der Umstände sein, die bei der erforderlichen Würdigung der Gesamtumstände zu berücksichtigen sind. Allein aus dem Umstand, dass ein Wirtschaftsgut weiter genutzt wird, in dem erhebliche stille Reserven ruhen, kann aber noch nicht auf eine Weiterführung des "bisherigen" Betriebs geschlossen werden.

Sind nach der erforderlichen Würdigung der Gesamtumstände der bisherige und der neue Betrieb nicht identisch, endet die sachliche Steuerpflicht für den bisherigen Betrieb mit der Einstellung der werbenden Tätigkeit und es beginnt (ggf.) eine (neue) sachliche Steuerpflicht mit Aufnahme der (neuen) werbenden Tätigkeit. Entsprechend endet der Erhebungszeitraum für den bisherigen Betrieb und es beginnt (ggf.) ein (neuer) Erhebungszeitraum für einen neuen Betrieb. Fällt die Einstellung der bisherigen werbenden Tätigkeit nicht mit dem Ablauf des Kalenderjahrs zusammen, kommt es für den bisherigen Betrieb zu einem abgekürzten Erhebungszeitraum i.S. des § 14 Satz 3 GewStG. Entsprechend kommt es zu einem abgekürzten Erhebungszeitraum für den neuen Betrieb, wenn die insoweit maßgebliche werbende Tätigkeit nicht zu Beginn eines Kalenderjahrs aufgenommen wird.

War auf den 31.12. des Vorjahrs ein vortragsfähiger Fehlbetrag nach § 10a GewStG festgestellt, kann dieser, vorausgesetzt, die Unternehmeridentität ist nicht (ggf. teilweise) weggefallen, im Folgejahr nur noch mit einem positiven Gewerbeertrag des bisherigen Betriebs verrechnet werden. Soweit er dazu nicht genutzt werden kann, fällt er weg. Er kann selbst bei bestehender Unternehmeridentität wegen Wegfalls der Unternehmensidentität nicht mehr zur Verrechnung mit einem positiven Gewerbeertrag des neuen Betriebs genutzt werden. Erwirtschaftet der neue Betrieb seinerseits allerdings einen Verlust, ist dieser auf den 31.12. des Entstehungsjahrs als vortragsfähiger Gewerbeverlust festzustellen.

Im Streitfall verwies der BFH die Streitsache an die Vorinstanz zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung zurück, da das bislang keine ausreichenden Feststellungen zur bisherigen Tätigkeit der Steuerpflichtigen sowie dazu getroffen hatte, ob es sich bei dieser gewerbesteuerrechtlich um eine andere Tätigkeit handelt als die Verpachtungstätigkeit. Sollte dies der Fall sein, müsste das FG auch noch klären, zu welchem Zeitpunkt die bisherige Tätigkeit beendet wurde. Dabei ist eine rückwirkende Begründung eines Pachtverhältnisses steuerlich nicht anzuerkennen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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