06.12.2012

Die Begrenzung der Verlustverrechnung bei der Gewerbesteuer ist verfassungsgemäß

Die Verfassungsmäßigkeit der für die Gewerbesteuer seit 2004 geltenden Begrenzung der Verrechnung von Verlusten (sog. Mindestbesteuerung) ist nicht zu beanstanden. Allerdings kann von der Verfassungsmäßigkeit nur deshalb ausgegangen werden, weil in besonderen Härtefällen Billigkeitsmaßnahmen möglich sind.

BFH 20.9.2012, IV R 36/10 u.a.
Der Sachverhalt:

+++ IV R 36/10 +++
Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, die im Oktober 1994 als einzige wesentliche Betriebsgrundlage ein Flugzeug erworben hatte, das sie für den Zeitraum von Dezember 1994 bis Dezember 2004 an eine Gesellschaft vermietete. Bei Auslaufen des Leasings wurde das Flugzeug - wie von Anfang an geplant - verkauft und die Gesellschaft stellte ihre Tätigkeit ein. Infolgedessen kam es im Jahr des Verkaufs zu einem Gewinn, der wegen der Regelung über die Mindestbesteuerung nicht durch an sich in ausreichender Höhe vorhandene Verluste aus Vorjahren ausgeglichen werden konnte. Die Verluste konnten auch später nicht mehr zum Ausgleich von Gewinnen genutzt werden, weil die Gesellschaft ihre Tätigkeit mit dem Verkauf des Flugzeugs beendet hatte.

Das Finanzamt berücksichtigte den zum 31.12.2003 festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverlust gem. § 10a S. 1 u. 2 GewStG in der ab Januar 2004 geltenden Fassung des GewStGuaÄndG nur beschränkt. Das FG wies die Klage ab.

+++ IV R 29/10 +++
Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, die ein bestimmtes Grundstück in Berlin entwickeln sollte. Nachdem sich Ende 2003 das Scheitern des Plans abgezeichnet hatte, schloss die Klägerin im Februar 2004 einen Aufhebungsvertrag, durch den der Grundstückskauf mit sofortiger Wirkung rückabgewickelt wurde. Danach verfügte sie nicht mehr über Aktivvermögen. Zur Vermeidung eines Insolvenzverfahrens konnte die überschuldete Personengesellschaft ihre Gläubiger zum Verzicht auf ihre Forderungen bewegen. Dieser Verzicht führte zu einem Gewinn, der wegen der Mindestbesteuerung nicht voll mit Verlusten ausgeglichen werden konnte. Wegen Einstellung der Geschäftstätigkeit konnte es zu einem späteren Ausgleich der gestreckten Verlustvorträge nicht mehr kommen. Das Unternehmen fand sich schließlich mit der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzungen ab, beantragte allerdings später eine Billigkeitsmaßnahme.

Das Finanzamt lehnte die Billigkeitsmaßnahme ab. Auf die hiergegen gerichtete Klage verpflichtete das FG das Finanzamt, den Antrag der Klägerin auf Billigkeitsfestsetzung nach § 163 S. 1 AO bzw. Billigkeitserlass nach § 227 AO bezüglich des Gewerbesteuermessbetrags 2004 und der Gewerbesteuer 2004 neu zu bescheiden.

Die Revision der Klägerin im ersten Fall blieb vor dem BFH erfolglos. Auf die Revision des Finanzamtes im zweiten Fall hob der BFH das FG-Urteil auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Der für das Jahr 2004 ergangene Gewerbesteuermessbescheid im Fall IV R 36/10 war rechtmäßig. Im Fall hatte die Klägerin keinen Anspruch auf einen Billigkeitserlass, weil das Unternehmen durch den von ihm angeregten Darlehensverzicht selbst die Ursache für den ansonsten nicht entstandenen Gewinn gesetzt hat.

Die Verfassungsmäßigkeit der für die Gewerbesteuer seit 2004 geltenden Begrenzung der Verrechnung von Verlusten (sog. Mindestbesteuerung) ist nicht zu beanstanden. In Jahren mit Gewinnen über 1 Mio. € darf der darüber hinausgehende Gewinn nur bis zu 60 % um verbleibende Verlustvorträge gekürzt werden. Dadurch kommt es zur Streckung der Verlustverrechnung über einen längeren Zeitraum. Sollte in Folgejahren bis zur Einstellung des Betriebs kein ausreichender Gewinn zur Verrechnung der gestreckten Verlustvorträge erzielt werden, bleibt es bei der endgültigen Besteuerung im Jahr der Verrechnungsbegrenzung.

Dies ist auch deswegen mit dem GG vereinbar, weil bei der Gewerbesteuer ohnehin systembedingt kein umfassender Verlustausgleich möglich sei. Allerdings kann von der Verfassungsmäßigkeit nur deshalb ausgegangen werden, weil in besonderen Härtefällen Billigkeitsmaßnahmen möglich sind. Eine Billigkeitsmaßnahme kommt dann nicht in Betracht, wenn die Besteuerung und der endgültige Wegfall der gestreckten Verlustvorträge vom Unternehmer selbst veranlasst wurden.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext von IV R 36/10 zu gelangen, klicken Sie bitte hier.
  • Um direkt zum Volltext von IV R 29/10 zu gelangen, klicken Sie bitte hier.
BFH PM Nr. 83 vom 5.12.2012
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