Dingliche Wirkung eines Grundsteuermessbescheids
BFH v. 12.2.2020 - II R 10/17
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks, das mit einem ehemaligen Fabrikgebäude bebaut ist. Das Gebäude stammt ca. aus dem Jahr 1800 und hat einen Anbau aus Ende der 1990er Jahre. Für das Grundstück wurde ein Einheitswert erstmalig mit Einheitswertbescheid vom 27.4.2001 - Nachfeststellung auf den 1.1.1999 - gegenüber einer Rechtsvorgängerin der Klägerin auf 79.400 DM (entspricht abgerundet 40.596 €) festgestellt. Am selben Tag erging ebenfalls gegenüber der Rechtsvorgängerin der Klägerin ein Grundsteuermessbescheid - Nachveranlagung auf den 1.1.1999 -. In diesem wurde der Grundsteuermessbetrag auf 794 DM (entspricht 405,97 €) festgesetzt. Unter Abschnitt "B. Berechnung des Steuermessbetrages" ist ausgeführt, dass sich der Steuermessbetrag aus dem Einheitswert i.H.v. 79.400 DM, multipliziert mit einer Steuermesszahl i.H.v. 10 v.T. berechne. Außerdem wird angegeben, die Einordnung des Grundstücks als Geschäftsgrundstück, die ausschließliche oder wertmäßig überwiegende Bebauung mit Altbauten (bezugsfertig bis 31.3.1924) und die Zugehörigkeit zur Gemeindegruppe b (über 25 000 bis 1 Mio. Einwohner nach dem Stand der allgemeinen Volkszählung vom 16.6.1933) führten zu dieser Steuermesszahl (§ 29 der Verordnung zur Durchführung des Grundsteuergesetzes für den ersten Hauptveranlagungszeitraum).
Das Grundstück wurde im Anschluss mehrmals veräußert. Aus diesem Grund ergingen entsprechende Einheitswertbescheide - Zurechnungsfortschreibungen - u.a. am 1.3.2012 als Zurechnungsfortschreibung auf den 1.1.2011. In den Bescheiden wurde das Grundstück jeweils den neuen Eigentümern zugerechnet. Zudem wurde angegeben, der Einheitswert betrage wie bisher 40.596 €. Entsprechend wurden jeweils Grundsteuermessbescheide - Neuveranlagungen - erlassen, u.a. am 1.3.2012 ein Grundsteuermessbescheid mit einer Neuveranlagung auf den 1.1.2011. In letzterem wurde der Grundsteuermessbetrag gegenüber der früheren Eigentümerin des Grundstücks und Rechtsvorgängerin der Klägerin auf 405,97 € festgesetzt und angegeben, dies entspreche dem bisherigen Grundsteuermessbetrag.
Die Klägerin erwarb das Grundstück durch Zuschlag im Rahmen einer Zwangsversteigerung am 15.12.2014. Daraufhin erließ das Finanzamt gegenüber der Klägerin am 20.4.2015 einen Einheitswertbescheid - Zurechnungsfortschreibung - auf den 1.1.2015. In dem Bescheid wurde wiederum aufgeführt, der Einheitswert betrage wie bisher 40.596 €. Außerdem wurde ebenfalls am 20.4.2015 ein Grundsteuermessbescheid - Neuveranlagung - auf den 1.1.2015 erlassen. In diesem wurde gegenüber der Klägerin der Grundsteuermessbetrag wie bisher mit 405,97 € festgesetzt. Nach erfolglosem Einspruch, den die Klägerin mit Leerstand der Gebäude und Verfassungswidrigkeit der Einheitsbewertung begründete, erhob sie mit Schreiben vom 29.8.2016 Klage. Im Klageverfahren machte sie nunmehr erstmals geltend, der Neubau überwiege den Wert des Altbaus, sodass bei der Ermittlung des Grundsteuermessbetrags fortan anstatt einer Steuermesszahl von 10 v.T. eine Messzahl von 8 v.T. anzusetzen sei. Das Finanzamt schloss sich dieser Beurteilung nach Vorlage eines Gutachtens des Bausachverständigen des Finanzamts an.
Das FG gab der Klage statt. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.
Die Gründe:
Der Grundsteuermessbetrag ist gegenüber der Klägerin im Zuge der Zurechnungsfortschreibung des Einheitswerts auf den 1.1.2015 mit dem Wert festzusetzen, mit dem er gegenüber der vorherigen Eigentümerin des Grundstücks festgesetzt wurde.
Steuermessbeträge, die nach den Steuergesetzen zu ermitteln sind, werden durch Steuermessbescheid festgesetzt. Mit der Festsetzung der Steuermessbeträge wird auch über die persönliche und sachliche Steuerpflicht entschieden. Die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung sind sinngemäß anzuwenden. Ferner sind § 182 Abs. 1 AO und für Grundsteuermessbescheide auch § 182 Abs. 2 und § 183 AO sinngemäß anzuwenden (§ 184 Abs. 1 AO). Nach § 182 Abs. 2 Satz 1 AO wirkt ein Feststellungsbescheid über einen Einheitswert nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO auch gegenüber dem Rechtsnachfolger, auf den der Gegenstand der Feststellung nach dem Feststellungszeitpunkt mit steuerlicher Wirkung übergeht. Wird eine Zurechnungsfortschreibung (§ 22 Abs. 2 BewG) durchgeführt, so wird der Steuermessbetrag auf den Fortschreibungszeitpunkt neu festgesetzt (Neuveranlagung; § 17 GrStG). Wird eine Neuveranlagung des Grundsteuermessbetrags gem. § 17 Abs. 1 GrStG nach einer Zurechnungsfortschreibung des Einheitswerts durchgeführt, beschränkt sich die Neuveranlagung auf die Bestimmung des neuen Steuerschuldners (§ 10 Abs. 1 GrStG). Eine geänderte Steuermesszahl wird nicht berücksichtigt.
Der Grundsteuermessbescheid setzt den Grundsteuermessbetrag fest (§ 184 Abs. 1 Satz 1 AO). Nach § 184 Abs. 1 Satz 2 AO wird mit der Festsetzung des Grundsteuermessbetrags auch über die persönliche und sachliche Steuerpflicht entschieden. Der Grundsteuermessbescheid muss den Grundsteuermessbetrag der Höhe nach angeben (§ 184 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 157 Abs. 1 Satz 2 AO). Im Grundsteuermessbescheid sind zudem nach § 184 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 121 Abs. 1 AO die wesentlichen Berechnungsgrundlagen anzuführen. Mitzuteilen sind daher der Einheitswert und die Steuermesszahl; aus diesen beiden Komponenten berechnet sich der Grundsteuermessbetrag (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GrStG). Schließlich muss im Grundsteuermessbescheid angegeben werden, für wen der Grundsteuermessbescheid ergeht, d.h. wer Steuerschuldner der Grundsteuer ist. Nach § 10 Abs. 1 GrStG ist Schuldner der Grundsteuer derjenige, dem der Steuergegenstand bei der Feststellung des Einheitswerts zugerechnet ist. Diese Feststellung ist dem Feststellungsbescheid über den Einheitswert (§ 179 AO) zu entnehmen, der gemäß § 19 Abs. 3 Nr. 2 BewG eine Feststellung über die Zurechnung des Grundstücks enthält. Dieses wird grundsätzlich dem zivilrechtlichen Eigentümer zugerechnet.
Nach § 184 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 182 Abs. 2 Satz 1 AO wirkt ein Grundsteuermessbescheid auch gegenüber dem Rechtsnachfolger, auf den der Grundbesitz nach dem Veranlagungszeitpunkt übergegangen ist. Der notwendige Inhalt des Grundsteuermessbescheids - der Grundsteuermessbetrag, der Einheitswert und die Steuermesszahl als seine wesentlichen Berechnungsgrundlagen sowie die Angabe des Steuerschuldners - bindet auch den Rechtsnachfolger. Nach § 22 Abs. 2 i.V.m. § 19 Abs. 3 Nr. 2 BewG ist eine Zurechnungsfortschreibung des Einheitswerts vorzunehmen, wenn die Eigentumsverhältnisse des Grundstücks im Feststellungszeitpunkt von der zuletzt getroffenen Feststellung abweichen und für die Besteuerung von Bedeutung sind. Eine Änderung der Eigentumsverhältnisse, die einen Wechsel in der Steuerschuldnerschaft zur Folge hat, ist regelmäßig für die Besteuerung von Bedeutung. Beim Grundbesitz gilt dies schon wegen der Auswirkung auf die Grundsteuer. Eine Zurechnungsfortschreibung ist durchzuführen, wenn ein Wechsel im Eigentum nach dem Feststellungszeitpunkt erfolgt. Das ist z.B. der Fall, wenn das Grundstück veräußert oder im Rahmen der Zwangsversteigerung durch Zuschlag erworben wurde. Wird eine Zurechnungsfortschreibung nach § 22 Abs. 2 BewG durchgeführt, wird nach § 17 Abs. 1 GrStG der Grundsteuermessbetrag auf den Fortschreibungszeitpunkt neu festgesetzt. Eine neue Festsetzung findet aber nur in Bezug auf die Angabe des neuen Steuerschuldners statt. Diesbezüglich enthält § 17 Abs. 1 GrStG eine Änderungsbefugnis und durchbricht die Regelungen des § 184 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 182 Abs. 2 Satz 1 AO, nach denen der notwendige Inhalt des Grundsteuermessbescheids auch gegenüber dem Rechtsnachfolger Bindungswirkung entfaltet. Der übrige notwendige Inhalt des Grundsteuermessbescheids - der Grundsteuermessbetrag, der Einheitswert und die Steuermesszahl als seine wesentlichen Berechnungsgrundlagen - entfaltet hingegen weiterhin dingliche Wirkung und bindet den neuen Eigentümer.
Die dingliche Wirkung des Grundsteuermessbescheids betrifft nicht den Steuerschuldner, aber die Feststellung über den Wert und die Art der wirtschaftlichen Einheit. In diesem Umfang wirkt er auch gegenüber dem Rechtsnachfolger. Dies gilt auch dann, wenn die Steuermesszahl als Berechnungsgrundlage in dem Grundsteuermessbescheid zur Neuveranlagung im Zuge der Zurechnungsfortschreibung des Einheitswerts nicht ausdrücklich angeführt ist, solange sie in einem vorangegangenen Bescheid mit Bindungswirkung nach § 184 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 182 Abs. 2 Satz 1 AO angegeben wurde. Denn auch in einem solchen Fall enthält der festgesetzte Grundsteuermessbetrag aufgrund der gesetzlich vorgegebenen Berechnungsformel in § 13 Abs. 1 Satz 2 GrStG automatisch die Angabe u.a. zu der Steuermesszahl. Wird der Steuermessbetrag infolge einer Fortschreibung des Einheitswerts nach § 17 Abs. 1 GrStG neu veranlagt, ist der Neuveranlagungszeitpunkt der Beginn des Kalenderjahres, auf den die Fortschreibung durchgeführt wird (§ 17 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 GrStG). Er ist insoweit mit dem Fortschreibungszeitpunkt nach § 22 Abs. 4 BewG identisch.
Eine andere als die der vorangegangenen Veranlagung zugrunde gelegte Steuermesszahl kann im Rahmen einer Neuveranlagung nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 GrStG zu berücksichtigen sein. Danach wird der Steuermessbetrag auch dann neu festgesetzt, wenn dem Finanzamt bekannt wird, dass die letzte Veranlagung fehlerhaft ist. Es handelt sich daher um eine Neuveranlagung zur Fehlerbeseitigung. Die Fehler im Steuermessbetrag können aus allen Umständen resultieren, die nicht im Feststellungsverfahren über den Einheitswert, wohl aber durch eine Neuveranlagung des Steuermessbetrags beseitigt werden. Ein Fehler ist jede objektive Unrichtigkeit. Unerheblich ist, wodurch der Fehler verursacht wurde, ob der Fehler unmittelbar aus dem Steuermessbescheid ersichtlich ist und ob sich der Fehler zugunsten oder zuungunsten des Steuerschuldners auswirkt. Eine unzutreffend ermittelte Steuermesszahl kann einen solchen Fehler darstellen. Neuveranlagungszeitpunkt ist in diesem Fall nach § 17 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 GrStG grundsätzlich der Beginn des Kalenderjahres, in dem der Fehler dem Finanzamt bekannt wird. Vorliegend ist das FG zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine geänderte Steuermesszahl bei einer Neuveranlagung des Grundsteuermessbetrags nach § 17 Abs. 1 GrStG berücksichtigt werden kann. Der gegenüber der früheren Eigentümerin des Grundstücks und Rechtsvorgängerin der Klägerin erlassene Grundsteuermessbescheid entfaltete hinsichtlich des wie bisher festgesetzten Grundsteuermessbetrags und der in seiner Berechnung enthaltenen Steuermesszahl auch gegenüber der Klägerin dingliche Wirkung nach § 184 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 182 Abs. 2 AO. Die Berücksichtigung einer geänderten Steuermesszahl war daher im Rahmen einer Neuveranlagung nach § 17 Abs. 1 GrStG auf den 1.1.2015 nicht möglich.
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Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks, das mit einem ehemaligen Fabrikgebäude bebaut ist. Das Gebäude stammt ca. aus dem Jahr 1800 und hat einen Anbau aus Ende der 1990er Jahre. Für das Grundstück wurde ein Einheitswert erstmalig mit Einheitswertbescheid vom 27.4.2001 - Nachfeststellung auf den 1.1.1999 - gegenüber einer Rechtsvorgängerin der Klägerin auf 79.400 DM (entspricht abgerundet 40.596 €) festgestellt. Am selben Tag erging ebenfalls gegenüber der Rechtsvorgängerin der Klägerin ein Grundsteuermessbescheid - Nachveranlagung auf den 1.1.1999 -. In diesem wurde der Grundsteuermessbetrag auf 794 DM (entspricht 405,97 €) festgesetzt. Unter Abschnitt "B. Berechnung des Steuermessbetrages" ist ausgeführt, dass sich der Steuermessbetrag aus dem Einheitswert i.H.v. 79.400 DM, multipliziert mit einer Steuermesszahl i.H.v. 10 v.T. berechne. Außerdem wird angegeben, die Einordnung des Grundstücks als Geschäftsgrundstück, die ausschließliche oder wertmäßig überwiegende Bebauung mit Altbauten (bezugsfertig bis 31.3.1924) und die Zugehörigkeit zur Gemeindegruppe b (über 25 000 bis 1 Mio. Einwohner nach dem Stand der allgemeinen Volkszählung vom 16.6.1933) führten zu dieser Steuermesszahl (§ 29 der Verordnung zur Durchführung des Grundsteuergesetzes für den ersten Hauptveranlagungszeitraum).
Das Grundstück wurde im Anschluss mehrmals veräußert. Aus diesem Grund ergingen entsprechende Einheitswertbescheide - Zurechnungsfortschreibungen - u.a. am 1.3.2012 als Zurechnungsfortschreibung auf den 1.1.2011. In den Bescheiden wurde das Grundstück jeweils den neuen Eigentümern zugerechnet. Zudem wurde angegeben, der Einheitswert betrage wie bisher 40.596 €. Entsprechend wurden jeweils Grundsteuermessbescheide - Neuveranlagungen - erlassen, u.a. am 1.3.2012 ein Grundsteuermessbescheid mit einer Neuveranlagung auf den 1.1.2011. In letzterem wurde der Grundsteuermessbetrag gegenüber der früheren Eigentümerin des Grundstücks und Rechtsvorgängerin der Klägerin auf 405,97 € festgesetzt und angegeben, dies entspreche dem bisherigen Grundsteuermessbetrag.
Die Klägerin erwarb das Grundstück durch Zuschlag im Rahmen einer Zwangsversteigerung am 15.12.2014. Daraufhin erließ das Finanzamt gegenüber der Klägerin am 20.4.2015 einen Einheitswertbescheid - Zurechnungsfortschreibung - auf den 1.1.2015. In dem Bescheid wurde wiederum aufgeführt, der Einheitswert betrage wie bisher 40.596 €. Außerdem wurde ebenfalls am 20.4.2015 ein Grundsteuermessbescheid - Neuveranlagung - auf den 1.1.2015 erlassen. In diesem wurde gegenüber der Klägerin der Grundsteuermessbetrag wie bisher mit 405,97 € festgesetzt. Nach erfolglosem Einspruch, den die Klägerin mit Leerstand der Gebäude und Verfassungswidrigkeit der Einheitsbewertung begründete, erhob sie mit Schreiben vom 29.8.2016 Klage. Im Klageverfahren machte sie nunmehr erstmals geltend, der Neubau überwiege den Wert des Altbaus, sodass bei der Ermittlung des Grundsteuermessbetrags fortan anstatt einer Steuermesszahl von 10 v.T. eine Messzahl von 8 v.T. anzusetzen sei. Das Finanzamt schloss sich dieser Beurteilung nach Vorlage eines Gutachtens des Bausachverständigen des Finanzamts an.
Das FG gab der Klage statt. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.
Die Gründe:
Der Grundsteuermessbetrag ist gegenüber der Klägerin im Zuge der Zurechnungsfortschreibung des Einheitswerts auf den 1.1.2015 mit dem Wert festzusetzen, mit dem er gegenüber der vorherigen Eigentümerin des Grundstücks festgesetzt wurde.
Steuermessbeträge, die nach den Steuergesetzen zu ermitteln sind, werden durch Steuermessbescheid festgesetzt. Mit der Festsetzung der Steuermessbeträge wird auch über die persönliche und sachliche Steuerpflicht entschieden. Die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung sind sinngemäß anzuwenden. Ferner sind § 182 Abs. 1 AO und für Grundsteuermessbescheide auch § 182 Abs. 2 und § 183 AO sinngemäß anzuwenden (§ 184 Abs. 1 AO). Nach § 182 Abs. 2 Satz 1 AO wirkt ein Feststellungsbescheid über einen Einheitswert nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO auch gegenüber dem Rechtsnachfolger, auf den der Gegenstand der Feststellung nach dem Feststellungszeitpunkt mit steuerlicher Wirkung übergeht. Wird eine Zurechnungsfortschreibung (§ 22 Abs. 2 BewG) durchgeführt, so wird der Steuermessbetrag auf den Fortschreibungszeitpunkt neu festgesetzt (Neuveranlagung; § 17 GrStG). Wird eine Neuveranlagung des Grundsteuermessbetrags gem. § 17 Abs. 1 GrStG nach einer Zurechnungsfortschreibung des Einheitswerts durchgeführt, beschränkt sich die Neuveranlagung auf die Bestimmung des neuen Steuerschuldners (§ 10 Abs. 1 GrStG). Eine geänderte Steuermesszahl wird nicht berücksichtigt.
Der Grundsteuermessbescheid setzt den Grundsteuermessbetrag fest (§ 184 Abs. 1 Satz 1 AO). Nach § 184 Abs. 1 Satz 2 AO wird mit der Festsetzung des Grundsteuermessbetrags auch über die persönliche und sachliche Steuerpflicht entschieden. Der Grundsteuermessbescheid muss den Grundsteuermessbetrag der Höhe nach angeben (§ 184 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 157 Abs. 1 Satz 2 AO). Im Grundsteuermessbescheid sind zudem nach § 184 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 121 Abs. 1 AO die wesentlichen Berechnungsgrundlagen anzuführen. Mitzuteilen sind daher der Einheitswert und die Steuermesszahl; aus diesen beiden Komponenten berechnet sich der Grundsteuermessbetrag (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GrStG). Schließlich muss im Grundsteuermessbescheid angegeben werden, für wen der Grundsteuermessbescheid ergeht, d.h. wer Steuerschuldner der Grundsteuer ist. Nach § 10 Abs. 1 GrStG ist Schuldner der Grundsteuer derjenige, dem der Steuergegenstand bei der Feststellung des Einheitswerts zugerechnet ist. Diese Feststellung ist dem Feststellungsbescheid über den Einheitswert (§ 179 AO) zu entnehmen, der gemäß § 19 Abs. 3 Nr. 2 BewG eine Feststellung über die Zurechnung des Grundstücks enthält. Dieses wird grundsätzlich dem zivilrechtlichen Eigentümer zugerechnet.
Nach § 184 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 182 Abs. 2 Satz 1 AO wirkt ein Grundsteuermessbescheid auch gegenüber dem Rechtsnachfolger, auf den der Grundbesitz nach dem Veranlagungszeitpunkt übergegangen ist. Der notwendige Inhalt des Grundsteuermessbescheids - der Grundsteuermessbetrag, der Einheitswert und die Steuermesszahl als seine wesentlichen Berechnungsgrundlagen sowie die Angabe des Steuerschuldners - bindet auch den Rechtsnachfolger. Nach § 22 Abs. 2 i.V.m. § 19 Abs. 3 Nr. 2 BewG ist eine Zurechnungsfortschreibung des Einheitswerts vorzunehmen, wenn die Eigentumsverhältnisse des Grundstücks im Feststellungszeitpunkt von der zuletzt getroffenen Feststellung abweichen und für die Besteuerung von Bedeutung sind. Eine Änderung der Eigentumsverhältnisse, die einen Wechsel in der Steuerschuldnerschaft zur Folge hat, ist regelmäßig für die Besteuerung von Bedeutung. Beim Grundbesitz gilt dies schon wegen der Auswirkung auf die Grundsteuer. Eine Zurechnungsfortschreibung ist durchzuführen, wenn ein Wechsel im Eigentum nach dem Feststellungszeitpunkt erfolgt. Das ist z.B. der Fall, wenn das Grundstück veräußert oder im Rahmen der Zwangsversteigerung durch Zuschlag erworben wurde. Wird eine Zurechnungsfortschreibung nach § 22 Abs. 2 BewG durchgeführt, wird nach § 17 Abs. 1 GrStG der Grundsteuermessbetrag auf den Fortschreibungszeitpunkt neu festgesetzt. Eine neue Festsetzung findet aber nur in Bezug auf die Angabe des neuen Steuerschuldners statt. Diesbezüglich enthält § 17 Abs. 1 GrStG eine Änderungsbefugnis und durchbricht die Regelungen des § 184 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 182 Abs. 2 Satz 1 AO, nach denen der notwendige Inhalt des Grundsteuermessbescheids auch gegenüber dem Rechtsnachfolger Bindungswirkung entfaltet. Der übrige notwendige Inhalt des Grundsteuermessbescheids - der Grundsteuermessbetrag, der Einheitswert und die Steuermesszahl als seine wesentlichen Berechnungsgrundlagen - entfaltet hingegen weiterhin dingliche Wirkung und bindet den neuen Eigentümer.
Die dingliche Wirkung des Grundsteuermessbescheids betrifft nicht den Steuerschuldner, aber die Feststellung über den Wert und die Art der wirtschaftlichen Einheit. In diesem Umfang wirkt er auch gegenüber dem Rechtsnachfolger. Dies gilt auch dann, wenn die Steuermesszahl als Berechnungsgrundlage in dem Grundsteuermessbescheid zur Neuveranlagung im Zuge der Zurechnungsfortschreibung des Einheitswerts nicht ausdrücklich angeführt ist, solange sie in einem vorangegangenen Bescheid mit Bindungswirkung nach § 184 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 182 Abs. 2 Satz 1 AO angegeben wurde. Denn auch in einem solchen Fall enthält der festgesetzte Grundsteuermessbetrag aufgrund der gesetzlich vorgegebenen Berechnungsformel in § 13 Abs. 1 Satz 2 GrStG automatisch die Angabe u.a. zu der Steuermesszahl. Wird der Steuermessbetrag infolge einer Fortschreibung des Einheitswerts nach § 17 Abs. 1 GrStG neu veranlagt, ist der Neuveranlagungszeitpunkt der Beginn des Kalenderjahres, auf den die Fortschreibung durchgeführt wird (§ 17 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 GrStG). Er ist insoweit mit dem Fortschreibungszeitpunkt nach § 22 Abs. 4 BewG identisch.
Eine andere als die der vorangegangenen Veranlagung zugrunde gelegte Steuermesszahl kann im Rahmen einer Neuveranlagung nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 GrStG zu berücksichtigen sein. Danach wird der Steuermessbetrag auch dann neu festgesetzt, wenn dem Finanzamt bekannt wird, dass die letzte Veranlagung fehlerhaft ist. Es handelt sich daher um eine Neuveranlagung zur Fehlerbeseitigung. Die Fehler im Steuermessbetrag können aus allen Umständen resultieren, die nicht im Feststellungsverfahren über den Einheitswert, wohl aber durch eine Neuveranlagung des Steuermessbetrags beseitigt werden. Ein Fehler ist jede objektive Unrichtigkeit. Unerheblich ist, wodurch der Fehler verursacht wurde, ob der Fehler unmittelbar aus dem Steuermessbescheid ersichtlich ist und ob sich der Fehler zugunsten oder zuungunsten des Steuerschuldners auswirkt. Eine unzutreffend ermittelte Steuermesszahl kann einen solchen Fehler darstellen. Neuveranlagungszeitpunkt ist in diesem Fall nach § 17 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 GrStG grundsätzlich der Beginn des Kalenderjahres, in dem der Fehler dem Finanzamt bekannt wird. Vorliegend ist das FG zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine geänderte Steuermesszahl bei einer Neuveranlagung des Grundsteuermessbetrags nach § 17 Abs. 1 GrStG berücksichtigt werden kann. Der gegenüber der früheren Eigentümerin des Grundstücks und Rechtsvorgängerin der Klägerin erlassene Grundsteuermessbescheid entfaltete hinsichtlich des wie bisher festgesetzten Grundsteuermessbetrags und der in seiner Berechnung enthaltenen Steuermesszahl auch gegenüber der Klägerin dingliche Wirkung nach § 184 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 182 Abs. 2 AO. Die Berücksichtigung einer geänderten Steuermesszahl war daher im Rahmen einer Neuveranlagung nach § 17 Abs. 1 GrStG auf den 1.1.2015 nicht möglich.