09.09.2013

Doppelte Haushaltsführung: Wenn die Zweitwohnung näher am Familienwohnsitz als an der Arbeitsstätte liegt

Ein Arbeitnehmer wohnt dann in einer Wohnung am Beschäftigungsort, wenn er von dort aus ungeachtet von Gemeinde- oder Landesgrenzen seine Arbeitsstätte täglich aufsuchen kann. Bietet die Zweitwohnung mehrere Standortvorteile, kommt dem Umstand, dass sie zur Familienwohnung günstig gelegen ist und so den familiären Kontakt unter der Woche erleichtert, kein die vorrangig berufliche Veranlassung überlagerndes Gewicht zu.

FG Münster 27.6.2013, 3 K 4315/12 E
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Professor an einer Universität in B. und bezieht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gem. § 19 EStG. Sein Familienwohnsitz befindet sich in H. Zunächst hatte der Kläger eine Wohnung in der Nähe der Universität bezogen. Im Spätsommer 2007 kündigte er diese und suchte nach einer für sich geeigneten Wohnung in E. Er entschied sich für E., weil dort zwei für ihn wichtige Bibliotheken ansässig sind, die in seinem Fachbereich sehr gut ausgestattet sind. Seine Arbeit besteht im Wesentlichen im Literaturstudium. Die Bibliotheken sucht er dabei im Schnitt drei bis fünf Mal im Monat auf.

Die Lehrverpflichtungen des Klägers belaufen sich im Schnitt auf fünf Veranstaltungen pro Woche. Außerdem ist er geschäftsführender Direktor eines Instituts und somit bestimmten Verwaltungsaufgaben und Verpflichtungen, wie an Fachbereichssitzungen teilzunehmen, betraut. In den Einkommensteuererklärungen 2010 und 2011 machte der Kläger Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten geltend. Die Entfernung der vom Kläger bewohnten Wohnung in E. zum Familienwohnsitz nach H. beträgt 47 km, die Entfernung zur Arbeitsstätte in B. 83 km. Die Wohnung in E. liegt ca. 4 km von den Bibliotheken entfernt. Die Autobahn nach B. ist schnell zu erreichen.

Das Finanzamt berücksichtigte die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen zur doppelten Haushaltsführung nicht als Werbungskosten, da der Wohnsitz in E. zu weit vom Arbeitsort entfernt liege und deshalb nicht als Wohnung am Beschäftigungsort des Klägers angesehen werden könne. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Allerdings wurde zur Fortbildung des Rechts die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:
Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide waren rechtswidrig.

Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, an dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch "am Beschäftigungsort wohnt". In seinem Urteil vom 19.4.2012 (Az.: VI R 59/11) geht der BFH davon aus, dass ein Arbeitnehmer in einer Wohnung am Beschäftigungsort jedenfalls dann wohnt, wenn er von dort aus ungeachtet von Gemeinde- oder Landesgrenzen seine Arbeitsstätte täglich aufsuchen kann. Maßgeblich sei dabei, dass die fragliche Wohnung in der Weise am Beschäftigungsort, nämlich so zur Arbeitsstätte gelegen sei, dass der Arbeitnehmer in zumutbarer Weise täglich von dort seine Arbeitsstätte aufsuchen könne. Maßgeblich seien insbesondere die individuellen Verkehrsverbindungen zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte. Die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sei zwar ein wesentliches, allerdings nicht allein entscheidungserhebliches Merkmal.

Infolgedessen hat der Kläger im vorliegenden Fall mit der Wohnung in E. eine Wohnung am Beschäftigungsort inne. Maßgeblich war insofern die Tatsache, dass der Kläger in den Veranlagungszeiträumen 2010 und 2011 seinen Arbeitsplatz in B. nicht in zumutbarer Weise von seinem Familienwohnsitz in H. aus arbeitstäglich - wie dies angesichts seines Vorlesungsplans zumindest in der Vorlesungszeit erforderlich war - erreichen konnte. Ein arbeitstägliches Pendeln mit Fahrzeiten von bis zu zwei Stunden pro Strecke ist nicht zumutbar.

Die Zweitwohnung in E. war auch als Wohnung am Beschäftigungsort anzusehen, da sie unter Zugrundelegung der Grundsätze des BFH-Urteils (s.o.) noch als im Einzugsbereich von B. belegen ist. Schließlich erfüllte sie die Anforderung, dass der Arbeitsplatz von der Zweitwohnung aus in zumutbarer Weise zu erreichen sein muss. Der Kläger kann nämlich von dieser Wohnung aus seinen Arbeitsplatz trotz der Entfernung von 83 km in unter einer Stunde Fahrzeit erreichen. Hierbei handelt es sich um eine heutzutage durchaus übliche Pendelzeit. Hinzu kam, dass E. mit den dort ansässigen Bibliotheken einen weiteren Standortvorteil bietet. Somit kam dem Umstand, dass E. auch zur Familienwohnung des Klägers günstig gelegen ist und so den familiären Kontakt unter der Woche erleichtert, kein die vorrangig berufliche Veranlassung überlagerndes Gewicht mehr zu.

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