14.12.2011

Einbehaltene Zahlungen für nicht erbrachte Leistungen sind umsatzsteuerpflichtig

Die von einem Unternehmer (hier: eine Fluggesellschaft) vereinnahmten Entgelte können auch dann der Umsatzbesteuerung unterliegen, wenn der Unternehmer die geschuldete Leistung nicht erbringt, das Entgelt aber gleichwohl behalten darf. Ob das Urteil auch auf andere Fallgestaltungen wie z.B. Stornokosten bei Hotelbuchungen anzuwenden ist, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab.

BFH 15.9.2011, V R 36/09
Der Sachverhalt:
Die Klägerin betreibt eine Fluggesellschaft, die Flugbeförderungen im In- und Ausland anbietet. Kunden konnten Flüge zu ermäßigten Preisen, aber ohne Umbuchungsmöglichkeit buchen. Erschien der Fluggast zum vorgesehenen Flug nicht, war die Fluggesellschaft nach den Vertragsbestimmungen berechtigt, das Beförderungsentgelt einzubehalten und den Sitzplatz anderweitig an einen ggf. vor Ort wartenden Fluggast zu vergeben.

Das Finanzamt ging im Anschluss an eine zur Umsatzsteuer 1996 bis 2000 durchgeführten Außenprüfung davon aus, dass auch bei den nicht in Anspruch genommenen Flügen ein Leistungsaustausch vorliege. Die von der Klägerin bis dahin als nicht steuerbarer Schadensersatz angesehenen Einnahmen (sog. unflown revenue) behandelte die Behörde als Entgelt für steuerpflichtige Leistungen und erließ entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 1996 bis 2004.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Die Gründe:
Die Revision der Klägerin war aus anderen als den geltend gemachten Gründen begründet. Ob der Auffassung der Klägerin zu folgen wäre, sie habe gegenüber den nicht erschienenen Fluggästen keine Leistungen erbracht, war daher nicht zu entscheiden. Hinsichtlich der Auslandsflüge müssen hingegen im weiteren Verfahren noch Feststellungen getroffen werden.

Die Klägerin hat steuerpflichtige Leistungsentgelte für Inlandsflüge vereinnahmt, die mangels Rückzahlung der Besteuerung unterliegen. Bei Inlandsflügen erfüllt bereits die Vereinnahmung des Entgelts den Besteuerungstatbestand gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1a S. 4 UStG 1993/1999. Diese Vorschrift beruht unionsrechtlich auf Art. 10 Abs. 2 Unterabs. 2 Richtlinie 77/388/EWG. Er entfällt erst wieder aufgrund einer Berichtigung nach § 17 UStG, wenn das Entgelt an den Kunden erstattet wird. Da Rückzahlungen nach den Vertragsbedingungen der Fluggesellschaft im Streitfall nicht vorgesehen waren, hatte die Fluggesellschaft die vereinnahmten Entgelte trotz unterbliebener Inanspruchnahme der Beförderungsleistung zu versteuern.

Dass die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 17 UStG nicht vorlagen, rechtfertigte nicht das Entstehen eines Rückforderungsanspruchs nach §§ 812 ff. BGB, da diese Vorschriften aufgrund der abschließenden Spezialregelung durch das UStG im Streitfall nicht anwendbar waren. Außerdem konnte sich die Klägerin für die beanspruchte Nichtbesteuerung der von ihr vereinnahmten Vorauszahlungen auch nicht auf die EuGH-Rechtsprechung zum sog. "Angeld" berufen.

Allerdings konnte der Senat nach den vom FG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob entsprechend dem FG-Urteil auch eine Steuerpflicht hinsichtlich der Auslandsflüge besteht. Bei Auslandsflügen kommt es darauf an, ob hierfür Umsatzsteuer erhoben wird. Ist das nicht der Fall, so ist auch das Entgelt für einen nicht in Anspruch genommenen Flug nicht steuerpflichtig. Hierzu müssen vom FG im weiteren Verfahren noch weitere Feststellungen getroffen werden. Entgegen dem FG-Urteil hatte die Klägerin unabhängig von der vereinbarten Beförderungsleistung bei Flugteilnahme keine gesonderte Reservierungsleistung erbracht, die nach § 3a Abs. 1 UStG an ihrem Unternehmensort zu besteuern ist. Die bloße Bereitschaft zur Leistungserbringung ist nämlich nicht wegen der später unterbliebenen Inanspruchnahme des Fluges eine eigenständige Leistung.

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BFH PM Nr. 103 vom 14.12.2011
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