01.12.2020

Einheitlicher Steuergegenstand der Gewerbesteuer bei mehreren Betätigungen derselben natürlichen Person

Übt eine natürliche Person mehrere gewerbliche Tätigkeiten aus, kann es sich gewerbesteuerrechtlich entweder um einen einheitlichen Betrieb (Steuergegenstand) oder aber um mehrere selbständige Betriebe - und damit um mehrere Steuergegenstände - handeln. Für die Unterscheidung zwischen einem einheitlichen Betrieb und mehreren selbständigen Betrieben kommt der Gleichartigkeit bzw. Ungleichartigkeit der Betätigungen wesentliche Bedeutung zu. Dabei ist jedoch nicht von einer strikten Zweiteilung in gleichartige bzw. ungleichartige Betätigungen auszugehen; vielmehr steigt das notwendige Maß des für eine Zusammenfassung der Betätigungen erforderlichen wirtschaftlichen, organisatorischen und finanziellen Zusammenhangs in Abhängigkeit vom zunehmenden Grad der Verschiedenartigkeit der Betätigungen.

BFH v. 17.6.2020 - X R 15/18
Der Sachverhalt:
Der Kläger betrieb sowohl ein Eiscafé als auch einen Grillimbiss. Er übte beide Tätigkeiten im selben Gebäude aus. Die jeweiligen Geschäftsräume waren nicht miteinander verbunden, es wurde für das Eiscafé und den Grillimbiss dieselbe Kundentoilette genutzt. Mit beiden Tätigkeiten trat der Kläger unter derselben Bezeichnung auf; es gab nur eine einheitliche Telefonnummer und eine einheitliche Telefaxnummer. Für die Außengastronomie waren zwölf Tische und 36 Stühle vorhanden, die gemeinsam genutzt wurden. Zum Betriebsvermögen des Grillimbisses gehörte ein Kfz, das auch für Zwecke des Eiscafés genutzt wurde. Ein Teil der Wareneinkäufe wurde für beide Betätigungen gemeinsam vorgenommen. Einige Mitarbeiter des Klägers kamen für beide Betätigungen zum Einsatz.

Der Kläger unterhielt für jede der beiden Betätigungen ein gesondertes Girokonto. Die beiden Bankkonten wurden aber beim selben Kreditinstitut und unter derselben Stammnummer geführt; zudem bestand eine einheitliche Kreditlinie für beide Bankkonten. Lohnzahlungen für Mitarbeiter des Eiscafés wurden teilweise auch vom Bankkonto des Grillimbisses getätigt.

In seinen Gewerbesteuererklärungen für die Streitjahre fasste der Kläger die Ergebnisse der beiden Betätigungen zusammen, weil er davon ausging, dass es sich um einen einheitlichen Betrieb handele. Demgegenüber vertrat das Finanzamt die Auffassung, der Kläger sei Inhaber zweier getrennter Betriebe. Auf dieser Grundlage erließ er für den Grillimbiss einerseits und für das Eiscafé andererseits gesonderte Gewerbesteuermessbescheide.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und verwies die Sache zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung an das FG zurück.

Die Gründe:
Nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung können auf die beiden vom Kläger ausgeübten Betätigungen nicht strikt und ausschließlich diejenigen Kriterien angewendet werden, die für die - nur unter besonderen Voraussetzungen vorzunehmende - Zusammenfassung ungleichartiger Betätigungen zu einem Steuergegenstand gelten. Das FG hat auf dieser Grundlage eine neue Gesamtwürdigung - ggf. unter Heranziehung weiterer, noch nicht aufgeklärter Sachverhaltsmerkmale - vorzunehmen.

Der Gewerbesteuer als einer auf den jeweiligen Betrieb gelegten Objektsteuer unterliegt als Steuergegenstand jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Dabei ist unter "Gewerbebetrieb" ein gewerbliches Unternehmen i.S.d. Einkommensteuergesetzes zu verstehen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG). Übt eine natürliche Person mehrere gewerbliche Tätigkeiten aus, kann es sich gewerbesteuerrechtlich entweder um einen einheitlichen Betrieb oder aber um mehrere selbständige Betriebe - und damit um mehrere Steuergegenstände - handeln. Zur Beurteilung dieser Frage unterscheidet die höchstrichterliche Rechtsprechung zwischen gleichartigen und ungleichartigen Betätigungen. In beiden Fällen ist ein sachlicher (wirtschaftlicher, organisatorischer oder finanzieller) Zusammenhang zwischen den Betätigungen erforderlich, um sie als einen einzigen Steuergegenstand ansehen zu können; die erforderliche Mindest-Intensität dieses Zusammenhangs ist in den beiden Fallgruppen aber unterschiedlich stark ausgeprägt. Maßgebend ist jeweils das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls.

Für gleichartige Betätigungen in der Hand desselben Unternehmers besteht die Vermutung, dass hier ein einheitlicher Betrieb anzunehmen sein wird, wenn nicht ganz besondere Umstände dagegensprechen. Bei ungleichartigen Betätigungen stellt sich das Regel-Ausnahme-Verhältnis jedoch umgekehrt dar. Grundsätzlich indiziert die Ungleichartigkeit der Betätigungen ihre gewerbesteuerrechtliche Selbständigkeit. Auch in solchen Fällen kann es sich aber um einen einheitlichen Gewerbebetrieb handeln, wenn die verschiedenen Betätigungen - vor allem - wirtschaftlich und daneben auch organisatorisch und finanziell zusammenhängen. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang ist gegeben, wenn die beiden Betätigungen einander stützen und ergänzen. Ein wesentliches Indiz liegt darin, dass das Angebot der einen Betätigung die andere ergänzt oder Kunden des einen Bereichs gelegentlich an den anderen Bereich weitergeleitet werden. Kriterien für einen organisatorischen Zusammenhang sind etwa die Benutzung derselben Räume und Einrichtungen, die Tätigkeit derselben Mitarbeiter in beiden Bereichen sowie ein (teilweise) gemeinsamer Einkauf.

Für einen finanziellen Zusammenhang spricht die Führung gemeinsamer Kassen, Aufzeichnungen oder Bankkonten sowie eine einheitliche Gewinnermittlung, ferner die einheitliche Kostentragung für beide Bereiche sowie der Ausgleich von Verlusten der einen Betätigung durch Gewinne der anderen Betätigung. Schon die bisherige Rechtsprechung lässt erkennen, dass nicht von einer strikten Zweiteilung der Fallgruppen, sondern von dem Kontinuum allmählich steigender Anforderungen an den Grad des für eine Zusammenfassung erforderlichen Zusammenhangs in Abhängigkeit vom zunehmenden Grad der Verschiedenartigkeit der Betätigungen auszugehen ist. Auf dieser Grundlage ist gerade in Fallgestaltungen, in denen es - wie auch im Streitfall - um die Beurteilung zweier Tätigkeiten aus dem Bereich der Gastronomie ging, bei Vorliegen eines gewissen Zusammenhangs häufig ein einheitlicher Steuergegenstand bejaht worden.

Das FG wird nun im zweiten Rechtsgang die Verhältnisse des vorliegend zu beurteilenden Einzelfalls erneut zu würdigen haben. Weil es sich nicht um eindeutig ungleichartige Betätigungen handelt, wird es dabei nicht so strenge Anforderungen an den Grad des erforderlichen wirtschaftlichen, organisatorischen und finanziellen Zusammenhangs stellen dürfen wie bei seiner Entscheidung im ersten Rechtsgang. Darüber hinaus sind bestimmte Sachverhaltsmerkmale, die das FG ausschließlich dem - von ihm bejahten, aber nicht für wesentlich gehaltenen - organisatorischen Zusammenhang zugeordnet hat, auch für den - vom FG verneinten und mit besonderem Gewicht im Rahmen der Gesamtwürdigung ausgestatteten - wirtschaftlichen Zusammenhang von Bedeutung.
BFH online
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