20.05.2021

Einheitsbewertung eines SB-Markts (Beitrittsgebiet)

Für die Ermittlung der Gebäudenormalherstellungskosten eines SB-Markts im Beitrittsgebiet ist der Raum unterhalb der Traufe voll anzurechnen. Befinden sich unterhalb der Traufe Versorgungsleitungen, die mittels einer abgehängten Decke der Sicht entzogen sind, steht dies der Vollanrechnung nicht entgegen.

Kurzbesprechung
BFH v. 14.10.2020 - II R 4/19

BewG § 9 Abs. 2, § 129
BewG DDR § 10, § 52
BewDV § 3a, § 32, § 33,
AO § 162


Nach § 129 Abs. 1 BewG gelten für die im Beitrittsgebiet liegenden wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens und für Betriebsgrundstücke die festgestellten oder noch festzustellenden Einheitswerte nach den Wertverhältnissen zum 01.01.1935 weiter. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift werden --vorbehaltlich der §§ 129a bis 131 BewG-- für die Ermittlung der Einheitswerte 1935 statt der §§ 27, 68 bis 94 BewG u.a. im Einzelnen genannte Bestimmungen des BewG DDR und der RBewDV mit späteren Änderungen weiter angewandt. Fehlt eine Rohmiete und fehlen auch Verkäufe auf den Stichtag 01.01.1935, kann der maßgebende gemeine Wert nach § 162 AO geschätzt werden.

Im Streitfall war die Schätzung auf die nach dem 03.10.1990 ergangenen gleichlautenden Ländererlasse (hier: gleichlautende Erlasse in BStBl I 1993, 528 und BStBl I 2011, 283) zu stützen. Für die Schätzung eines Grundstückswerts ist auf die Grundzüge des Sachwertverfahrens in Anlehnung an die Regelungen der §§ 83 ff. BewG zurückzugreifen, die jedoch gemäß § 129 Abs. 2 BewG nicht unmittelbar anwendbar sind. Der BFH hat die den gleichlautenden Erlassen in BStBl I 1993, 528 zugrundeliegende Schätzungsmethode für die Ermittlung des gemeinen Werts von bebauten Grundstücken auf der Grundlage des Bodenwerts, des Gebäudewerts und des Werts der Außenanlagen nicht beanstandet. Daran hält er fest.

Die gleichlautenden Erlasse in BStBl I 1993, 528 setzen den von § 10 Abs. 1 BewG DDR erteilten generellen Schätzungsauftrag in zulässiger Weise im Interesse der Einheitlichkeit und Praktikabilität um. Es ist nicht nur vertretbar, sondern im Regelfall geboten, diese auch anzuwenden. Im Streitfall sind die gleichlautenden Erlasse in BStBl I 1993, 528, sachlich einschlägig. Zu deren Anwendungsbereich gehören auch SB-Märkte (Discounter) und Verbrauchermärkte.

Für die Ermittlung des im Streitfall allein streitigen Gebäudewerts ist von dem Gebäudenormalherstellungswert auszugehen, der sich aus dem umbauten Raum und durchschnittlichen Raummeterpreisen und Flächenpreisen ermittelt.

Die DIN 277 (1934) enthält Zeichnungen, die u.a. durch unterschiedliche Schraffuren den voll anzurechnenden umbauten Raum sowie den nicht hinzuzurechnenden umbauten Raum ausweisen. Neben die Zeichnungen sind Berechnungsanweisungen in Textform gestellt. Ein Rangverhältnis zwischen Beschreibungen und Zeichnungen ist dem nicht zu entnehmen.

Danach ist voll anzurechnen der umbaute Raum eines Gebäudes, der umschlossen wird u.a. seitlich von den Außenflächen der Umfassungen sowie oben bei nicht ausgebautem Dachgeschoss von der Oberfläche des Fußbodens über dem obersten Vollgeschoss, bei nicht ausgebautem Dachgeschoss mit Drempel von der Traufe. Bei ausgebautem Dachgeschoss und bei teilausgebautem Dachgeschoss ist die Ermittlung des voll anzurechnenden umbauten Raums näher beschrieben. Bei Dachdecken, die gleichzeitig die Decke des obersten Vollgeschosses bilden, und bei Gebäuden oder Bauteilen ohne Geschossdecken ist die Traufe maßgebend. Nicht anzusetzen ist u.a. der umbaute Raum der Dachaufbauten.

Der Rauminhalt, der sich unterhalb des tiefsten Schnittpunkts zwischen Dach und Gebäudewand befindet, ist durchgehend voll anzurechnen. Das gilt sowohl dann, wenn an diesem Schnittpunkt Zwischendecken eingezogen sind, als auch dann, wenn Zwischendecken fehlen. Dies gilt weiter dort, wo Zwischendecken vorhanden sind, aber unter einem nur minimal geneigten Dach ersichtlich keine Benutzung durch Betreten zulassen Der darüber befindliche Rauminhalt ist --mit einer Berechnungsvereinfachung bei einer durch Dachschrägen bedingten variablen Innenhöhe-- in den Fällen voll anzurechnen, in denen durch zusätzliche Zwischendecken oder Seitenwände ein Ausbau des Dachraums verdeutlicht ist.

Demgegenüber sind weder §§ 27, 68 bis 94 BewG noch die BewRGr auf die Einheitsbewertung im Beitrittsgebiet anwendbar. § 129 Abs. 2 BewG ordnet die Nichtanwendung der §§ 27, 68 bis 94 BewG ausdrücklich an. Dementsprechend sind auch die BewRGr, namentlich Abschn. 37, auf den sich die Steuerpflichtige beruft, nicht anwendbar. Sie interpretieren lediglich die Vorschriften des BewG und haben deshalb keinen verselbständigten Geltungsanspruch.

Zu dem nicht zu bewertenden Dachraum gehört derjenige Teil des Raumvolumens, der auf Höhe des tiefsten Schnittpunkts zwischen Außenwand und Dach beginnt. Er entspricht dem Traufpunkt. Ein auf allen Seiten von den Außenflächen der baulich untrennbar zum Gebäudekörper gehörenden Gebäudeumfassungen umschlossener Raum ist voll anzurechnen. Die tatsächliche Nutzung des zwischen der abgehängten Decke und der Ebene durch den Traufpunkt befindlichen Raumvolumens ist nicht erheblich.

Nach diesen Maßstäben hatte das FA zu Recht den Raum zwischen den abgehängten Decken und dem tiefsten Schnittpunkt zwischen Außenwand und Dach bei der Bewertung berücksichtigt und lediglich den darüber befindlichen Dachraum ausgeklammert.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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