20.05.2021

Einheitsbewertung eines Supermarkts (Altbundesgebiet)

Bei der Ermittlung des Gebäudenormalherstellungswerts eines Flachdachgebäudes im Altbundesgebiet ist das von den Außenwänden des Gebäudes gänzlich umschlossene Raumvolumen voll anzurechnen. Befinden sich unterhalb des Dachs Versorgungsleitungen, die mittels einer abgehängten Decke der Sicht entzogen sind, steht dies der Vollanrechnung nicht entgegen.

Kurzbesprechung
BFH v. 14.12.2020 - II R 27/18

BewG § 76 Abs. 3 Nr. 2, § 85, § 92

Für die Bewertung des Erbbaurechts ist nach § 92 BewG i.V.m. § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG das Sachwertverfahren nach §§ 83 ff. BewG anzuwenden. Für die Ermittlung des Gebäudewerts nach § 85 BewG ist zunächst ein Wert auf der Grundlage von durchschnittlichen Herstellungskosten nach den Baupreisverhältnissen des Jahres 1958 zu errechnen (§ 85 Satz 1 BewG), der sodann nach den Baupreisverhältnissen im Hauptfeststellungszeitpunkt (01.01.1964) auf den Gebäudenormalherstellungswert umzurechnen ist (§ 85 Satz 2 BewG). Weitere Vorgaben zur Ermittlung des Gebäudewerts enthält das BewG nicht.

Nach Abschn. 37 Abs. 1 Satz 1 BewRGr ist der umbaute Raum nach DIN 277 (November 1950x) zu berechnen. Nach Abschn. 37 Abs. 1 Satz 2 BewRGr werden u.a. ausgebaute Dachgeschosse mit dem vollen Rauminhalt angesetzt, während nach Abschn. 37 Abs. 1 Satz 3 BewRGr nicht ausgebaute Dachräume mit einem Drittel ihres Rauminhalts berücksichtigt werden. Letzteres gilt nach Abschn. 37 Abs. 1 Satz 4 BewRGr auch dann, wenn die Decke über dem obersten Vollgeschoss nicht begehbar ist (z.B. unterhalb des Dachs aufgehängte Staubdecke). Abschn. 37 Abs. 1 Sätze 1 und 5 BewRGr verweisen zudem auf die Anlage 12 zu den BewRGr. Anlage 12 zu den BewRGr schreibt die Berechnung des umbauten Raums nach DIN 277 (1950) vor.

Ein Flachdach verfügt über nahezu keinen Dachraum. Ein auf allen Seiten von den Außenflächen der Umfassungen des Gebäudes umschlossener Raum, der sich baulich nicht von den Außenwänden des Gebäudekörpers abhebt, ist nicht "Dachraum" und demnach auch kein der Drittelregelung unterliegender "nicht ausgebauter Dachraum" i.S. des Abschn. 37 Abs. 1 Satz 3 BewRGr i.V.m. Tz. 1.2 der Anlage 12 zu den BewRGr. Er ist ungeachtet der Existenz abgehängter Zwischendecken nach Tz. 1.1 voll anzurechnen.

Die bewertungsrechtliche Behandlung eines Raums als Dachraum setzt voraus, dass zwischen dem Dachraum und dem voll anzurechnenden Raum eine bauliche Abgrenzung vorhanden ist. Die untere Umschließung des Dachraums muss nicht begehbar sein, wie sich aus Abschn. 37 Abs. 1 Satz 4 BewRGr ergibt. Sie muss aber vorhanden sein. Alle Zeichnungen der Anlage 12 zu Abschn. 37 BewRGr folgen dieser Grundvorstellung. Eine allein imaginäre Abtrennung genügt nicht.

Die untere Umschließung des Dachraums muss sich mindestens auf Höhe des tiefsten Schnittpunkts zwischen Gebäudewand und Dach, den tiefsten Traufpunkt, befinden. Rauminhalt, dessen seitliche Umschließung rundum durch Gebäudeaußenwände gebildet wird, ist kein Dachraum i.S. des Abschn. 37 Abs. 1 Satz 3 BewRGr und wird damit auch nicht von Abschn. 37 Abs. 1 Satz 4 BewRGr erfasst. Es ist nicht möglich, durch eine beliebige Verlagerung der entsprechenden Decke nach unten den der Drittelregelung zu unterwerfenden Dachraum beliebig zu vergrößern.

Im Falle des Flachdachs fällt die Ebene durch den Traufpunkt nahezu mit dem Dach zusammen. Das Volumen des denkbaren Dachraums ist nahezu Null. Soweit auch ein Flachdach aus bautechnischen Gründen stets eine geringe Neigung aufweisen muss, könnte allenfalls das entsprechend kleine Raumvolumen der Drittelregelung unterfallen, wenn im Traufpunkt eine ggf. auch leichte Decke vorhanden wäre. Die tatsächliche Nutzung des zwischen der abgehängten Decke und dem Flachdach gebildeten Raumvolumens ist nicht erheblich.

Nach diesen Maßstäben hatte das FG zu Recht entschieden, dass der Raum zwischen den abgehängten Decken und dem Dach des Flachdachgebäudes voll anzurechnen ist.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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