18.02.2021

Einkommen des nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag verstorbenen Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft

Die in § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 angeordnete Rückwirkung betrifft nur die Ermittlung des Einkommens der übertragenden Körperschaft und der Übernehmerin. Diese Norm führt daher nicht zum Entstehen eines Übernahmegewinns bei einem bereits verstorbenen Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft, wenn diese Gesellschaft nach dem Todestag rückwirkend auf ihren neuen Alleingesellschafter verschmolzen wird.

Kurzbesprechung
BFH v. 8.9.2020 - X R 36/18

UmwStG § 2 Abs. 1 S. 1, § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 2
EStG § 17
AO § 179 Abs. 1, § 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a
UmwG § 3 Abs. 2 Nr. 2, § 120 Abs. 1
AEUmwStG 2006 Tziff 05.05 S. 6


Der Steuerpflichtige war zunächst mit 48 % an einer GmbH beteiligt; die weiteren 52 % der Anteile hielt sein Vater (V). Am 15.09. des Streitjahres 2005 verstarb V. Der Steuerpflichtige erhielt vermächtnisweise auch dessen GmbH-Anteile und ist seitdem Alleingesellschafter der GmbH.

Anfang 2006 schlossen der Steuerpflichtige und sein Bruder (B) einen Erbteilskaufvertrag. Danach erwarb der Steuerpflichtige mit Rückwirkung auf den Todestag des V die jeweils hälftigen Erbteile des B als Nacherbe der Mutter (M) und als Erbe des V für insgesamt 50.000 €. Die bereits abgeschlossene Erfüllung der Vermächtnisse sollte unberührt bleiben. Der Steuerpflichtige verpflichtete sich, B von sämtlichen Nachlassverbindlichkeiten einschließlich etwaiger Steuernachforderungen freizustellen.

Anschließend wurde die GmbH mit dem Vermögen des Steuerpflichtigen als ihres nunmehrigen Alleingesellschafters verschmolzen. Als steuerlicher Übertragungsstichtag wurde der 01.09.2005 --also ein Zeitpunkt, der vor dem Tod des V lag-- bestimmt. Auf diesen Tag stellte die GmbH eine Schlussbilanz auf.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2005 ermittelte der Steuerpflichtige einen Übernahmegewinn gemäß § 4 Abs. 4 UmwStG 1995/2002. Diesen rechneten sie zu lediglich 48 % dem Steuerpflichtigen zu. Dagegen setzte das FA den gesamten steuerpflichtigen Übernahmegewinn bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb des Steuerpflichtigen an mit der Begründung, es sei nicht möglich, durch Wahl eines Übertragungsstichtags, der vor dem Tod eines früheren Gesellschafters der übertragenden GmbH liege, rückwirkend die Besteuerung des Verstorbenen bzw. von dessen Erben zu beeinflussen. In einem solchen Fall sei der Übernahmegewinn in voller Höhe beim Übernehmer anzusetzen.

Nach erfolglosem Klageverfahren wies auch der BFH die eingelegte Revision zurück und entschied, dass das FG § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 zutreffend dahingehend ausgelegt hat, dass diese Norm nicht rückwirkend zum Entstehen eines Übernahmegewinns bei einem bereits verstorbenen Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft führt, wenn diese Gesellschaft nach dem Todestag auf ihren neuen Alleingesellschafter verschmolzen wird.

Zivilrechtlich war der Steuerpflichtige erst in dem Zeitpunkt Alleingesellschafter der GmbH geworden, zu dem die Erbengemeinschaft ihm den in die Erbmasse fallenden GmbH-Anteil aufgrund der Vermächtnisanordnung übertragen hatte. Dies erfolgte kurz nach dem Erbfall. Daher kann der vermächtnisweise übergegangene GmbH-Anteil dem Steuerpflichtigen ertragsteuerrechtlich bereits vom Erbfall an zugerechnet werden.

Das Vermögen der GmbH ist zivilrechtlich erst mit der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister auf den Steuerpflichtigen übergegangen. Ertragsteuerrechtlich eröffnet § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 (i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG) aber die Möglichkeit einer begrenzten Rückwirkung. Nach dieser Regelung sind das Einkommen und das Vermögen der übertragenden Körperschaft sowie der Übernehmerin so zu ermitteln, als ob das Vermögen der Körperschaft mit Ablauf des Stichtages der Bilanz, die dem Vermögensübergang zugrunde liegt (steuerlicher Übertragungsstichtag), ganz oder teilweise auf die Übernehmerin übergegangen wäre. Dieser Bilanzstichtag darf höchstens acht Monate vor der Anmeldung der Verschmelzung zur Eintragung in das Handelsregister des übertragenden Rechtsträgers liegen (§ 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG).

Das FG hatte dem Steuerpflichtigen auch zu Recht den gesamten Übernahmegewinn zugerechnet. Gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 UmwStG 2002 ergibt sich infolge des Vermögensübergangs ein Übernahmegewinn oder Übernahmeverlust in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem Wert, mit dem die übergegangenen Wirtschaftsgüter zu übernehmen sind, und dem Buchwert der Anteile an der übertragenden Körperschaft. Der Wert der übergegangenen Wirtschaftsgüter bleibt jedoch außer Ansatz, soweit er auf Anteile an der übertragenden Körperschaft entfällt, die am steuerlichen Übertragungsstichtag nicht zum Betriebsvermögen der übernehmenden natürlichen Person gehören (§ 4 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 9 Abs. 1 UmwStG 2002).

Die 48 %-Beteiligung an der GmbH, die dem Steuerpflichtigen schon vor dem Erbfall zuzurechnen war, gehörte am steuerlichen Übertragungsstichtag zwar ursprünglich nicht zu dessen Betriebsvermögen. Gemäß § 5 Abs. 2 (i.V.m. § 9 Abs. 1) UmwStG 2002 gelten diese Anteile aber als am steuerlichen Übertragungsstichtag in das Betriebsvermögen des übernehmenden Steuerpflichtigen mit den Anschaffungskosten eingelegt. Sie sind daher nach § 4 Abs. 4 Satz 3 UmwStG 2002 in die Ermittlung des Übernahmeergebnisses einzubeziehen.

Darüber hinaus folgt aus § 5 Abs. 2 UmwStG 2002, dass auch der weitere Anteil im Umfang von 52 % des Stammkapitals, der bis zum Erbfall dem V zuzurechnen war, in die Ermittlung des Übernahmeergebnisses des Steuerpflichtigen einzubeziehen ist. Denn der Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2002 "zwanglos" erfasst auch solche Anteile, die der übernehmenden natürlichen Person am steuerlichen Übertragungsstichtag noch gar nicht gehörten.

Dabei konnte der BFH offenlassen, ob § 5 Abs. 1 UmwStG 2002 in der Weise ausgelegt werden kann, dass der dort verwendete Begriff "angeschafft" auch unentgeltliche Erwerbe umfasst.
Verlag Dr. Otto Schmidt
Zurück