27.08.2020

Einkommensteuerliche Behandlung pauschaler Bonuszahlungen einer gesetzlichen Krankenkasse

Die von einer gesetzlichen Krankenkasse auf der Grundlage von § 65a SGB V gewährte Geldprämie (Bonus) für gesundheitsbewusstes Verhalten stellt auch bei pauschaler Ausgestaltung keine den Sonderausgabenabzug mindernde Beitragserstattung dar, sofern durch sie konkret der Gesundheitsmaßnahme zuzuordnender finanzieller Aufwand des Steuerpflichtigen ganz oder teilweise ausgeglichen wird.

Kurzbesprechung
BFH v. 6.5.2020 - X R 16/18

EStG § 3 Nr. 1 Buchst a, § 10 Abs 1 Nr. 3 S. 1 Buchst a, § 22 Nr. 3
SGB 5 § 65a
AO § 165 Abs 1 S. 2 Nr. 4


Der Steuerpflichtige ist gesetzlich krankenversichert. Unter Bezugnahme auf § 65a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) sah § 34 der im Streitjahr 2015 gültigen Satzung der Krankenkasse des Steuerpflichtigen u.a. für die Inanspruchnahme regelmäßiger Leistungen zur Früherkennung bestimmter Krankheiten, qualitätsgesicherter Präventionsmaßnahmen, bestimmter sonstiger qualitätsgesicherter Vorsorgeleistungen sowie bestimmter qualitätsgesicherter sportlicher Aktivitäten und Maßnahmen zur Unterstützung einer gesunden Lebensführung die Zahlung von Geldprämien (Boni) vor. Voraussetzung war, dass mindestens vier bonifizierbare Aktivitäten im Kalenderjahr durchgeführt wurden. Der Gesamtbonus war auf jährlich 300 € begrenzt. Der Nachweis war durch ein sog. Bonusheft zu führen, das in den Bereichen "Gesetzliche Vorsorge", "Private Vorsorge", "Aktive Lebensweise" und "Prävention" für die dort benannten Maßnahmen die jeweiligen Boni festlegte.

Das FA behandelte den Bonus --entsprechend der zuvor von der Krankenkasse vorgenommenen Datenübermittlung-- als Beitragserstattung und berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid des Streitjahres nur die insoweit geminderten Krankenversicherungsbeiträge als nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG abzugsfähige Sonderausgaben.

Der BFH hob die klagestattgebende Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies den Streitfall an das FG zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung zurück.

Beiträge zu Krankenversicherungen sind nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Satz 1 EStG als Sonderausgaben abzugsfähig, soweit diese zur Erlangung eines durch das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch bestimmten sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus erforderlich sind und sofern auf die Leistungen ein Anspruch besteht. Für Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung sind dies nach Satz 2 der Vorschrift die nach dem Dritten Titel des Ersten Abschnitts des Achten Kapitels SGB V oder die nach dem Sechsten Abschnitt des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte festgesetzten Beiträge.

Zu den Beiträgen gehören nicht nur die eigentlichen Prämien, sondern auch die üblichen mit dem Versicherungsverhältnis zusammenhängenden und vom Versicherten zu tragenden Nebenleistungen. Aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG, der Beiträge "zu" einer Krankenversicherung voraussetzt, folgt allerdings, dass nur solche Beiträge tatbestandlich sind, die zumindest im Zusammenhang mit der Erlangung des Versicherungsschutzes stehen Nach dem Eingangssatz des § 10 Abs. 1 EStG sind nur "Aufwendungen" als Sonderausgaben abzugsfähig. Hieraus sowie aus dem Zweck des § 10 EStG, bestimmte --die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen mindernde-- Privatausgaben vom Abzugsverbot des § 12 EStG auszunehmen, folgt, dass nur solche Ausgaben als Sonderausgaben zu berücksichtigen sind, durch die der Steuerpflichtige tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet ist.

Bei den in der Regel jährlich wiederkehrenden Sonderausgaben --wie vorliegend den Krankenversicherungsbeiträgen-- steht häufig die endgültige Belastung im Zahlungsjahr noch nicht fest, weil dem Steuerpflichtigen nach Ablauf des Veranlagungszeitraums ein Teil der Versicherungsbeiträge zurückerstattet werden kann. In diesen Fällen sind die erstatteten Beträge mit den im Jahr der Erstattung gezahlten Sonderausgaben belastungsmindernd zu verrechnen; ein Erstattungsüberhang ist nach Maßgabe des § 10 Abs. 4b EStG zu behandeln. Voraussetzung für eine solche Verrechnung ist allerdings, dass die Zahlung der Versicherung nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt auch als Beitragserstattung und nicht als eine hiervon losgelöste Leistung zu werten ist.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze stellt eine Prämienzahlung, die eine gesetzliche Krankenkasse ihrem Mitglied im Rahmen eines Wahltarifs gemäß § 53 Abs. 1 SGB V gewährt, keine Versicherungsleistung, sondern eine den Sonderausgabenabzug mindernde Beitragserstattung dar, weil diese im Zusammenhang mit der Erlangung des Versicherungsschutzes steht. Durch die Prämie ändert sich die Gegenleistung, die vom Mitglied zu erbringen ist, um den vereinbarten Krankenversicherungsschutz zu erhalten. Die Prämie wird gezahlt, da die Krankenversicherung vom Mitglied entweder nicht oder in einem geringeren Umfang in Anspruch genommen worden ist als dies der Fall gewesen wäre, wenn es keine Prämie gegeben hätte; hierdurch wird im Ergebnis der Beitrag des Mitglieds und damit dessen wirtschaftliche Belastung reduziert.

Dagegen hat der BFH die Bonuszahlung einer gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 65a SGB V in einem Fall, in dem nach den Versicherungsbedingungen der Bonus den Nachweis vorherigen Aufwands des Mitglieds für bestimmte Gesundheitsmaßnahmen voraussetzt, nicht als Beitragserstattung qualifiziert. In einem solchen Fall steht der Bonus nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Beiträgen zur Erlangung des Basiskrankenversicherungsschutzes, sondern ist als Erstattung der vom Mitglied getragenen gesundheitsbezogenen Aufwendungen und damit als eine --nicht die Höhe des Sonderausgabenabzugs beeinflussende-- Leistung der Krankenversicherung zu qualifizieren. Der Bonus mindert nicht die Krankenversicherungsbeiträge des Mitglieds, sondern lediglich dessen zusätzliche Gesundheitsaufwendungen.

Diese Rechtsprechung hat der BFH nun fortentwickelt und folgende Grundsätze aufgestellt:

Zweck der Ermächtigung für die Krankenkassen, Bonusmodelle gemäß § 65a SGB V in ihre Satzungen aufzunehmen, ist es, Anreize für ein gesundheitsbewusstes Verhalten der Versicherten zu schaffen. Durch die fakultative Teilnahme an einem Bonusprogramm bleibt der Umfang des Krankenversicherungsschutzes unberührt. Der Bonus wird --anders als bei klassischen Beitragserstattungen oder bei Prämien für Wahltarife nach § 53 Abs. 1 und 2 SGB V-- nicht etwa gezahlt, weil bestimmte Leistungen zu Lasten der Krankenkasse nicht in Anspruch genommen oder durch einen Selbstbehalt wirtschaftlich selbst getragen wurden, sondern --letztlich umgekehrt-- gerade weil der Versicherte bestimmte auf dem Gebiet der Gesundheitsprävention und des Gesundheitsbewusstseins liegende Maßnahmen und Aktivitäten ergriffen hat. Hierdurch erhoffen sich die Krankenkassen in mittelfristiger Hinsicht Einsparungen und Effizienzsteigerungen.

Dies vorangestellt, stehen satzungsgemäße Boni in diesem Sinne dann nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Beiträgen zur Erlangung des Basiskrankenversicherungsschutzes, wenn durch den jeweiligen Bonus eigene Kosten des Versicherten für die Inanspruchnahme entsprechender Gesundheitsmaßnahmen und Aktivitäten ausgeglichen werden. In diesem Fall wird durch den Bonus nicht nachträglich die Gegenleistung des Versicherten für die Erlangung seines Versicherungsschutzes herabgesetzt, so dass die hierauf bezogene wirtschaftliche Belastung unverändert bleibt.

Sieht das jeweilige Modell demzufolge Boni für die Inanspruchnahme gesundheitlicher Vorsorge- und Schutzmaßnahmen vor, die nicht vom Basiskrankenversicherungsschutz umfasst sind, so dass der Versicherte dementsprechend eigenen finanziellen (Gesundheits-)Aufwand zu tragen hat, ist der hierfür gezahlte Bonus ausschließlich mit den eigenen gesundheitsbestimmten Aufwendungen des Versicherten verknüpft; eine den Sonderausgabenabzug mindernde Beitragserstattung ist in diesem Fall ausgeschlossen. In dieser Fallgruppe hält es der Senat aus Vereinfachungs- und Praktikabilitätserwägungen für nicht erforderlich, dass der pauschale Bonus exakt den tatsächlichen Aufwand des Versicherten abdeckt. Vielmehr handelt es sich auch dann --in voller Höhe-- um eine Leistung der Krankenkasse, sollte der Bonus die Aufwendungen zwar im konkreten Einzelfall überkompensieren, sich bei überschlägiger Betrachtung aber als zumindest realitätsgerechte Pauschale erweisen. Unerheblich ist zudem der Zeitpunkt des Abflusses der eigenen Kosten.

Dieselben Grundsätze finden Anwendung, wenn Anlass für eine Bonuszahlung der Nachweis gesundheitsbewussten Verhaltens i.S. von § 65a SGB V ist (beispielsweise Mitgliedschaft in einem Sportverein oder einem Fitness-Studio). Voraussetzung hierfür ist allerdings ebenfalls, dass der Versicherte finanzielle Aufwendungen trägt, die konkret auf die Inanspruchnahme der jeweils geförderten Gesundheitsmaßnahme zurückzuführen sind. Auch insoweit steht der Bonus nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Beiträgen zur Erlangung des Krankenversicherungsschutzes, sondern gleicht --wenn ggf. auch nur zum Teil-- Kosten des Versicherten für die gesetzlich als förderungswürdig qualifizierte Gesundheitsmaßnahme aus. Insoweit müssen die erstatteten Aufwendungen weder materiell den außergewöhnlichen Belastungen zuzuordnen sein, noch ist es erforderlich, dass der Versicherte die Aufwendungen nur in Erwartung einer pauschalen Bonuszahlung durch seine Krankenversicherung getätigt hat. In Abgrenzung zu einer Beitragserstattung genügt es, dass der Bonus geeignet ist, Aufwendungen, die zumindest auch durch gesundheitsbewusstes Verhalten veranlasst sind, ganz oder teilweise auszugleichen.

Nimmt der Steuerpflichtige dagegen gesundheitliche Vorsorge- oder Schutzmaßnahmen in Anspruch, die Bestandteil des Basiskrankenversicherungsschutzes sind (z.B. Leistungen zur Früherkennung bestimmter Krankheiten nach § 25 SGB V, Schutzimpfungen gemäß § 20i SGB V oder Zahnvorsorgeuntersuchungen i.S. von §§ 21, 22 SGB V), fehlt es an eigenem --einer solchen Maßnahme konkret zuzuordnenden-- Gesundheitsaufwand, der durch einen hierfür gezahlten Bonus ausgeglichen werden könnte. Wird der Steuerpflichtige trotz oder gerade wegen der Inanspruchnahme solcher Versicherungsleistungen noch durch einen Bonus wirtschaftlich entlastet, stellt sich dies für ihn insoweit --anders als von der Vorinstanz vertreten-- als nachträgliche Herabsetzung seiner Gegenleistung für die Erlangung des Krankenversicherungsschutzes und damit als Beitragserstattung dar. Die insoweit gezahlten Boni sind mit den Krankenversicherungsbeiträgen im Rahmen von § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG zu verrechnen.

Gleiches gilt für Boni, die aufgrund des Nachweises eines aufwandsunabhängigen Verhaltens oder Unterlassens (z.B. gesundes Körpergewicht, Nichtraucherstatus) gezahlt werden. Auch insoweit ist ein Bonus nicht geeignet, eigenen Gesundheitsaufwand des Steuerpflichtigen auszugleichen.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund konnte der BFH im Streitfall nicht abschließend entscheiden, in welcher Höhe die dem Steuerpflichtigen für die einzelnen Maßnahmen gezahlten Boni als Leistungen der Krankenkasse bzw. als seinen Sonderausgabenabzug mindernde Beitragserstattungen einzuordnen sind. Denn das FG hatte keine Feststellungen dazu getroffen, für welche Gesundheitsmaßnahmen eigene Aufwendungen des Steuerpflichtigen angefallen sind. Diese Feststellungen sind im zweiten Rechtsgang nachzuholen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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