Einkünfte des ehrenamtlichen Bürgermeisters einer amtsangehörigen Gemeinde in Schleswig-Holstein fallen nicht unter § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG
Schleswig-Holsteinisches FG 17.12.2015, 5 K 127/13Der Kläger war in den Streitjahren 2009 bis 2011 ehrenamtlicher Bürgermeister einer schleswig-holsteinischen Gemeinde, die von einem Amt verwaltet wird. Er erhielt seit Januar 2009 mtl. 483 € als Aufwandsentschädigung. Das Amt behandelte davon 171 € als steuer- und sozialversicherungspflichtig und führte an die Knappschaft (Minijob-Zentrale) Rentenversicherungsbeiträge ab. Außerdem wurde für den Kläger pauschale Lohnsteuer einbehalten ("Minijob".
In ihren Einkommensteuererklärungen gingen die Kläger davon aus, dass die Einkünfte über die Minijobregelung abgegolten seien. Nach einer Lohnsteueraußenprüfung beim Amt ergingen geänderte Einkommensteuerbescheide, in denen Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit berücksichtigt wurden. Hiergegen richtet sich die Klage der Kläger.
Das FG gab der Klage statt. Die Revision zum BFH war gem. § 115 Abs. 2 Nr.1 und 2 FGO zugelassen worden. Zwischenzeitlich ist das Urteil rechtskräftig.
Die Gründe:
Bei den streitgegenständlichen Einnahmen des Klägers handelt es sich um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gem. § 19 EStG.
§ 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG enthält keinen abschließenden Katalog der in Betracht kommenden "Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit". Der BFH hat die Tätigkeit, die ein Bürgermeister auszuüben hat, der "sonstigen selbständigen Arbeit" i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zugeordnet, soweit dieser nach den einschlägigen kommunalrechtlichen Bestimmungen ausschließlich Mitglied und Vorsitzender eines Organs der Selbstverwaltung ist und - wie auch die anderen Ratsmitglieder - seine Tätigkeit nach dem Gesetz und seiner freien, nur durch Rücksicht auf das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung auszuüben hat.
Zur Rechtslage in Nordrhein-Westfalen hat der BFH entschieden, dass die Tätigkeit als ehrenamtlicher Bürgermeister und die Tätigkeit als stellvertretender ehrenamtlicher Bürgermeister nach der GO NRW der "sonstigen selbständigen Arbeit" i.S.d. § 18 Abs.1 Nr. 3 EStG zuzuordnen ist. Demgegenüber hat der BFH entschieden, dass die Verhältnisse der ehrenamtlichen Ersten Bürgermeister in Bayern aufgrund der GO Bayern anders zu beurteilen sind, da der Erste Bürgermeister noch eigene Verwaltungsbefugnisse hat. Er ist in dieser Eigenschaft i.S.d. § 1 Abs. 2 S. 1 LStDV im öffentlichen Dienst angestellt und bezieht in Form seiner Entschädigung bzw. Aufwandsentschädigung in dieser Eigenschaft Arbeitslohn. Demzufolge war die Tätigkeit des Klägers als ehrenamtlicher Bürgermeister vorliegend nicht als sonstige selbständige Arbeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG einzuordnen. Vielmehr hat der Kläger die Aufwandsentschädigung in den Streitjahren als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gem. § 19 EStG bezogen.
Nach der Rechtslage in Schleswig-Holstein ist der Kläger nicht ausschließlich Vorsitzender der Gemeindevertretung als des Organs der Selbstverwaltung, sondern er ist gem. § 7 GO SH selbst ein Organ der Gemeinde. Als Bürgermeister einer amtsangehörigen Gemeinde verbleiben ihm zahlreiche Verwaltungsaufgaben. Der Kläger hat als ehrenamtlicher Bürgermeister insoweit eine Doppelfunktion. Neben den in § 50 Abs. 1 GO aufgeführten Aufgaben hat der Bürgermeister weitere Zuständigkeiten, die ihm teilweise bei nach außen wirkenden Verwaltungsbefugnissen Behördeneigenschaft geben werden. Der Kläger hat diese Exekutivaufgaben auf mindestens 80 Prozent seiner gesamten Tätigkeit eingeschätzt, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Verwaltungsaufgaben überwiegen. So hat auch der BFH entschieden, dass der ehrenamtliche Bürgermeister in Bayern Arbeitslohn bezieht, da dieser neben seiner Mitgliedschaft im Gemeinderat noch eigene Verwaltungsbefugnisse hat. Auf den Umfang dieser Verwaltungstätigkeit hat der BFH dabei nicht abgestellt.
Darüber hinaus spricht auch der Status des Klägers als Ehrenbeamter für eine Eingliederung des Klägers in die kommunale Verwaltung und gegen eine sonstige selbständige Arbeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Im Übrigen wird diese rechtliche Beurteilung auch durch die Rechtsprechung der Sozialgerichte gestützt, auch wenn die sozial- und arbeitsrechtliche Einstufung eines Beschäftigungsverhältnisses keine Bindungswirkung für die steuerliche Würdigung hat. So hat das BSG entschieden, dass ein ehrenamtlicher Bürgermeister einer verbandsangehörigen Gemeinde in Sachsen, der eine steuerpflichtige Aufwandsentschädigung erhält, eine abhängige Beschäftigung gegen Entgelt ausübt.