Einstufung einer juristischen Person des privaten Rechts als sonstige Einrichtung des öffentlichen Rechts im Sinne des Art.s 13 MwStSystRL; EuGH-Rs. C-174/14, SaudaçoIII
BMF-SchreibenUStG § 2b
Mit Urteil vom 29. Oktober 2015 (EuGH-Rs. C-174/14, Saudaçor) hat der EuGH über eine Tätigkeit entschieden, die darin besteht, dass eine Gesellschaft an eine Region gemäß Programm-Verträgen, die sie mit ihr geschlossen hat, Dienstleistungen im Bereich der Planung und Verwaltung des regionalen Gesundheitsdienstes erbringt. Vorausgesetzt, dass die Tätigkeit als wirtschaftlich im Sinne von Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL anzusehen ist, wird sie von Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL als nicht mehrwertsteuerpflichtig erfasst, wenn diese Gesellschaft als Einrichtung des öffentlichen Rechts einzustufen ist und wenn sie die betreffende Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausübt. Zudem darf eine Behandlung der Tätigkeit als nichtsteuerbar nicht geeignet sein, zu größeren Wettbewerbsverzerrungen zu führen. In diesem Zusammenhang ist der Begriff der sonstigen Einrichtung des öffentlichen Rechts im Sinne von Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL nicht unter Heranziehung der Definition des Begriffs der Einrichtung des öffentlichen Rechts in Art. 1 Abs. 9 der Richtlinie 2004/18/EG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge auszulegen (Vergaberichtlinie). In dem Urteil vom 22. Februar 2018, C-182/17, Ntp. Nagyszénás, entschied der EuGH, dass Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL dahin auszulegen sei, dass - vorbehaltlich einer Überprüfung der relevanten tatsächlichen Umstände und des relevanten nationalen Rechts durch das vorlegende Gericht - eine Tätigkeit, die darin bestehe, dass ein Unternehmen aufgrund eines Vertrags zwischen ihm und einer Gemeinde bestimmte öffentliche Aufgaben wahrnimmt, nicht von der in dieser Bestimmung vorgesehenen Regel der Behandlung als nicht mehrwertsteuerpflichtig erfasst werde, wenn es sich bei dieser Tätigkeit um eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie handelt. Nachfolgend hat sich auch der BFH mit dieser Problematik auseinandergesetzt (BFH - Beschluss v. 21. 3. 2018, XI B 113/17).
Die Finanzverwaltung nimmt hierzu wie folgt Stellung:
Die Regelung des Art. 13 MwStSystRL ist durch § 2b UStG umgesetzt. Dabei handelt es sich um eine Einschränkung der nach § 2 Abs. 1 UStG grundsätzlich gegebenen Unternehmereigenschaft. Diese ist neben dem Vorliegen eines Leistungsaustauschs vorab nach den allgemeinen Regelungen zu prüfen. Juristische Personen des privaten Rechts werden von § 2b UStG grundsätzlich nicht erfasst. Ausnahmsweise kann sich eine juristische Person des privaten Rechts auf die Rechtsprechung des EuGH in der Rs. Saudaçor, C-174/14, berufen und wie eine juristische Person des öffentlichen Rechts nach § 2b Abs. 1 Satz 1 UStG behandelt werden. Der EuGH hat zwei Voraussetzungen benannt, die hierfür erfüllt sein müssen:
- die fragliche juristische Person ist eine Einrichtung des öffentlichen Rechts und
- die Vornahme der fraglichen Tätigkeiten erfolgt im Rahmen der öffentlichen Gewalt.
Kommt die zuständige Finanzbehörde zum Ergebnis, dass eine Berufung auf Art. 13 Abs. 1 Erster Unterabsatz MwStSystRL möglich ist, ist anschließend die Wettbewerbsprüfung nach § 2b Abs. 1 Satz 2 UStG vorzunehmen. Soweit § 2b UStG anwendbar ist, besteht kein Anspruch auf Abzug der Vorsteuerbeträge.
Bei der Prüfung ist zu beachten, dass § 2b UStG als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist. Entscheidend ist eine Gesamtbetrachtung im Einzelfall durch die zuständige Finanzbehörde.
Beruft sich eine juristische Person des privaten Rechts für Zeiträume vor dem 1. 1. 2017 auf Art. 13 Abs. 1 Erster Unterabschnitt MwStSystRL und erfüllt sie die Voraussetzungen einer Einrichtung des öffentlichen Rechts, sind die weiteren Voraussetzungen des Art. 13 MwStSystRL nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des BFH zur Unternehmereigenschaft von juristischen Personen des öffentlichen Rechts in richtlinienkonformer Auslegung des § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG zu prüfen.