11.11.2021

Entfallen des unberechtigten Steuerausweises

1. Hat der Rechnungsempfänger den Vorsteuerabzug geltend gemacht, ist der aufgrund des unberechtigten Steuerausweises geschuldete Steuerbetrag gemäß § 14c Abs. 2 UStG für den Zeitraum zu berichtigen, in dem der Rechnungsempfänger die Vorsteuer an das Finanzamt zurückzahlt. Auf den Zeitpunkt der Berichtigungsbeantragung beim Finanzamt oder den einer Rechnungsberichtigung kommt es nicht an.
2. Bei der Zustimmung des Finanzamts nach § 14c Abs. 2 Satz 5 UStG handelt es sich nicht um einen Grundlagenbescheid.

Kurzbesprechung
BFH v. 27.7.2021 - V R 43/19

UStG § 14c Abs 2
EGRL 112/2006 Art 203
FGO § 126a
AO § 168 S 2


Nach § 14c Abs. 2 Satz 3 UStG kann der aufgrund eines unberechtigten Steuerausweises gemäß § 14c Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG entstandene Steuerbetrag berichtigt werden, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist. Hierfür stellt § 14c Abs. 2 Satz 4 UStG darauf ab, dass ein Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist.

Die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrages ist gemäß § 14c Abs. 2 Satz 5 UStG beim FA gesondert schriftlich zu beantragen und nach dessen Zustimmung in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 UStG für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Voraussetzungen des § 14c Abs. 2 Satz 4 UStG eingetreten sind.

Hat der Rechnungsempfänger den Vorsteuerabzug geltend gemacht, ist der aufgrund des unberechtigten Steuerausweises geschuldete Steuerbetrag für den Zeitraum zu berichtigen, in dem der Rechnungsempfänger die Vorsteuer an das FA zurückzahlt.

Danach war im Streitfall der Anspruch auf die Berichtigung des sich aus dem unberechtigten Steuerausweis ergebenden Steuerbetrages bereits im Jahr 2010 entstanden. Die Gefährdungslage war durch Rückzahlung des vom Rechnungsempfänger zu Unrecht in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs bereits im Jahr 2010 beseitigt worden. Damit kam eine Berichtigung für das Streitjahr nicht in Betracht.

Für den Streitfall, in dem es bei einem durchgeführten Vorsteuerabzug i.S. von § 14c Abs. 2 Satz 4 Fall 2 UStG auf eine Rückzahlung ankommt, sieht der BFH hierin keine Abweichung zu dem § 14c Abs. 2 Satz 4 Fall 1 UStG betreffenden BFH-Urteil vom 08.11.2016 - VII R 34/15, BStBl II 2017, 496, Rz 20, in dem der BFH für den Fall, dass die Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs zu einer Steuervergütung führt, der das FA die nach § 168 Satz 2 AO erforderliche Zustimmung verweigert, auf die rechtskräftige Bestätigung dieser Verwaltungsentscheidung abgestellt hat, worüber im Streitfall nicht zu entscheiden war.

Das FG war auch nicht zu einer Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO verpflichtet. Die Zustimmung nach § 14c Abs. 2 Satz 5 UStG kann zwar ein eigenständiger Verwaltungsakt sein. Es handelte sich aber im Streitfall nicht um einen Grundlagenbescheid, der zu einer Verfahrensaussetzung nach § 74 FGO führen kann. § 14c Abs. 2 Satz 5 UStG macht die gesondert schriftlich zu beantragende Steuerberichtigung von einer Zustimmung des FA abhängig. Damit trägt diese Vorschrift den Besonderheiten des umsatzsteuerrechtlichen Anmeldeverfahrens Rechnung.

Im Streitfall war in der Zustimmung nach § 14c Abs. 2 Satz 5 UStG kein eigenständiger Grundlagenbescheid zu sehen, der für das nachfolgende Festsetzungsverfahren durch Vor- und Steueranmeldung bindend wäre. Für eine derartige Eigenständigkeit besteht keine sachliche Rechtfertigung, da diese Zustimmung nur der Überwachung des Erklärungsverhaltens des Unternehmers dient. Zudem geht es nicht darum, die Sachkunde anderer Behörden zu nutzen, wie es etwa auf die Bescheinigungen nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG und § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG zutrifft, bei denen es sich um Grundlagenbescheide handelt.

Jede andere Sichtweise würde die Handhabung des Besteuerungsverfahrens ohne sachliche Rechtfertigung erschweren. Die Zustimmung des FA ist daher auch nicht als materiell-rechtliche Voraussetzung für die Berichtigung anzusehen.

Daher ist es dem FA möglich, über den bei ihm gestellten Antrag durch einen eigenständigen Verwaltungsakt zu entscheiden. Zwingend ist dies aber nicht. Es kann sich auch dafür entscheiden, seine Zustimmung stillschweigend durch den Erlass eines Änderungsbescheids zu erteilen, wie es im Streitfall für das Jahr 2010 erfolgt ist.

Hierdurch werden die Möglichkeiten des Rechnungsausstellers zur Erlangung effektiven Rechtsschutzes nicht beeinträchtigt. Denn sieht er wie im Streitfall die zeitliche Zuordnung des Berichtigungsanspruchs durch das FA als unzutreffend an, kann er für den von ihm als zutreffend erachteten Zeitraum (vorliegend 2011) bei einer unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steueranmeldung einen Änderungsantrag nach § 164 Abs. 2 AO (wie im Streitfall) stellen. Es ist dann wie im Streitfall über die zeitliche Zuordnung des Berichtigungsanspruchs zu entscheiden, wobei im Erfolgsfall der andere Steuerbescheid (hier die Steuerfestsetzung für das Jahr 2010) ggf. nach § 174 AO zu ändern ist.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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