14.03.2018

Entgeltliche Mieterdienstbarkeit als grunderwerbsteuerrechtliche Gegenleistung

Verpflichtet sich der Grundstückskäufer im Zusammenhang mit dem Grundstückskaufvertrag, dem Mieter eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit gegen angemessenes Entgelt zu bestellen, liegt darin keine Gegenleistung für das Grundstück i.S.v. § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Nur wenn das Entgelt für die Dienstbarkeit unangemessen niedrig ist, kann die Verpflichtung, die Dienstbarkeit zu bestellen, eine zusätzliche Gegenleistung darstellen.

BFH 6.12.2017, II R 55/15
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte im März 2013 ein mit einem Lebensmittelmarkt, Kfz-Stellplätzen und einer Tankstelle bebautes Grundstück für über 7 Mio. € erworben. Das Grundstück war an eine Handelsgesellschaft vermietet. Außerdem bestellten die Veräußerin und die Klägerin zugunsten der Mieterin eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit. Damit wurde der Mieterin das Recht eingeräumt, das Grundstück durch Einrichtung, Betrieb und Unterhaltung eines Einzelhandelsgeschäfts mit Kundenparkplätzen und einer Tankstelle mit Waschanlage zu nutzen. Dafür hatte die Mieterin dem jeweiligen Eigentümer statt der Miete ein Entgelt zu zahlen, das sich wegen der Höhe nach dem zwischen dem jeweiligen Eigentümer und der Mieterin geschlossenen Mietvertrag richten sollte.

Am gleichen Tag schloss die Klägerin mit der Mieterin einen neuen Mietvertrag über die Nutzung des Grundstücks. Als Beginn des Mietverhältnisses wurde der Tag des Besitzübergangs aus dem Grundstückskaufvertrag zwischen Veräußerin und Klägerin bestimmt. Das Mietverhältnis sollte am 31.5.2031 enden. Der Mietzins betrug jährlich 535.000 € zzgl. Umsatzsteuer. Außerdem sollte die der Mieterin eingeräumte Dienstbarkeit nach Beendigung des Mietvertrags erlöschen. Davon ausgenommen war die Beendigung des Mietvertrags durch Kündigung nach § 111 InsO oder nach § 57a ZVG.

Das Finanzamt setzte die Grunderwerbsteuer auf 731.711 € fest. Für die Berechnung der Bemessungsgrundlage rechnete es dem Kaufpreis den Wert der Mieterdienstbarkeit i.H.v. 6,2 Mio. € als sonstige Leistung hinzu. Den Wert der Mieterdienstbarkeit errechnete die Behörde durch Ansatz des Jahreswertes i.H.v. 535.000 € und Multiplikation mit dem sich aus § 13 Abs. 1 BewG für zeitlich befristete, wiederkehrende Leistungen ergebenden Vervielfältiger.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH erfolglos.

Gründe:
Zutreffend war das FG davon ausgegangen, dass der Wert der Mieterdienstbarkeit nicht in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einzubeziehen ist.

Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist nach § 8 Abs. 1 GrEStG die Gegenleistung. Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung u.a. der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Danach gehören alle Leistungen des Erwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage), die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben.

Als sonstige Leistungen i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sind alle Verpflichtungen des Käufers anzusehen, die zwar nicht unmittelbar Kaufpreis für das Grundstück im bürgerlich-rechtlichen Sinne, aber gleichwohl Entgelt für den Erwerb des Grundstücks sind. Der Erwerb des Grundstücks und die Gegenleistung müssen kausal verknüpft sein. Dabei ist nicht ausschlaggebend, was die Vertragschließenden als Gegenleistung für das Grundstück bezeichnen, sondern zu welchen Leistungen sie sich verpflichtet haben.

Daher gehören alle Leistungen des Käufers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage), die dieser als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks gewährt. Leistungen des Käufers, die nicht den der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang betreffen, insbesondere also für eine andere Leistung aufgewendet werden als für die Verpflichtung, Besitz und Eigentum an dem Grundstück zu verschaffen, scheiden demgegenüber aus der Gegenleistung aus.

Infolgedessen stellt die Verpflichtung des Grundstückskäufers, dem Mieter eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit gegen angemessenes Entgelt zu bestellen, keine Gegenleistung für das Grundstück i.S.v. § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG dar. Zwar kann eine dem Veräußerer des Grundstücks gegenüber eingegangene Verpflichtung, einen Vertrag mit einem Dritten abzuschließen, grundsätzlich als sonstige Leistung einzustufen sein und damit zur Gegenleistung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gehören. Eine solche Gegenleistung liegt bei einer Verpflichtung des Grundstückskäufers zur Eingehung eines gegenseitigen Vertrags mit einem Dritten vor, wenn gewichtige Umstände eine Unausgewogenheit der wechselseitigen vertraglichen Verpflichtungen zwischen dem Grundstückskäufer und dem Dritten erkennen lassen und der Grundstückskäufer die höherwertige Leistung erbringt.

Demgegenüber ist eine Verpflichtung des Grundstückskäufers zum Abschluss eines Vertrags mit einem Dritten keine Gegenleistung, wenn sich die Verpflichtungen der Vertragspartner in einem ausgewogenen Verhältnis gegenüberstehen; in diesem Fall findet kein auf den Erwerbsgegenstand bezogener Wertzufluss oder -abfluss statt. Entsprechendes gilt, wenn sich der Grundstückskäufer im Zusammenhang mit dem Grundstückskaufvertrag verpflichtet, dem Mieter eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit gegen angemessenes Entgelt zu bestellen. Der Grundstückskäufer, dem das Entgelt zusteht und zufließt, erbringt insoweit keine zusätzliche Leistung für den Erwerb des Grundstücks. Nur wenn das Entgelt für die Dienstbarkeit unangemessen niedrig ist, kann die Verpflichtung, die Dienstbarkeit zu bestellen, eine zusätzliche Gegenleistung darstellen. In einem solchen Fall wäre der Wert der Dienstbarkeit nicht nach dem vollen Entgelt, sondern nur nach der Differenz zwischen dem angemessenen und dem vereinbarten Entgelt zu bemessen.

Im vorliegenden Fall sollte die dingliche Mieterdienstbarkeit lediglich den schuldrechtlichen Mietvertrag absichern, und zwar für den Fall der Kündigung durch den Erwerber nach Veräußerung im Insolvenzverfahren (§ 111 InsO) oder im Falle der Zwangsversteigerung nach § 57a ZVG. Eine weitergehende Bedeutung hatte die Mieterdienstbarkeit nicht. Sie war eng mit dem Bestand des Mietvertrags verbunden, denn nach den mietvertraglichen Vereinbarungen sollte sie mit dessen Beendigung erlöschen, mit Ausnahme einer Beendigung nach § 57a ZVG oder § 111 InsO. Anhaltspunkte dafür, dass zwischen der Nutzungsüberlassung und dem Entgelt für die Dienstbarkeit, das nach der jeweils vereinbarten Miete richtet, ein unangemessenes Verhältnis zu Lasten der Steuerpflichtigen besteht, bestanden im Streitfall nicht, so dass die Steuerpflichtige mit der Bestellung der Dienstbarkeit keine sonstige Leistung an die Veräußerin für den Erwerb des Grundstücks erbracht hatte.

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