27.10.2016

Entlastungsanspruch des Verwenders von Energieerzeugnissen setzt keine Festsetzung und Entrichtung der Energiesteuer voraus

Für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der nachweislichen Versteuerung in § 51 Abs. 1 EnergieStG ist die Entstehung der Energiesteuer für das verwendete Energieerzeugnis nicht ausreichend. Der Entlastungsanspruch nach § 51 Abs. 1 EnergieStG entsteht mit der Verwendung des von einem Lieferer in der Regel gegen Rechnung bezogenen Energieerzeugnisses und ist nicht von der Festsetzung und Entrichtung der für das bezogene Energieerzeugnis entstandenen Energiesteuer abhängig.

BFH 20.9.2016, VII R 7/16
Der Sachverhalt:
Die Klägerin machte im Jahr 2011 gegenüber dem beklagten Hauptzollamt eine Steuervergütung für das 2. Quartal 2011 geltend. Für die von der Klägerin bezogenen und nach § 51 Abs. 1 des Energiesteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EnergieStG) bezogenen Erdgasmengen meldete der Versorger die Energiesteuer am 30.5.2012 an.

Im Januar 2013 stellte die Klägerin einen berichtigten Antrag für das 2. Quartal 2011 sowie erstmals einen Entlastungsantrag für das 3. Quartal 2011. Der Versorger gab am 4. Juni 2013 eine entsprechend korrigierte Steueranmeldung ab. Das Hauptzollamt lehnte die Entlastungsanträge unter Hinweis auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung ab. Auf den daraufhin eingelegten Einspruch setzte es die Steuerentlastung für das 3. Quartal 2011 fest und wies den Rechtsbehelf im Übrigen als unbegründet zurück.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Auf die Revision des Hauptzollamts hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Die Entstehung des Entlastungsanspruchs nach § 51 Abs. 1 EnergieStG setzt nicht voraus, dass die entstandene Energiesteuer festgesetzt oder bereits entrichtet worden ist. Im Streitfall sind die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche durch Eintritt der Festsetzungsverjährung erloschen.

Um insbesondere Vergütungsansprüche für steuerfrei bezogene Energieerzeugnisse auszuschließen, enthält die Entlastungsregelung des § 51 Abs. 1 EnergieStG das Merkmal, dass eine Steuerentlastung (nur) für nachweislich versteuerte Energieerzeugnisse gewährt wird. In Bezug auf dieses Tatbestandsmerkmal ist dem EnergieStG keine Definition zu entnehmen, so dass eine Deutung des Begriffs der Versteuerung geboten ist, die sich an dem Sinn und Zweck der Entlastungsregelung orientiert. Nicht ausreichend für die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals ist die Entstehung der Steuer. Denn nur aufgrund der Erfüllung eines Steuerentstehungstatbestandes, z.B. auch durch eine unrechtmäßige Entnahme von Energieerzeugnissen oder Strom in den steuerrechtlich freien Verkehr, kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Erzeugnisse buchmäßig erfasst worden sind, so dass eine ordnungsgemäße Versteuerung gewährleistet werden kann. Vielmehr müssen Umstände hinzutreten, die die Steuerentstehung verifizieren.

Entgegen der Auffassung des FG ist der Begriff der Versteuerung nicht dahin auszulegen, dass es eines die Energiesteuer festsetzenden Steuerbescheids bzw. der Abgabe einer Steueranmeldung durch den Lieferer oder gar der Entrichtung der Energiesteuer bedarf. Die Entstehung des Vergütungsanspruchs kann nicht von der Festsetzung der Steuer durch einen Steuerbescheid oder der Abgabe einer Steueranmeldung durch den Lieferer abhängig gemacht werden. Der Entlastungsanspruch entsteht vielmehr bereits mit der steuerbegünstigten Verwendung des Energieerzeugnisses, wobei unterstellt werden kann, dass in diesem Zeitpunkt die vom Lieferer nach § 79 Abs. 2 EnergieStV zu führenden Aufzeichnungen ausreichende Gewähr für die Durchsetzung des Steueranspruchs bieten. Würde vom Verwender der Nachweis der Steuerfestsetzung oder der Entrichtung der Steuer durch den Lieferer bzw. Versorger gefordert, wäre das energiesteuerrechtliche Entlastungsverfahren nur mit einem erheblichen Aufwand durchführbar und kaum praktikabel.

Vorliegend hat die Klägerin das von ihr bezogene Erdgas im Jahr 2011 zu steuerbegünstigten Zwecken i.S.d. § 51 Abs. 1 EnergieStG verwendet. Demnach begann die einjährige Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des 31.12.2011 und endete mit Ablauf des 31.12.2012. Im Januar 2013, in dem die Klägerin erstmals für das 3. Quartal 2011 einen Entlastungsantrag gestellt hat, war demnach die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der Antragstellung bereits abgelaufen, so dass der für diesen Zeitraum geltend gemachte Entlastungsanspruch infolge des Eintritts der Festsetzungsverjährung nach § 47 AO erloschen ist. Soweit die Klägerin im Januar 2013 für das 2. Quartal 2011 die ursprüngliche Steueranmeldung berichtigt und einen entsprechend geänderten Antrag gestellt hat, ist der Antrag nicht wie erforderlich vor Ablauf der Festsetzungsverjährungsfrist gestellt worden. Mit dem Ablauf der Festsetzungsfrist entfiel nach § 164 Abs. 4 S. 1 AO der Vorbehalt der Nachprüfung. Einen Antrag nach § 164 Abs. 2 S. 2 AO auf Änderung der nunmehr endgültigen Festsetzung konnte die Klägerin von diesem Zeitpunkt an nicht mehr mit Erfolg stellen, so dass auch hinsichtlich der im 2. Quartal 2011 verwendeten Erdgasmengen Festsetzungsverjährung eingetreten ist.

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