17.11.2011

Erbschaft nach einem Elternteil stellt keinen kindergeldrechtlichen Bezug dar

Die Beteiligung am Nachlass nach einem verstorbenen Elternteil führt nicht zu einem Bezug des Kindes i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG. Dieses Ergebnis vermeidet rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten, die auftreten können, wenn der Nachlass keine oder nur geringe liquide Mittel enthält, die das Kind für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung einsetzen könnte.

BFH 4.8.2011, III R 22/10
Der Sachverhalt:
Der Kläger hat zwei Söhne, die sich im Jahr 2006 in der Ausbildung befanden. Im Mai 2006 verstarb die Mutter, die frühere Ehefrau des Klägers. Zum Nachlass der Mutter, an dem die Söhne zu je 3/8 beteiligt waren, gehörten zwei Eigentumswohnungen, Wertpapiere (ca. 140.000 €), Bausparguthaben (ca. 42.000 €), Lebensversicherungen sowie Guthaben bei Kreditinstituten (ca. 31.000 €).

Der Kläger bezog bis Juli 2007 Kindergeld für den Sohn S. Nach dem Tod der Mutter beantragte er auch für den C. Kindergeld für Juni bis Dezember 2006. Bis Mai 2006 hatte die Mutter Kindergeld für C. erhalten. Die Familienkasse lehnte den Antrag für C. ab. Außerdem hob sie die Kindergeldfestsetzung für S. für das Jahr 2006 auf. Die Behörde war der Ansicht, unter Berücksichtigung der Erbschaft hätten die jeweiligen Einkünfte und Bezüge von S. und C. den Jahresgrenzbetrag von 7.680 € nach § 32 Abs. 4 S. 2 EStG überschritten.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision der Familienkasse blieb vor dem BFH erfolglos.

Die Gründe:
Die Nachlassbeteiligung der Söhne des Klägers führte nicht zu einem Überschreiten der Einkünfte- und Bezügegrenze nach § 32 Abs. 4 S. 2 EStG.

Beim kindergeldrechtlichen Bezug sind Unterhaltsleistungen der Eltern an ihre Kinder nicht einzubeziehen. Ebenso wenig sind freiwillige, über die gesetzliche Unterhaltspflicht hinausgehende Leistungen eines Elternteils als Bezüge des Kindes anzusetzen. Sie beeinflussen die Kindergeldberechtigung des anderen Elternteils nicht. Vermögensübertragungen von Eltern auf ihre Kinder sind bei Ermittlung der Bezüge des Kindes allgemein außer Betracht zu lassen, anzusetzen sind allein Zuflüsse "von außen", sofern sie zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung geeignet oder bestimmt sind.

Ein Zufluss von Vermögenswerten, der bei einem Kind dadurch eintritt, dass er einen Elternteil beerbt, ist für Zwecke der Freibetragsgewährung nach § 32 Abs. 6 EStG und des Kindergeldes nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 EStG ebenso außer Betracht zu lassen wie Schenkungen seitens der Eltern zu deren Lebzeiten. Auch im Erbfall nach einem Elternteil liegt kein Zufluss von dritter Seite vor. Dieses Ergebnis vermeidet rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten, die auftreten können, wenn der Nachlass keine oder nur geringe liquide Mittel enthält, die das Kind für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung einsetzen könnte.

Infolgedessen brauchte nicht im Einzelfall entschieden zu werden, in welchem Umfang ein Kind gehalten ist, ererbte liquide Mittel zu verbrauchen, ebenso wenig, ob es verpflichtet ist, nicht liquide Nachlassgegenstände zu verwerten. Zudem wäre es insbesondere dann, wenn der überlebende kindergeldberechtigte Elternteil mit den Kindern eine Erbengemeinschaft bildet, nicht sachgerecht, ihm die Beteiligung seiner Kinder am Nachlass entgegenzuhalten.

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