05.11.2021

Erhöhung der Verbindlichkeit aus einem Fremdwährungsdarlehen als Folge der europäischen Staatsschuldenkrise

Eine Teilwertzuschreibung wegen voraussichtlich dauernder Werterhöhung von Verbindlichkeiten aus Fremdwährungsdarlehen ist zulässig, wenn der Euro-Wert gegenüber der Fremdwährung aufgrund einer fundamentalen Änderung der wirtschaftlichen oder währungspolitischen Daten der beteiligten Währungsräume gesunken ist. Eine solche Änderung ist anzunehmen, wenn sich die Verhältnisse zwischen den betroffenen Währungsräumen aus Sicht des Bilanzstichtages so außerordentlich und nachhaltig geändert haben, dass nicht angenommen werden kann, der Wechselkurs zu dem Zeitpunkt der Eingehung der Verbindlichkeit werde sich ohne Weiteres wieder einstellen.

BFH v. 10.6.2021 - IV R 18/18
Der Sachverhalt:
Die klagende GmbH & Co. KG ermittelt ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Am 21.12.1999 nahm die Klägerin bei der A-Bank ein Fremdwährungsdarlehen in Schweizer Franken (CHF) im Wert von 1 Mio. DM (rd. 511.000 €) auf. Dies entsprach einem Auszahlungsbetrag von rd. 821.000 CHF. Am 29.8.2006 nahm die Klägerin zur Umschuldung dieses Darlehens über 821.000 CHF bei der B-Bank in selbiger Höhe ein (neues) Fremdwährungsdarlehen in CHF auf. Nach dem Umrechnungskurs dieses Tages betrug der Rückzahlungsbetrag rd. 520.000 €. Eine Zinsbindung wurde zunächst bis 28.8.2007 vereinbart. Danach sollte, bei Fehlen einer speziellen Abrede zur Zinsbindung, für jeweils drei Monate ein Zinssatz in Abhängigkeit von dem Drei-Monats-Libor gelten.

Eine Kündigung war für beide Seiten mit einer Frist von sieben Bankarbeitstagen zum Ende einer vereinbarten Zinsbindung oder bei Verzinsung nach dem Drei-Monats-Libor zum Ende jeder Zinsperiode zulässig. In einer weiteren Vereinbarung vom 29.8.2008 wurde der Zinssatz für fünf Jahre bis zum 30.8.2013 auf 4,8 % festgeschrieben. Eine Tilgung war erst zum Ende der Laufzeit vorgesehen. Zum 31.12.2010 war der Kurswert des CHF gegenüber dem Euro erheblich gestiegen. Ausgehend von einem Kurswert von 1 € = rd. 1,24645 CHF bewertete die Klägerin die Fremdwährungsverbindlichkeit gegenüber der B-Bank in ihrer zum 31.12.2010 aufgestellten Handelsbilanz daher mit rd. 659.000 €. In ihrer Feststellungserklärung für das Jahr 2010 bewertete sie sie dagegen mit rd. 639.000 € (1 € = rd. 1,28513 CHF), da sie davon ausging, dass es sich bei der Wertänderung zwischen dem Bilanzstichtag 31.12.2010 und dem Tag der Erstellung der Handelsbilanz (28.04.2011) um einen werterhellenden Umstand handele.

Nach einer bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die Voraussetzungen einer Teilwertzuschreibung für das Fremdwährungsdarlehen nicht gegeben seien. Es ging deshalb für die steuerrechtliche Betrachtung zum Bilanzstichtag 31.12.2010 davon aus, dass das Fremdwährungsdarlehen nur mit dem ursprünglichen Wert vom 21.12.1999 i.H.v. rd. 511.000 € fortzuführen sei.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das FG hat zu Recht die geltend gemachte Teilwertzuschreibung anerkannt.

Der höhere Ansatz einer Verbindlichkeit aus einem Fremdwährungsdarlehen (sog. Teilwertzuschreibung) ist dann zulässig, wenn der Euro-Wert gegenüber der Fremdwährung aufgrund einer fundamentalen Änderung der wirtschaftlichen oder währungspolitischen Daten der beteiligten Währungsräume gesunken ist. Eine solche Änderung ist anzunehmen, wenn sich die Verhältnisse zwischen den betroffenen Währungsräumen aus Sicht des Bilanzstichtages so außerordentlich und nachhaltig geändert haben, dass nicht angenommen werden kann, der Wechselkurs zu dem Zeitpunkt der Eingehung der Verbindlichkeit werde sich ohne Weiteres wieder einstellen. Dies gilt für alle Fremdwährungsdarlehen, d.h. unabhängig davon, ob es sich um ein Darlehen mit unbestimmter oder mit bestimmter Restlaufzeit handelt und ob die Restlaufzeit mindestens zehn Jahre oder weniger beträgt.

Nach ständiger BFH-Rechtsprechung dürfen in einer Steuerbilanz Verbindlichkeiten, die in einer anderen Währung als dem Euro zu erfüllen sind, nur dann mit einem höheren Wert als dem Wert im Zeitpunkt ihrer Begründung ausgewiesen werden, wenn die zum jeweiligen Bilanzstichtag aufgetretenen Änderungen des Wechselkurses voraussichtlich dauerhaft sind. Daran fehlt es regelmäßig bei langfristigen Fremdwährungsverbindlichkeiten. Denn bei ihnen kann grundsätzlich angenommen werden, dass sich die Wertunterscheide bis zum Zeitpunkt der Darlehensrückzahlung wieder ausgeglichen haben werden. Eine voraussichtlich dauernde Wertänderung, die zur Teilwertzuschreibung einer Fremdwährungsverbindlichkeit berechtigt, kann aber angenommen werden, wenn sich die Währungsdaten zwischen dem Euro-Währungsraum und der Fremdwährung - vorliegend dem Schweizer Franken - so fundamental ändern, wie dies zum Bilanzstichtag 31.12.2010 wegen der europäischen Staatsschuldenkrise der Fall war.
BFH PM Nr. 39 vom 28.10.2021
Zurück