14.03.2012

Erlass einer Prüfungsanordnung kann wegen Verstoßes gegen das Willkür- und Schikaneverbot rechtswidrig sein

Eine Außenprüfung (hier bei einem selbständigen Rechtsanwalt) muss dem Zweck dienen, die steuerlichen Verhältnisse des Geprüften aufzuklären. Lässt sich das Finanzamt von anderen, sachfremden Erwägungen leiten, kann dies gegen das Willkür- und Schikaneverbot verstoßen mit der Folge, dass die Anordnung rechtswidrig ist.

BFH 28.9.2011, VIII R 8/09
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist selbständiger Rechtsanwalt. Auf der Grundlage der Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2001 bis 2003 hatte das Finanzamt zunächst entsprechende Steuerbescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen. Einige Monate später kündigte die Betriebsprüfungsstelle dem Kläger die Durchführung einer Außenprüfung an.

Als Gründe für die Prüfungsbedürftigkeit wurden intern Verluste bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in den Jahren 1999 bis 2003 benannt sowie die Erklärung des Klägers, er nutze die Hälfte seines Einfamilienhauses für betriebliche Zwecke. Ferner wurde unter den sonstigen Gründen "heftiger Widerstand seitens des Steuerpflichtigen bei erstmalig angesetzter Betriebsprüfung!!!" angeführt.

Der Kläger war der Ansicht, die Durchführung einer Außenprüfung sei unverhältnismäßig. Er habe detailliert und nachvollziehbar dargelegt, dass seine steuerlichen Verhältnisse seit Jahren unverändert und bekannt seien. Das Finanzamt habe die Prüfung bei ihm nur angeordnet, weil er einen Beamten der Finanzverwaltung vertrete, der behaupte, vom Vorsteher seines Amts gemobbt worden zu sein. Zwei weitere Mandanten von ihm hätten sich mit entsprechenden Vorwürfen an den Petitionsausschuss gewandt und Erfolg gehabt. Zeitgleich habe die Finanzverwaltung u.a. Außenprüfungen bei den beiden mit den Petitionen befassten Abgeordneten und dem Vorsitzenden des Petitionsausschusses veranlasst.

Das FG wies die Klage ab. Es war der Ansicht, bei freiberuflich tätigen Steuerpflichtigen wie dem Kläger sei eine Außenprüfung ohne weitere Voraussetzungen zulässig. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Die Gründe:
Die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung erforderte weitere tatsächliche Feststellungen.

Ob und in welchem Umfang eine Außenprüfung bei einem Steuerpflichtigen angeordnet wird, ist eine Ermessensentscheidung, die in den Anwendungsbereich des § 102 FGO fällt. Dabei prüft das Gericht, ob die gesetzlichen Grenzen der Ermessensvorschrift eingehalten wurden und ob die Behörde das ihr eingeräumte Ermessen unter Beachtung des Gesetzeszwecks fehlerfrei ausgeübt hat.

Im vorliegenden Fall hatte das Finanzamt die äußeren Grenzen des Ermessens nicht überschritten. Denn nach § 193 Abs. 1 AO ist eine Außenprüfung unter anderem zulässig bei Steuerpflichtigen, die - wie der Kläger - freiberuflich tätig sind. Weitere Anforderungen enthält die Norm nicht. Infolgedessen wäre die Prüfungsanordnung auch nicht ermessensfehlerhaft, wenn sich - wie der Kläger behauptet - bei einer Prüfung ein allenfalls nur geringfügiges steuerliches Mehrergebnis ergäbe. Denn eine Prüfungsanordnung bedarf zu ihrer Begründung grundsätzlich nicht der voraussichtlichen Erzielung eines steuerlichen Mehrergebnisses, weil sie auch die Verifikation der Angaben des Steuerpflichtigen bezweckt.

Allerdings muss eine Außenprüfung dem Zweck dienen, die steuerlichen Verhältnisse des Geprüften aufzuklären. Lässt sich das Finanzamt von anderen, sachfremden Erwägungen leiten, kann dies gegen das Willkür- und Schikaneverbot verstoßen mit der Folge, dass die Anordnung rechtswidrig ist. Die Behauptung des Klägers, das Finanzamt habe bei Erlass der Prüfungsanordnung gegen das Willkür- und Schikaneverbot verstoßen, war nach seinen umfänglichen, konkretisierten Ausführungen zu tatsächlichen Besonderheiten nicht von der Hand zu weisen. Das FG hatte hierzu jedoch keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, weil es davon ausgegangen war, dass "eine Außenprüfung das Willkürverbot erst dann verletzt, wenn sicher feststeht, dass das Ergebnis einer Außenprüfung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt umgesetzt werden kann". Diese Auffassung hielt der revisionsrechtlichen Überprüfung allerdings nicht stand.

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BFH PM Nr. 15 vom 14.3.2012
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