17.05.2011

Ernsthafte Zweifel an der Richtlinienkonformität der nur beschränkten Steuerbefreiung für Krankenhausumsätze

Es bestehen ernstliche Zweifel daran, dass die Krankenhausumsätze einer Privatklinik, die nicht dem persönlichen Anwendungsbereich der nationalen Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG 2009 unterfällt, mit Umsatzsteuer belastet werden dürfen. Fraglich erscheint insbesondere, ob die Vorschrift im Hinblick auf ihren beschränkten persönlichen Anwendungsbereich vom nationalen Gesetzgeber richtlinienkonform umgesetzt worden ist.

FG Münster 18.4.2011, 15 V 111/11 U
Der Sachverhalt:
Streitig ist, ob die im Streitjahr 2009 von der Antragstellerin erzielten Umsätze nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG 2009 steuerfrei sind. Die Antragstellerin ist eine GmbH und betreibt eine Klinik. Sie erzielte im Streitjahr nach ihren Angaben ca. 35 Prozent ihrer Umsätze aus Leistungen gegenüber gesetzlich krankenversicherten Personen, ca. 24 Prozent aus Leistungen gegenüber Beihilfeberechtigten und ca. 40 Prozent aus Leistungen gegenüber rein privat krankenversicherten Personen. Nach den von ihr vorgelegten Unterlagen wurden Leistungen gegenüber gesetzlich krankenversicherten Personen auch von gesetzlichen Krankenkassen sowie Berufsgenossenschaften übernommen.

In der Umsatzsteuer-Erklärung für das Jahr 2009 erklärte die Antragstellerin steuerpflichtige Umsätze i.H.v. rd. 550.000 € und steuerfreie Umsätze i.H.v. rd. 2,5 Mio. €. Es ergab sich eine Umsatzsteuerschuld i.H.v. rd. 58.600 € sowie aufgrund der geleisteten Vorauszahlungen ein Erstattungsanspruch i.H.v. 339 €. Nach Auffassung des Finanzamts sind die von der Antragstellerin erbrachten Krankenhausumsätze und ärztlichen Heilbehandlungsleistungen umsatzsteuerpflichtig, da sie - was unstreitig ist - nicht die persönlichen Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG erfüllt, insbes. keine "Einrichtung des öffentlichen Rechts" ist.

Das FG gab dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Umsatzsteuer-Bescheids 2009 statt. Das FG ließ die Beschwerde zum BFH wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zu.

Die Gründe:
Die in dem angefochtenen Bescheid besteuerten Krankenhausumsätze einschließlich der ärztlichen Heilbehandlungsleistungen sind zwar nicht nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG steuerfrei, weil es sich bei der Antragstellerin unstreitig nicht um eine Einrichtung des öffentlichen Rechts handelt und sie auch nicht zu den in § 4 Nr. 14 Buchst. b S. 2 UStG genannten Einrichtungen gehört. Ernstlich zweifelhaft ist aber, ob sich die Antragstellerin für die Steuerbefreiung der Umsätze nicht unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL berufen kann, weil die Regelung des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG nicht gemeinschaftsrechtskonform ist und die Antragstellerin die unter Art. 132 Abs. 1 Buchst. b genannten Bedingungen erfüllt.

Fraglich erscheint insbes., ob § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG im Hinblick auf seinen beschränkten persönlichen Anwendungsbereich vom nationalen Gesetzgeber richtlinienkonform umgesetzt worden ist. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verbietet es, dass Wirtschaftsunternehmen, die die gleichen Leistungen unter vergleichbaren Umständen erbringen, bei der Umsatzbesteuerung unterschiedlich behandelt werden. Der generelle Steuerbefreiungsausschluss für Umsätze von Privatkliniken könnte diesem Grundsatz entgegenstehen.

Art. 132 Abs. 1 Buchst. b der insofern maßgeblichen Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie gibt vor, dass die Umsätze privatrechtlich organisierter Krankenanstalten von der Umsatzsteuer zu befreien sind, wenn sie unter Bedingungen erbracht werden, die auch für ein öffentlich-rechtliches Krankenhaus gelten. Aus diesem Grunde kann sich die Antragstellerin - zunächst jedenfalls für Zwecke des einstweiligen Rechtsschutzes - unmittelbar auf diese Richtlinie berufen.

Linkhinweis:

Rechtsprechungsdatenbank NRW
Zurück