30.09.2013

Erschütterung des durch die Postzustellungsurkunde gelieferten Beweises für die Übergabe des Schriftstücks nur durch Gegenbeweis

Die Beweiskraft, die der Urkunde nach § 418 ZPO zukommt, erstreckt sich auch auf die Übergabe des Schriftstücks an die in der Zustellungsurkunde genannte Person. Ein Gegenbeweis kann nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt werden.

BFH 10.7.2013, VII B 11/13
Der Sachverhalt:
Der Kläger wurde vom Finanzamt nach § 69 AO für rückständige Umsatzsteuern einer KG als Geschäftsführer der Komplementärin der KG in Haftung genommen. Den ersten Haftungsbescheid von Februar 2009 nahm das Finanzamt gem. § 130 Abs. 1 AO zurück. Am 31.3.2009 erließ das Finanzamt einen neuen Haftungsbescheid, in dem es die Ermessensausübung näher begründete. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger erst mit Schreiben vom 2.6.2010 Einspruch ein; gleichzeitig beantragte er vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Zur Begründung trug er vor, den Haftungsbescheid erst in der mündlichen Verhandlung am 10.5.2010, bei der es um die Anfechtung einer vom Finanzamt erlassenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung ging, erhalten zu haben. Unter Ablehnung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verwarf das Finanzamt den Einspruch als unzulässig.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Bekanntgabe des Haftungsbescheids sei nach § 122 Abs. 5 AO i.V.m. § 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes am 4.4.2009 durch Zustellung mittels Postzustellungsurkunde erfolgt. Den erforderlichen Gegenbeweis durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen habe der Kläger nicht führen können. Sein bloßes Bestreiten des Zugangs reiche hierfür nicht aus. Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision. Da er im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen habe, sich an die Übergabe eines Schriftstücks durch einen Zusteller der Post nicht erinnern zu können, hätte das FG den Zusteller als Zeugen vernehmen müssen.

Die Beschwerde hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des Klägers hätte sich dem FG eine Vernehmung des Zustellers als Zeugen für die Zustellung des Haftungsbescheids vom 31.3.2009 nicht von Amts wegen aufdrängen müssen. Den Sachverhalt hat es hinreichend aufgeklärt. Dabei durfte es sich mit der Würdigung des Inhalts der Zustellungsurkunde nach § 182 Abs. 1 S. 1 ZPO, die den vollen Beweis für die in ihr bezeugten Tatsachen erbringt begnügen. Die Beweiskraft, die der Urkunde nach § 418 ZPO zukommt, erstreckt sich auch auf die Übergabe des Schriftstücks an die in der Zustellungsurkunde genannte Person.

Ein Gegenbeweis kann nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt werden. Einen solchen Gegenbeweis hat der Kläger vor dem FG nicht ansatzweise geführt, sondern sich lediglich darauf berufen, den Haftungsbescheid nicht erhalten zu haben und sich an die Zustellung nicht erinnern zu können. Zu Recht hat das FG darauf hingewiesen, diesem Vorbringen könne eine erforderliche Substantiierung nicht entnommen werden. Eine weitere Sachaufklärung musste es aus seiner maßgeblichen Sicht nicht betreiben.

Im Übrigen hat der Kläger ausweislich des Sitzungsprotokolls keine Beweisanträge gestellt und damit sein Rügerecht verloren. Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO) hat die Unterlassung der rechtzeitigen Rüge den endgültigen Rügeverlust - z.B. auch zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde - zur Folge.

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