Erste Tätigkeitsstätte bei Ableistung von Arbeitsbereitschafts- und Bereitschaftsruhezeiten
Kurzbesprechung
BFH v. 26. 10. 2022 - VI R 48/20
EStG § 9 Abs 1 S 3 Nr. 4 S 1, § 9 Abs 1 S 3 Nr. 4 S 2, § 9 Abs 4 S 1, § 9 Abs 4 S 2, § 9 Abs 4 S 3
Der Steuerpflichtige ist in A als Feuerwehrmann angestellt. Im Streitjahr (2016) war er an 112 Tagen in der Feuerwache B eingesetzt. In seiner Einkommensteuererklärung machte er Fahrtkosten in Höhe von 1.008 € nach Reisekostengrundsätzen geltend. Das FA setzte hingegen nur die Entfernungspauschale in Höhe von 504 € an. Im Klageverfahren gab das FG der Klage statt.
Der BFH hob hingegen die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies den Streitfall zur weiteren Sachaufklärung zurück.
Erste Tätigkeitsstätte ist nach der Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 AktG) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Ortsfeste betriebliche Einrichtungen sind räumlich zusammengefasste Sachmittel, die der Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten dienen und mit dem Erdboden verbunden oder dazu bestimmt sind, überwiegend standortgebunden genutzt zu werden.
Die Zuordnung zu einer solchen Einrichtung wird gemäß § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. Einer gesonderten Zuordnung für einkommensteuerliche Zwecke bedarf es nicht. Die arbeitsrechtliche Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers als solche muss für ihre steuerliche Wirksamkeit auch nicht dokumentiert werden.
Ist der Arbeitnehmer einer bestimmten Tätigkeitsstätte arbeitsrechtlich zugeordnet, kommt es aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers für die erste Tätigkeitsstätte auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit, die der Arbeitnehmer dort ausübt oder ausüben soll, nicht an. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören.
Von einer dauerhaften Zuordnung ist ausweislich der in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG aufgeführten Regelbeispiele insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll.
Eine Zuordnung ist unbefristet i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 3 1. Alternative EStG, wenn die Dauer der Zuordnung zu einer Tätigkeitsstätte aus der maßgeblichen Sicht ex ante nicht kalendermäßig bestimmt ist und sich auch nicht aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt.
Im Streitfall trugen die tatsächlichen Feststellungen des FG nicht dessen Schlussfolgerung, dass der Steuerpflichtige der Feuerwache B nicht dauerhaft zugeordnet worden ist und somit seine Fahrtkosten nach Reisekostengrundsätzen geltend machen konnte.
Das FG hatte eine (dauerhafte) Zuordnung des Steuerpflichtigen zur Feuerwache B allein mit der Begründung verneint, er sei nach dem Arbeitsvertrag verpflichtet, nach entsprechender Einzelanweisung seinen Dienst an vier verschiedenen Einsatzstellen zu leisten, und sich dabei auf die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen gestützt. Darin wird als Beschäftigungsdienststelle/-ort allgemein auf die verschiedenen Standorte hingewiesen, an denen der Steuerpflichtige eingesetzt werden kann. Aufgrund dieser arbeitsvertraglichen Regelung mag er zum Dienst an verschiedenen ortsfesten betrieblichen Einrichtungen des Arbeitsgebers verpflichtet sein. Ob der Arbeitgeber den Steuerpflichtigen jedoch einer dieser betrieblichen Einrichtungen tatsächlich zugeordnet hat, lässt sich dieser Bestimmung nicht entnehmen. Sie rechtfertigt auch nicht den vom FG gezogenen (Umkehr-)Schluss, der Steuerpflichtige sei keiner dieser betrieblichen Einrichtungen zugeordnet worden. Denn allein der Umstand, dass ein Arbeitnehmer auf Weisung seines Arbeitgebers in unterschiedlichen betrieblichen Einrichtungen tätig werden soll, steht seiner Zuordnung zu einer dieser betrieblichen Einrichtungen durch den Arbeitgeber nicht entgegen.
Der BFH hob daher die Entscheidung der Vorinstanz auf, da er aufgrund der Feststellungen des FG nicht entscheiden konnte, ob es zu Recht davon ausgegangen ist, der Steuerpflichtige sei B nicht zugeordnet worden. Das FG wird nun im zweiten Rechtsgang festzustellen haben, ob der Steuerpflichtige aus der Sicht ex ante B im Streitjahr zugeordnet war und sodann ob es sich in diesem Fall um eine dauerhafte Zuordnung handelte.
Gelangt das FG im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis, dass eine solche dauerhafte Zuordnung vorlag, ist hinsichtlich der Frage, ob der Steuerpflichtige dort in dem erforderlichen Umfang tätig geworden ist, zu beachten, dass nach Auffassung des BFH bei einem Angehörigen der Betriebs-/Werksfeuerwehr auch die Arbeitsbereitschafts- und Bereitschaftsruhezeiten, soweit diese an der ersten Tätigkeitsstätte abzuleisten sind, Tätigkeiten i.S. des § 9 Abs. 4 EStG darstellen, die arbeitsvertraglich geschuldet sind und dem Berufsbild der Betriebs-/Werksfeuerwehr entsprechen.
Sollte das FG eine solche dienstrechtliche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte nicht feststellen können oder ist sie nicht eindeutig, wird es des Weiteren zu prüfen haben, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Abs. 4 Satz 4 Nr. 1 oder Nr. 2 EStG vorgelegen haben.
Verlag Dr. Otto Schmidt
EStG § 9 Abs 1 S 3 Nr. 4 S 1, § 9 Abs 1 S 3 Nr. 4 S 2, § 9 Abs 4 S 1, § 9 Abs 4 S 2, § 9 Abs 4 S 3
Der Steuerpflichtige ist in A als Feuerwehrmann angestellt. Im Streitjahr (2016) war er an 112 Tagen in der Feuerwache B eingesetzt. In seiner Einkommensteuererklärung machte er Fahrtkosten in Höhe von 1.008 € nach Reisekostengrundsätzen geltend. Das FA setzte hingegen nur die Entfernungspauschale in Höhe von 504 € an. Im Klageverfahren gab das FG der Klage statt.
Der BFH hob hingegen die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies den Streitfall zur weiteren Sachaufklärung zurück.
Erste Tätigkeitsstätte ist nach der Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 AktG) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Ortsfeste betriebliche Einrichtungen sind räumlich zusammengefasste Sachmittel, die der Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten dienen und mit dem Erdboden verbunden oder dazu bestimmt sind, überwiegend standortgebunden genutzt zu werden.
Die Zuordnung zu einer solchen Einrichtung wird gemäß § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. Einer gesonderten Zuordnung für einkommensteuerliche Zwecke bedarf es nicht. Die arbeitsrechtliche Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers als solche muss für ihre steuerliche Wirksamkeit auch nicht dokumentiert werden.
Ist der Arbeitnehmer einer bestimmten Tätigkeitsstätte arbeitsrechtlich zugeordnet, kommt es aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers für die erste Tätigkeitsstätte auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit, die der Arbeitnehmer dort ausübt oder ausüben soll, nicht an. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören.
Von einer dauerhaften Zuordnung ist ausweislich der in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG aufgeführten Regelbeispiele insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll.
Eine Zuordnung ist unbefristet i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 3 1. Alternative EStG, wenn die Dauer der Zuordnung zu einer Tätigkeitsstätte aus der maßgeblichen Sicht ex ante nicht kalendermäßig bestimmt ist und sich auch nicht aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt.
Im Streitfall trugen die tatsächlichen Feststellungen des FG nicht dessen Schlussfolgerung, dass der Steuerpflichtige der Feuerwache B nicht dauerhaft zugeordnet worden ist und somit seine Fahrtkosten nach Reisekostengrundsätzen geltend machen konnte.
Das FG hatte eine (dauerhafte) Zuordnung des Steuerpflichtigen zur Feuerwache B allein mit der Begründung verneint, er sei nach dem Arbeitsvertrag verpflichtet, nach entsprechender Einzelanweisung seinen Dienst an vier verschiedenen Einsatzstellen zu leisten, und sich dabei auf die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen gestützt. Darin wird als Beschäftigungsdienststelle/-ort allgemein auf die verschiedenen Standorte hingewiesen, an denen der Steuerpflichtige eingesetzt werden kann. Aufgrund dieser arbeitsvertraglichen Regelung mag er zum Dienst an verschiedenen ortsfesten betrieblichen Einrichtungen des Arbeitsgebers verpflichtet sein. Ob der Arbeitgeber den Steuerpflichtigen jedoch einer dieser betrieblichen Einrichtungen tatsächlich zugeordnet hat, lässt sich dieser Bestimmung nicht entnehmen. Sie rechtfertigt auch nicht den vom FG gezogenen (Umkehr-)Schluss, der Steuerpflichtige sei keiner dieser betrieblichen Einrichtungen zugeordnet worden. Denn allein der Umstand, dass ein Arbeitnehmer auf Weisung seines Arbeitgebers in unterschiedlichen betrieblichen Einrichtungen tätig werden soll, steht seiner Zuordnung zu einer dieser betrieblichen Einrichtungen durch den Arbeitgeber nicht entgegen.
Der BFH hob daher die Entscheidung der Vorinstanz auf, da er aufgrund der Feststellungen des FG nicht entscheiden konnte, ob es zu Recht davon ausgegangen ist, der Steuerpflichtige sei B nicht zugeordnet worden. Das FG wird nun im zweiten Rechtsgang festzustellen haben, ob der Steuerpflichtige aus der Sicht ex ante B im Streitjahr zugeordnet war und sodann ob es sich in diesem Fall um eine dauerhafte Zuordnung handelte.
Gelangt das FG im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis, dass eine solche dauerhafte Zuordnung vorlag, ist hinsichtlich der Frage, ob der Steuerpflichtige dort in dem erforderlichen Umfang tätig geworden ist, zu beachten, dass nach Auffassung des BFH bei einem Angehörigen der Betriebs-/Werksfeuerwehr auch die Arbeitsbereitschafts- und Bereitschaftsruhezeiten, soweit diese an der ersten Tätigkeitsstätte abzuleisten sind, Tätigkeiten i.S. des § 9 Abs. 4 EStG darstellen, die arbeitsvertraglich geschuldet sind und dem Berufsbild der Betriebs-/Werksfeuerwehr entsprechen.
Sollte das FG eine solche dienstrechtliche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte nicht feststellen können oder ist sie nicht eindeutig, wird es des Weiteren zu prüfen haben, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Abs. 4 Satz 4 Nr. 1 oder Nr. 2 EStG vorgelegen haben.