EU-rechtswidrig einbehaltene Steuern sind mit 6 % zu verzinsen
FG Köln v. 17.11.2021, 2 K 1544/20
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine in Österreich ansässige Gesellschaft. Sie hatte zwischen 2009 und 2012 beim Bundeszentralamt für Steuern in Bonn (BZSt) verschiedene Anträge auf Freistellung und Erstattung von deutscher Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag gestellt. Diese Anträge wurden zunächst unter Hinweis auf die Vorschrift des § 50d Abs. 3 EStG abgelehnt. Die hiergegen gerichteten Einsprüche hatten Mitte 2018 Erfolg und führten zu Steuererstattungen, nachdem der EuGH die Unvereinbarkeit des § 50d Abs. 3 EStG mit dem Unionsrecht festgestellt hatte.
Im Anschluss beantragte die Klägerin zusätzlich die Festsetzung von Erstattungszinsen. Das Bundeszentralamt lehnte eine Verzinsung ab. Nachdem es über den hiergegen eingelegten Einspruch unter Verweis auf Erörterungen der Finanzverwaltung auf Bund-/Länderebene nicht entschieden hatte, stellte die Klägerin nach knapp 20 Monaten gerichtlich mit einer sog. Untätigkeitsklage den Antrag, den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 22.10.2018 zu verpflichten, den Erstattungsanspruch wegen Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag zu verzinsen.
Das FG gab der Klage statt. Allerdings wurde die Revision zugelassen. Sie ist unter dem Az. I R 50/21 beim BFH anhängig.
Die Gründe:
Die Klägerin hat einen Verzinsungsanspruch. Ihr steht ein unmittelbar aus dem EU-Recht begründeter Anspruch auf Verzinsung der unionsrechtswidrig einbehaltenen Kapitalertragsteuer i.H.v. 0,5 % pro Monat (entsprechend 6 % pro Jahr) zu.
Da der deutsche Gesetzgeber diese Fälle nicht spezialgesetzlich geregelt hat, muss auf die allgemeinen Verzinsungsgrundsätze der AO zurückgegriffen werden. Der Zinslauf beginnt dabei regelmäßig an dem Tag der zu Unrecht geleisteten Abgabenzahlung. Sofern Steuerpflichtige für die Kapitalertragsteuer das gesetzlich vorgesehene Freistellungsverfahren nicht in Anspruch genommen haben, ist dem BZSt vor dem Beginn der Verzinsung allerdings in entsprechender Anwendung der vom BFH für den Bereich der Energiesteuerentlastung herausgearbeiteten Grundsätze (vgl. BFH-Urteil vom 22.10.2019, VII R 24/18) ein angemessener Zeitraum von vier Monaten und zehn Arbeitstagen für die Bearbeitung des Erstattungsantrages zuzubilligen.
Hintergrund:
Nach der EuGH-Rechtsprechung verstößt § 50d Abs. 3 EStG gegen die Niederlassungsfreiheit und die Kapitalverkehrsfreiheit (vgl. EuGH-Urteile vom 20.12.2017, C 504/16 (Deister Holding) und C 613/16 (Juhler Holding) sowie EuGH-Beschluss vom 14.6.2018, C-440/17 (GS)) und ist daher nur eingeschränkt anwendbar. Die dort aufgestellte generelle Missbrauchsvermutung kann im Einzelfall durch den Steuerpflichtigen erfolgreich widerlegt werden.
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FG Köln - Pressemitteilung v. 26.1.2022
Die Klägerin ist eine in Österreich ansässige Gesellschaft. Sie hatte zwischen 2009 und 2012 beim Bundeszentralamt für Steuern in Bonn (BZSt) verschiedene Anträge auf Freistellung und Erstattung von deutscher Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag gestellt. Diese Anträge wurden zunächst unter Hinweis auf die Vorschrift des § 50d Abs. 3 EStG abgelehnt. Die hiergegen gerichteten Einsprüche hatten Mitte 2018 Erfolg und führten zu Steuererstattungen, nachdem der EuGH die Unvereinbarkeit des § 50d Abs. 3 EStG mit dem Unionsrecht festgestellt hatte.
Im Anschluss beantragte die Klägerin zusätzlich die Festsetzung von Erstattungszinsen. Das Bundeszentralamt lehnte eine Verzinsung ab. Nachdem es über den hiergegen eingelegten Einspruch unter Verweis auf Erörterungen der Finanzverwaltung auf Bund-/Länderebene nicht entschieden hatte, stellte die Klägerin nach knapp 20 Monaten gerichtlich mit einer sog. Untätigkeitsklage den Antrag, den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 22.10.2018 zu verpflichten, den Erstattungsanspruch wegen Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag zu verzinsen.
Das FG gab der Klage statt. Allerdings wurde die Revision zugelassen. Sie ist unter dem Az. I R 50/21 beim BFH anhängig.
Die Gründe:
Die Klägerin hat einen Verzinsungsanspruch. Ihr steht ein unmittelbar aus dem EU-Recht begründeter Anspruch auf Verzinsung der unionsrechtswidrig einbehaltenen Kapitalertragsteuer i.H.v. 0,5 % pro Monat (entsprechend 6 % pro Jahr) zu.
Da der deutsche Gesetzgeber diese Fälle nicht spezialgesetzlich geregelt hat, muss auf die allgemeinen Verzinsungsgrundsätze der AO zurückgegriffen werden. Der Zinslauf beginnt dabei regelmäßig an dem Tag der zu Unrecht geleisteten Abgabenzahlung. Sofern Steuerpflichtige für die Kapitalertragsteuer das gesetzlich vorgesehene Freistellungsverfahren nicht in Anspruch genommen haben, ist dem BZSt vor dem Beginn der Verzinsung allerdings in entsprechender Anwendung der vom BFH für den Bereich der Energiesteuerentlastung herausgearbeiteten Grundsätze (vgl. BFH-Urteil vom 22.10.2019, VII R 24/18) ein angemessener Zeitraum von vier Monaten und zehn Arbeitstagen für die Bearbeitung des Erstattungsantrages zuzubilligen.
Hintergrund:
Nach der EuGH-Rechtsprechung verstößt § 50d Abs. 3 EStG gegen die Niederlassungsfreiheit und die Kapitalverkehrsfreiheit (vgl. EuGH-Urteile vom 20.12.2017, C 504/16 (Deister Holding) und C 613/16 (Juhler Holding) sowie EuGH-Beschluss vom 14.6.2018, C-440/17 (GS)) und ist daher nur eingeschränkt anwendbar. Die dort aufgestellte generelle Missbrauchsvermutung kann im Einzelfall durch den Steuerpflichtigen erfolgreich widerlegt werden.
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