07.03.2012

EuGH-Vorlage zum Vorsteuerabzug aus Strafverteidigerkosten und zum Leistungsbezug durch mehrere Empfänger

Der BFH hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob ein Unternehmen, dessen Inhaber und Mitarbeiter sich zur Erlangung von Aufträgen ggf. wegen Bestechung strafbar gemacht haben, aus den zur Abwehr dieser Vorwürfe angefallenen Strafverteidigungskosten zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Die Frage betrifft die Bestimmung des von der EuGH-Rechtsprechung bei der Auslegung des Begriffs für "Zwecke seiner besteuerten Umsätze" i.S.v. Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG als maßgeblich erachteten direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung.

BFH 22.12.2011, V R 29/10
Der Sachverhalt:
Der Kläger war Einzelunternehmer und Mehrheitsgesellschafter einer GmbH. Der Kläger, X, und später auch P waren Geschäftsführer der GmbH, die im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit i.S.v. Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG steuerpflichtige Bauleistungen gegen Entgelt erbrachte. Zwischen dem Kläger und der GmbH bestand auf der Grundlage des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG eine sog. Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 2005. Der Kläger und die GmbH werden danach als ein Steuerpflichtiger behandelt, wobei den Kläger - als sog. Organträger - die steuerrechtlichen Verpflichtungen des aus seinem Einzelunternehmen und der GmbH bestehenden Gesamtunternehmens treffen.

Nach einem durch die GmbH ausgeführten Bauauftrag, eröffnete die Staatsanwaltschaft ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Kläger und P, da der Verdacht bestand, die GmbH habe zur Erlangung dieses Auftrags bei der Ausschreibung eines Bauprojekts vertrauliche Informationen über Konkurrenzangebote erhalten und habe diese deshalb bei der Ausschreibung unterbieten können. Die GmbH habe für die Erlangung dieser Informationen Zuwendungen geleistet, die strafrechtlich u.a. als "Bestechung" oder Beihilfe durch den Kläger, X und P zu würdigen seien. Die gegen den Kläger und gegen P eröffneten Strafverfahren wurden gem. § 153a StPO gegen Zahlung von Geldbeträgen eingestellt.

Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wurde der Kläger durch einen Rechtsanwalt und P durch eine Rechtsanwältin anwaltlich vertreten. Nach den bei der jeweiligen Mandatserteilung getroffenen Honorarvereinbarungen waren Auftraggeber des Rechtsanwalts der Kläger als Beschuldigter und die GmbH sowie Auftraggeber der Rechtsanwältin der Beschuldigte P und die GmbH. Beide Vereinbarungen waren auf Seiten der Auftraggeber nur für die GmbH, vertreten durch den Kläger und P als Geschäftsführer unterschrieben und mit dem Firmenstempel der GmbH versehen. Beide Rechtsanwälte erteilten über ihr Honorar jeweils eine an die GmbH adressierte Rechnung. Aus den Rechnungen der beiden Rechtsanwälte nahm der Kläger - als Organträger der GmbH - im Streitjahr 2005 den Vorsteuerabzug vor.

Vorlagefragen:
1. Bestimmt sich der von der EuGH-Rechtsprechung bei der Auslegung des Begriffs für "Zwecke seiner besteuerten Umsätze" i.S.v. Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG als maßgeblich erachtete direkte und unmittelbare Zusammenhang

  • nach dem objektiven Inhalt der vom Steuerpflichtigen bezogenen Leistung (hier: Tätigkeit eines Strafverteidigers, damit eine natürliche Person nicht strafrechtlich verurteilt wird) oder
  • nach dem Entstehungsgrund der bezogenen Leistung (hier: wirtschaftliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen, bei der angeblich eine Straftat durch eine natürliche Person begangen wurde)?

2. Falls es auf den Entstehungsgrund ankommt: Ist ein Steuerpflichtiger, der eine Leistung zusammen mit einem Angestellten in Auftrag gibt, gem. Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG zum vollen oder nur zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt und welche Anforderungen bestehen bei Bezug einer Leistung durch mehrere Empfänger an die Rechnungserteilung gem. Art. 22 Abs. 3 Buchst. b fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG?

Die Gründe:
Die Vorlage beim EuGH betrifft mithin die Frage, ob ein Unternehmen, dessen Inhaber und Mitarbeiter sich zur Erlangung von Aufträgen möglicherweise wegen Bestechung oder Vorteilsgewährung strafbar gemacht haben, aus den zur Abwehr dieser Vorwürfe angefallenen Strafverteidigungskosten zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Der EuGH ist zuständig für die Auslegung des hier zu berücksichtigenden Unionsrechts.

Für den Vorsteuerabzug spricht, dass die möglicherweise strafbaren Handlungen dazu dienten, die steuerpflichtige Umsatztätigkeit des Unternehmens zu fördern. Dagegen könnte angeführt werden, dass die Leistungen der Strafverteidiger unmittelbar nur den persönlichen Interessen der Beschuldigten dienten. Das Interesse des Unternehmens an der Straffreiheit seines Inhabers und seiner Mitarbeiter könnte dann als nur mittelbarer Zusammenhang für den Vorsteuerabzug unbeachtlich sein. Geklärt werden soll auch, wer bei einer Beauftragung durch mehrere Auftraggeber (hier: Beschuldigter und Unternehmen) zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

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BFH PM Nr. 14 vom 7.3.2012
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