17.10.2011

Fahrtkosten zur Baustelle können nach Dienstreisegrundsätzen abgezogen werden

Ein Monteur, der über einen längeren Zeitraum auf dem Betriebsgelände eines Kunden seines Arbeitgebers eingesetzt wird, hat dort keine regelmäßige Arbeitsstätte. Eine Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip ist nach dem Sinn und Zweck der Regelung nur dann gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitnehmer dauerhaft auf einen bestimmten Betriebsstandort einstellen und seine Wegekosten, etwa durch einen Umzug, verringern kann.

FG Münster 14.9.2011, 10 K 2037/10 E
Der Sachverhalt:
Der Kläger war als angestellter Monteur für die Inbetriebnahme und die Wartung industrieller Großanlagen verantwortlich. Hierzu war er im Streitjahr 2008 an insgesamt 223 Tagen in einem Baucontainer auf dem Betriebsgelände eines Kunden seines Arbeitgebers tätig. In seiner Einkommensteuererklärung machte der Kläger als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit u.a. Fahrtkosten im Rahmen einer Einsatzwechseltätigkeit i.H.v. 4.716 € geltend. Das Finanzamt berücksichtigte für die Fahrten allerdings nur einen Werbungskostenabzug i.H.d. Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG (0,30 € pro Entfernungskilometer), da es den Baucontainer als regelmäßige Arbeitsstätte ansah.

Der Kläger begehrte weiterhin die Berücksichtigung der Fahrtkosten nach Dienstreisegrundsätzen. Das FG gab der Klage statt.

Die Gründe:
Das Finanzamt hatte die Fahrten zu Unrecht als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG behandelt und insoweit zu Unrecht die Aufwendungen für die Fahrten dorthin lediglich in Höhe der Entfernungspauschale anerkannt.

Der Begriff "regelmäßige Arbeitsstätte" ist gesetzlich nicht definiert. Nach ständiger BFH-Rechtsprechung, der sich der erkennende Senat anschließt, ist eine regelmäßige Arbeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG "jede ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, d.h. fortdauernd und immer wieder aufsucht.

Die Baucontainer im vorliegenden Fall waren keine ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung. Der Begriff der ortsfesten dauerhaften betrieblichen Einrichtung ist auslegungsbedürftig. Angesichts des Wortlauts des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG, der nur von einer "regelmäßigen Arbeitsstätte" spricht, sind insoweit systematische und teleologische Erwägungen durchgreifend. Die Regelung zur Entfernungspauschale stellt systematisch eine Ausnahmeregelung zum objektiven Nettoprinzip dar. Als Ausnahmeregelung ist § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG restriktiv anzuwenden. Eine Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip ist nach dem Sinn und Zweck der Regelung nur dann gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitnehmer dauerhaft auf einen bestimmten Betriebsstandort einstellen und seine Wegekosten, etwa durch einen Umzug, verringern kann.

Die Baucontainer waren auf der einen Seite zwar insoweit ortsfest, als sie langfristig am selben Standort aufgebaut waren. Andererseits waren sie jedoch leicht abtransportierbar. Darüber hinaus war der Verbleib der Baucontainer auf dem Gelände von der Vertragsbeziehung zwischen dem Arbeitgeber des Klägers und dem Kunden abhängig. Infolgedessen fehlte es an der notwendigen Dauerhaftigkeit der Einrichtung. Weder für den Arbeitgeber noch für den Arbeitnehmer bestand insoweit eine gesicherte Planungsgrundlage. Der Kläger konnte sich nicht darauf einrichten, dauerhaft vor Ort tätig zu sein. Abzustellen war insoweit auf eine ex ante-Sicht.

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Newsletter FG Münster v. 17.10.2011
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