Fahrvergünstigungen für Ruhestandsbeamte des Bundeseisenbahnvermögens als Versorgungsbezüge
BFH v. 11.3.2020 - VI R 26/18
Der Sachverhalt:
Die Kläger sind Ehegatten, die für die Streitjahre 2015 und 2016 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Der Kläger war bis Ende Juni 1994 als Beamter für die Deutsche Bahn tätig. Im Juni 1994 schloss er mit der Deutsche Bahn Aktiengesellschaft (DB AG) einen Anstellungsvertrag. Das Bundeseisenbahnvermögen (BEV) beurlaubte den Kläger ab diesem Tag unter Wegfall der Besoldung aus seinem Beamtenverhältnis. Der Anstellungsvertrag enthielt u.a. folgende Bestimmungen:
"§ 7 Versorgung
(1) Die Versorgung aus dem Beamtenverhältnis bleibt als Grundsicherung aufgrund einer vom Präsidenten des Bundeseisenbahnvermögens getroffenen individuellen Entscheidung auch während der Dauer der Beurlaubung gewährleistet; die Gesellschaft entrichtet dafür den gesetzlich vorgesehenen Versorgungszuschlag (§ 21 Abs. 3 DBGrG).
§ 9 Nebenleistungen
(1) Herr ...[K] erhält eine persönliche Fahrkarte 1. Klasse für alle Eisenbahnstrecken und Buslinien der Gesellschaft. Das gilt auch für die Dauer des Bezugs des Ruhegeldes (§ 7).
(2) Soweit es sich bei den Nebenleistungen nach Abs. 1 um einen geldwerten Vorteil im steuerrechtlichen Sinne handelt, trägt K die darauf entfallenden Steuern selbst."
Nach § 4 des Anstellungsvertrags endete das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der DB AG mit dem Ende des Monats, in dem der Kläger das 65. Lebensjahr vollendete. Der Kläger arbeitete auf Grundlage des Anstellungsvertrags bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2004 für die DB AG. Nach seiner Pensionierung erhielt er Versorgungsbezüge vom BEV. Für die Streitjahre bescheinigte das BEV, dass es sich bei dem Arbeitslohn in voller Höhe um Versorgungsbezüge gehandelt habe. Einen gesonderten Ausweis der geldwerten Vorteile aus Sachbezügen enthielten die Lohnsteuerbescheinigungen nicht. Die entsprechenden Sachbezugswerte für die Jahresnetzkarte berechnete das BEV wie folgt:
Wert der Fahrkarte nach 4 % Abschlag gem. § 8 Abs. 3 EStG: 6.411,26 € (2015), 6.439,16 € (2016)
Freibetrag gem. § 8 Abs. 3 EStG: 1.080,00 € (2015), 1.080,00 € (2016)
Arbeitslohn durch Sachbezug: 5.331,26 € (2015), 5.359,16 € (2016)
Das Finanzamt veranlagte die Kläger entsprechend den Lohnsteuerbescheinigungen. Den Arbeitnehmer-Pauschbetrag gem. § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG i.H.v. 1.000 € berücksichtigte das Finanzamt nicht. Es setzte lediglich die klägerseits erklärten Werbungskosten i.H.v. 482 € für 2015 und i.H.v. 519 € für 2016 steuermindernd an. Die Kläger machen u.a. geltend, dass für die Sachbezüge abweichend von den tatsächlichen Werbungskosten für die Streitjahre jeweils der Arbeitnehmer-Pauschbetrag i.H.v. 1.000 € zu berücksichtigen sei.
Das FG wies die Klage ab. Die Revision der Kläger hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat zutreffend entschieden, dass dem Kläger der Arbeitnehmer-Pauschbetrag gem. § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG für die Sachbezüge in Gestalt der Jahresnetzkarte nicht zusteht, weil er in den Streitjahren bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ausschließlich Versorgungsbezüge bezogen hat. Die Vorinstanz hat die kostenlose Zurverfügungstellung der Jahresnetzkarten zu Recht als Versorgungsbezug angesehen.
Versorgungsbezüge sind u.a. gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG steuerbare Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen wegen Erreichens einer Altersgrenze, verminderter Erwerbsfähigkeit oder Hinterbliebenenbezüge (§ 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG). Bezüge wegen Erreichens einer Altersgrenze gelten erst dann als Versorgungsbezüge, wenn der Steuerpflichtige das 63. Lebensjahr oder, wenn er schwerbehindert ist, das 60. Lebensjahr vollendet hat. Sie können gem. § 8 Abs. 1 EStG in Geld und als Sachbezug auch in Geldeswert bestehen. Entscheidend für das Merkmal von Bezügen aus früheren Dienstleistungen wegen Erreichens einer Altersgrenze i.S.d. § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG ist, dass der Steuerpflichtige wegen Erreichens dieser Altersgrenze von der Verpflichtung zu Dienstleistungen entbunden worden ist. Das vom Arbeitgeber geleistete Entgelt stellt damit keine Gegenleistung für Dienstleistungen des Arbeitnehmers dar, die im gleichen Zeitraum geschuldet und erbracht werden.
Im Streitfall handelt es sich bei den Fahrvergünstigungen für Ruhestandsbeamte des Bundeseisenbahnvermögens in Form der kostenlosen Zurverfügungstellung der Jahresnetzkarten um einen Versorgungsbezug i.S.v. § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG. Der Kläger, der das 63. Lebensjahr vollendet hatte, war in den Streitjahren Versorgungsempfänger und als solcher nicht mehr zu Dienstleistungen verpflichtet. Den Anspruch auf die kostenlosen Jahresnetzkarten hatte er aufgrund des mit der DB AG im Juni 1994 geschlossenen Anstellungsvertrags erworben. Es handelt sich damit um einen Bezug aus früheren Dienstleistungen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Nach den Regelungen des Anstellungsvertrags erhielt der Kläger die Jahresnetzkarten auch für die Dauer des Bezugs des Ruhegeldes. Damit knüpft der Bezug der Jahresnetzkarten für die Zeiträume nach Erreichen der Altersgrenze (auch) an den Status des Klägers als Versorgungsempfänger an. Der Bezug der Jahresnetzkarten ergänzt (als Nebenleistung) des früheren Arbeitgebers des Klägers dessen Versorgung nach Eintritt in den Ruhestand.
Der Besteuerung der Jahresnetzkarten als Versorgungsbezug stand weder entgegen, dass der Kläger bereits während seiner aktiven Tätigkeit für die DB AG einen Anspruch auf die Jahresnetzkarten hatte, noch, dass der Anspruch in dem Arbeitsvertrag des Klägers mit der DB AG geregelt war. Vielmehr hat die Zurverfügungstellung der Jahresnetzkarten mit Eintritt des Klägers in den Ruhestand Versorgungscharakter, weil sie - ungeachtet ihrer Vereinbarung im Arbeitsvertrag - keine Gegenleistung für Dienstleistungen des Klägers (mehr) darstellt, die im gleichen Zeitraum geschuldet und erbracht wurden. Die kostenlose Zurverfügungstellung der Jahresnetzkarten war damit in den Streitjahren wie das Ruhegeld selbst als Versorgungsbezug anzusehen. Die kostenlosen Jahresnetzkarten stellen vorliegend Versorgungsbezüge nach § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG dar, die "in anderen Fällen" aus früheren Dienstleistungen wegen Erreichens einer Altersgrenze geleistet wurden. Der Kläger erhielt die kostenlosen Netzkarten insbesondere nicht aufgrund beamtenrechtlicher oder entsprechender gesetzlicher Vorschriften oder nach beamtenrechtlichen, sondern aufgrund seines Anspruchs aus den Regelungen des privatrechtlichen Anstellungsvertrags mit der DB AG.
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Die Kläger sind Ehegatten, die für die Streitjahre 2015 und 2016 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Der Kläger war bis Ende Juni 1994 als Beamter für die Deutsche Bahn tätig. Im Juni 1994 schloss er mit der Deutsche Bahn Aktiengesellschaft (DB AG) einen Anstellungsvertrag. Das Bundeseisenbahnvermögen (BEV) beurlaubte den Kläger ab diesem Tag unter Wegfall der Besoldung aus seinem Beamtenverhältnis. Der Anstellungsvertrag enthielt u.a. folgende Bestimmungen:
"§ 7 Versorgung
(1) Die Versorgung aus dem Beamtenverhältnis bleibt als Grundsicherung aufgrund einer vom Präsidenten des Bundeseisenbahnvermögens getroffenen individuellen Entscheidung auch während der Dauer der Beurlaubung gewährleistet; die Gesellschaft entrichtet dafür den gesetzlich vorgesehenen Versorgungszuschlag (§ 21 Abs. 3 DBGrG).
§ 9 Nebenleistungen
(1) Herr ...[K] erhält eine persönliche Fahrkarte 1. Klasse für alle Eisenbahnstrecken und Buslinien der Gesellschaft. Das gilt auch für die Dauer des Bezugs des Ruhegeldes (§ 7).
(2) Soweit es sich bei den Nebenleistungen nach Abs. 1 um einen geldwerten Vorteil im steuerrechtlichen Sinne handelt, trägt K die darauf entfallenden Steuern selbst."
Nach § 4 des Anstellungsvertrags endete das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der DB AG mit dem Ende des Monats, in dem der Kläger das 65. Lebensjahr vollendete. Der Kläger arbeitete auf Grundlage des Anstellungsvertrags bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2004 für die DB AG. Nach seiner Pensionierung erhielt er Versorgungsbezüge vom BEV. Für die Streitjahre bescheinigte das BEV, dass es sich bei dem Arbeitslohn in voller Höhe um Versorgungsbezüge gehandelt habe. Einen gesonderten Ausweis der geldwerten Vorteile aus Sachbezügen enthielten die Lohnsteuerbescheinigungen nicht. Die entsprechenden Sachbezugswerte für die Jahresnetzkarte berechnete das BEV wie folgt:
Wert der Fahrkarte nach 4 % Abschlag gem. § 8 Abs. 3 EStG: 6.411,26 € (2015), 6.439,16 € (2016)
Freibetrag gem. § 8 Abs. 3 EStG: 1.080,00 € (2015), 1.080,00 € (2016)
Arbeitslohn durch Sachbezug: 5.331,26 € (2015), 5.359,16 € (2016)
Das Finanzamt veranlagte die Kläger entsprechend den Lohnsteuerbescheinigungen. Den Arbeitnehmer-Pauschbetrag gem. § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG i.H.v. 1.000 € berücksichtigte das Finanzamt nicht. Es setzte lediglich die klägerseits erklärten Werbungskosten i.H.v. 482 € für 2015 und i.H.v. 519 € für 2016 steuermindernd an. Die Kläger machen u.a. geltend, dass für die Sachbezüge abweichend von den tatsächlichen Werbungskosten für die Streitjahre jeweils der Arbeitnehmer-Pauschbetrag i.H.v. 1.000 € zu berücksichtigen sei.
Das FG wies die Klage ab. Die Revision der Kläger hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat zutreffend entschieden, dass dem Kläger der Arbeitnehmer-Pauschbetrag gem. § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG für die Sachbezüge in Gestalt der Jahresnetzkarte nicht zusteht, weil er in den Streitjahren bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ausschließlich Versorgungsbezüge bezogen hat. Die Vorinstanz hat die kostenlose Zurverfügungstellung der Jahresnetzkarten zu Recht als Versorgungsbezug angesehen.
Versorgungsbezüge sind u.a. gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG steuerbare Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen wegen Erreichens einer Altersgrenze, verminderter Erwerbsfähigkeit oder Hinterbliebenenbezüge (§ 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG). Bezüge wegen Erreichens einer Altersgrenze gelten erst dann als Versorgungsbezüge, wenn der Steuerpflichtige das 63. Lebensjahr oder, wenn er schwerbehindert ist, das 60. Lebensjahr vollendet hat. Sie können gem. § 8 Abs. 1 EStG in Geld und als Sachbezug auch in Geldeswert bestehen. Entscheidend für das Merkmal von Bezügen aus früheren Dienstleistungen wegen Erreichens einer Altersgrenze i.S.d. § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG ist, dass der Steuerpflichtige wegen Erreichens dieser Altersgrenze von der Verpflichtung zu Dienstleistungen entbunden worden ist. Das vom Arbeitgeber geleistete Entgelt stellt damit keine Gegenleistung für Dienstleistungen des Arbeitnehmers dar, die im gleichen Zeitraum geschuldet und erbracht werden.
Im Streitfall handelt es sich bei den Fahrvergünstigungen für Ruhestandsbeamte des Bundeseisenbahnvermögens in Form der kostenlosen Zurverfügungstellung der Jahresnetzkarten um einen Versorgungsbezug i.S.v. § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG. Der Kläger, der das 63. Lebensjahr vollendet hatte, war in den Streitjahren Versorgungsempfänger und als solcher nicht mehr zu Dienstleistungen verpflichtet. Den Anspruch auf die kostenlosen Jahresnetzkarten hatte er aufgrund des mit der DB AG im Juni 1994 geschlossenen Anstellungsvertrags erworben. Es handelt sich damit um einen Bezug aus früheren Dienstleistungen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Nach den Regelungen des Anstellungsvertrags erhielt der Kläger die Jahresnetzkarten auch für die Dauer des Bezugs des Ruhegeldes. Damit knüpft der Bezug der Jahresnetzkarten für die Zeiträume nach Erreichen der Altersgrenze (auch) an den Status des Klägers als Versorgungsempfänger an. Der Bezug der Jahresnetzkarten ergänzt (als Nebenleistung) des früheren Arbeitgebers des Klägers dessen Versorgung nach Eintritt in den Ruhestand.
Der Besteuerung der Jahresnetzkarten als Versorgungsbezug stand weder entgegen, dass der Kläger bereits während seiner aktiven Tätigkeit für die DB AG einen Anspruch auf die Jahresnetzkarten hatte, noch, dass der Anspruch in dem Arbeitsvertrag des Klägers mit der DB AG geregelt war. Vielmehr hat die Zurverfügungstellung der Jahresnetzkarten mit Eintritt des Klägers in den Ruhestand Versorgungscharakter, weil sie - ungeachtet ihrer Vereinbarung im Arbeitsvertrag - keine Gegenleistung für Dienstleistungen des Klägers (mehr) darstellt, die im gleichen Zeitraum geschuldet und erbracht wurden. Die kostenlose Zurverfügungstellung der Jahresnetzkarten war damit in den Streitjahren wie das Ruhegeld selbst als Versorgungsbezug anzusehen. Die kostenlosen Jahresnetzkarten stellen vorliegend Versorgungsbezüge nach § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG dar, die "in anderen Fällen" aus früheren Dienstleistungen wegen Erreichens einer Altersgrenze geleistet wurden. Der Kläger erhielt die kostenlosen Netzkarten insbesondere nicht aufgrund beamtenrechtlicher oder entsprechender gesetzlicher Vorschriften oder nach beamtenrechtlichen, sondern aufgrund seines Anspruchs aus den Regelungen des privatrechtlichen Anstellungsvertrags mit der DB AG.