Fehler in Steuerbescheiden können unbeachtlich sein
FG Hamburg 19.1.2012, 3 K 14/11Die Beteiligten stritten in einem Folgebescheidverfahren um die rechtliche Würdigung eines Grundlagenbescheids in Form einer Einspruchsentscheidung. In dieser waren Beträge im Tenor fälschlich in €, in den Gründen jedoch zutreffend in DM bezeichnet worden. Die Kläger waren der Ansicht, dass allein der Tenor der Einspruchsentscheidung vom 5.6.2009 maßgeblich sei, weil nur dieser Rechtswirkung entfalte. Der Tenor dürfe nicht gegen seinen Wortlaut ausgelegt werden. Eine Berichtigung des fehlerhaften Tenors sei nicht erfolgt. Sie sei auch nicht mehr möglich, da es sich um einen Fall der offenbaren Unrichtigkeit handele. Für eine solche gelte eine Festsetzungsverjährung von einem Jahr.
Die Kläger beantragen, den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2001 vom 27.8.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.12.2010 dahin zu ändern, dass der "verbleibende Verlustvortrag nach § 10d Abs. 3 EStG auf 861.639 DM, entsprechend 440.549 € geändert wird.
Das FG wies die Klage ab. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Die Gründe:
Die Auslegung der Einspruchsentscheidung vom 25.6.2009 ergab, dass der verbleibende Verlustabzug zum 31.12.2000 auf 440.549 DM und nicht auf 440.549 € festgestellt ist.
Die Einspruchsentscheidung war - wie jeder Verwaltungsakt - zunächst auszulegen. Die Auslegung ist insbesondere vorgängig zur Frage der Bestimmtheit i.S.v. § 119 Abs. 1 AO. Dabei ist entscheidend, wie der Adressat selbst nach den ihm bekannten Umständen - seinem "objektiven Verständnishorizont" - den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Insofern muss der Inhalt des Tenors unter Heranziehung von Begründung und etwaiger Anlagen zum Bescheid ermittelt werden.
Zwar ergab sich im vorliegenden Fall auf den ersten Blick aus der Zusammenschau von Tenor und Begründung der Einspruchsentscheidung sowie der Verlustfeststellung auf das Ende des Vorjahrs ein Widerspruch. Jedoch war im Gesamtzusammenhang und unter Heranziehung der Begründung für die Kläger klar erkennbar, dass es sich bei der Festsetzung mit einem Euro-Betrag um einen Fehler handelte. Sowohl durch den Wortlaut des Tenors "von 392.892 € auf 440.549 € erhöht " als auch durch den Wortlaut der Begründung "von 392.892 DM auf 440.549 DM erhöht" wurde ganz klar Bezug genommen auf die bisherigen, den Klägern bekanntgegebenen Bescheide, da nicht nur der neu festgestellte Betrag ("auf ... €/DM"), sondern auch der Ausgangsbetrag ("von ... €/DM") angegeben war.
Auch der Ablauf der Frist, binnen derer eine Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten gem. § 129 AO möglich ist, stand der Auslegung der Einspruchsentscheidung nicht entgegen. Denn die Befristung der Berichtigungsmöglichkeit offenbarer Unrichtigkeiten hat nur für Fälle Bedeutung, in denen der Fehler nicht aus dem Bescheid erkennbar ist.
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