08.10.2020

Festsetzung von Grunderwerbsteuer für den Kauf eines Hauses einer Familie für Wohnzwecke nicht verfassungswidrig

Die Festsetzung von Grunderwerbsteuer für den Kauf eines Hauses einer Familie für Wohnzwecke verstößt nicht gegen das GG. Die Regelungen zur Höhe des Steuersatzes verstoßen weder für sich genommen noch im Zusammenspiel mit anderen Regelungen des GrEStG und anderer Gesetze gegen das GG.

FG Münster v. 20.8.2020 - 8 K 470/19 E,GrE
Der Sachverhalt:
Streitig ist, ob es mit dem GG vereinbar ist, dass beim Ersterwerb eines Familienwohnheims Grunderwerbsteuer anfällt. Die Kläger sind Eheleute und erwarben mit notariellem Vertrag im Mai 2018 ein Grundstück in N-Stadt zum Kaufpreis von 420.000 € je zu einem hälftigen Miteigentumsanteil. Für den Erwerb beantragten die Kläger Baukindergeld bei der L und erhalten seitdem pro Kind 1.200 € pro Jahr; die Förderung ist auf zehn Jahre begrenzt. Das Finanzamt setzte mit zwei Bescheiden im Juni 2018 Grunderwerbsteuer i.H.v. jeweils 13.650 € fest. Einkommensteuerlich werden die Kläger zusammen veranlagt.

Die Kläger machen geltend, die Festsetzung der Grunderwerbsteuer sei verfassungswidrig. Zur Begründung führen sie u.a. an, sie hätten im Jahr 2018 als Lehrer zusammen ca. 75.000 € brutto und 60.000 € netto verdient. Für den Kauf des 1952 errichteten Hauses hätten sie 27.300 € Grunderwerbsteuer zahlen müssen. Darin liege ein Verstoß gegen das Übermaßverbot, weil Einkommen- und Grunderwerbsteuer zusammen im Jahr 2018 über der Hälfte des Einkommens gelegen hätten. Vom verbleibenden Restbetrag hätten zudem noch unvermeidbare Kosten (etwa für Energie und Kinderbetreuung) bezahlt werden müssen. Die Grunderwerbsteuer verletze zudem die durch Art. 14 GG gewährleistete Freiheit der Vermögensbildung und verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 GG, weil der Ersterwerb eines Eigenheims mit dem Erwerb von Zweitwohnungen, Ferienwohnungen und Wohnungen zur Kapitalanlage gleichgesetzt werde, obwohl die Sachverhalte nicht vergleichbar seien.

Das FG wies die Klage ab. Die Revision zum BFH wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Die angewandten Vorschriften sind nicht verfassungswidrig. Die Regelungen zur Höhe des Steuersatzes verstoßen weder für sich genommen noch im Zusammenspiel mit anderen Regelungen des GrEStG und anderer Gesetze gegen das GG.

Die Vorschriften des GrEStG und die angefochtenen Bescheide sind nicht deshalb verfassungswidrig, weil die steuerliche Gesamtbelastung der Kläger im Jahr 2018 50 % ihres Einkommens übersteigt. Zwar hat das BVerfG in seiner Entscheidung zur Verfassungswidrigkeit der Vermögensteuer (22.6.1995 - 2 BvL 37/91) aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 GG abgeleitet, dass die Vermögensteuer zu den übrigen Steuern auf den Ertrag nur hinzutreten dürfe, soweit die steuerliche Gesamtbelastung des Sollertrages bei typisierender Betrachtung von Einnahmen, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand verbleibe. In späteren Entscheidungen hat das BVerfG aber klargestellt, dass dieser Rechtsprechung keine Belastungsobergrenze zu entnehmen ist, die unabhängig von der Steuerart der Vermögensteuer Geltung beanspruchen könnte. Der Halbteilungsgrundsatz findet daher auch im Hinblick auf die Grunderwerbsteuer keine Anwendung.

Die Vorschriften des GrEStG verstoßen auch nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Anders als die Kläger meinen, enthält Art. 14 Abs. 1 GG kein Grundrecht der "Freiheit der Vermögensbildung" Art. 14 Abs. 1 GG schützt nur Rechtspositionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen, nicht aber in der Zukunft liegende Chancen des Eigentumserwerbs oder des Vermögensaufbaus. Die Grunderwerbsteuer wirkt zudem (auch bei einem Steuersatz von 6,5 % und fehlenden Freibeträgen für den Ersterwerb eines Familienwohnheims) nicht übermäßig belastend.

Es liegt auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Der Gleichheitssatz ist nicht dadurch verletzt, dass der Grundstückserwerb der Kläger überhaupt in den Anwendungsbereich des Grunderwerbsteuergesetzes einbezogen ist. Die Einbeziehung der Kläger als Teil der Gruppe "Ersterwerber eines Familienwohnheims" in die Grunderwerbbesteuerung fällt in den Bereich der Bestimmung des Steuergegenstands mit der Folge, dass der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum hat. Diese Gruppe unterscheidet sich zwar von anderen Erwerbern - etwa Erwerbern ohne Kinder, Erwerbern eines Ferienwohnheims oder Erwerber einer nicht zu Wohnzwecken genutzten Immobilien - dadurch, dass der Erwerb eines Familienwohnheims (auch) dem existentiellen Bedürfnis "Wohnen" dient und die Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den Kindern die Leistungsfähigkeit der Erwerber reduzieren. Diese Unterschiede sind aber im Hinblick auf die Merkmale, die den Steuergegenstand unter dem Gesichtspunkt des steuerbaren Vorteils kennzeichnen, nicht wesentlich.

Es liegt auch kein Verstoß gegen Art. 6 GG vor, weil die Grunderwerbsteuer keine Freibeträge für Kinder vorsieht. Zwar ist aus Art. 6 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 20 Abs. 2 GG und dem allgemeinen Gleichheitssatz das Gebot abzuleiten, das Einkommen des Bürgers jedenfalls insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt. Dieses auf die Einkommensbelastung bezogene Gebot gilt allerdings nicht allgemein; es gibt "keinen Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass alle Steuern (nur) unter Berücksichtigung existenzsichernder Freibeträge erhoben werden dürfen". Die Grunderwerbsteuer verletzt schließlich auch weder das in Art. 11 Abs. 1 GG gewährte Recht auf Freizügigkeit noch die allgemeine Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG.
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