FG Hamburg contra BFH: Kosten eines Zivilprozesses nicht ohne weiteres außergewöhnliche Belastungen
FG Hamburg 24.9.2012, 1 K 195/11Der Kläger erwarb 1993 die Gesellschaftsanteile an einer in der ehemaligen DDR enteigneten Kommanditgesellschaft und ließ sich Rückübertragungsansprüche abtreten. Allerdings waren die Vermögensgegenstände der Gesellschaft bereits 1991 vom damaligen Betreiber veräußert worden. Seine Zivilklage gegen die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) auf Zahlung des Veräußerungserlöses und einer Entschädigung blieb erfolglos, weil der Kläger den von ihm behaupteten Verkehrswert des Unternehmens nicht nachweisen konnte.
Das Finanzamt berücksichtigte die Prozesskosten des Klägers i.H.v. rd. 5.000 € weder als Betriebsausgaben noch als außergewöhnliche Ausgaben. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage. Die Rechtsverfolgungskosten seien als vorweggenommene Betriebsausgaben des angestrebten Gewerbebetriebs anzusehen. Zumindest seien sie als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Die vom Kläger aufgewendeten Kosten seien notwendig und angemessen gewesen.
Das FG wies die Klage ab. Die Revision zum BFH wurde zugelassen.
Die Gründe:
Bei den Kosten handelt es sich nicht um Betriebsausgaben. Der Zivilprozess war nicht betrieblich veranlasst, weil eine Rückübertragung des Unternehmens von vornherein ausgeschlossen war.
Diese Kosten stellen allerdings auch keine "außergewöhnliche Belastung" i.S.d. EStG dar. Außergewöhnliche Belastungen sind private Aufwendungen, die ausnahmsweise steuerlich zu berücksichtigen sind, weil sie zwangsläufig und notwendig sind. Vorliegend waren die Prozesskosten des Klägers jedoch nicht zwangsläufig. Er hat die Ansprüche gegen die BvS freiwillig erworben und damit auch freiwillig das Risiko übernommen, ob die Ansprüche durchgesetzt werden können, ggf. durch eine Klage. Ein Zusammenhang mit dem notwendigen Lebensbedarf des Klägers und seiner Familie ist nicht erkennbar.
Mit dieser Entscheidung weicht das FG Hamburg ausdrücklich von der aktuellen Rechtsprechung des BFH ab. Dieser hat seine frühere ständige Rechtsprechung, dass bei Kosten eines Zivilprozesses eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit spreche, mit Urteil vom 12.5.2011 (VI R 42/10) aufgegeben. Zivilprozesskosten seien grundsätzlich zwangsläufig, weil der Bürger wegen des staatlichen Gewaltmonopols seine Ansprüche nicht selbst, sondern nur über die Einschaltung der Gerichte durchsetzen dürfe. Etwas anderes gelte nur für den, der sich mutwillig oder leichtfertig auf einen Prozess eingelassen habe.
BMF hat die Anwendung der Entscheidung des BFH durch die Finanzverwaltung am 20.12.2011 durch Erlass eines "Nichtanwendungserlasses" unterbunden. Der 1. Senat vertritt die Auffassung, dass bei der Frage nach der Zwangsläufigkeit eines Zivilprozesses nicht außer Acht bleiben kann, ob auch das den Prozess auslösende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig war. Andernfalls werden Prozesskosten in höherem Maße berücksichtigt als andere privat veranlasste Aufwendungen. Außerdem bestehen Bedenken, ob es angesichts der Vielgestaltigkeit und der möglichen rechtlichen und tatsächlichen Komplexität von Zivilprozessen überhaupt praktikabel ist, dass die Finanzverwaltung die Erfolgsaussichten eines Zivilprozesses im Rahmen der Veranlagung überprüft.
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