FG Hamburg mit erheblichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der Brennelementesteuer
FG Hamburg 19.9.2011, 4 V 133/11Zum 1.1.2011 trat das Kernbrennstoffsteuergesetz in Kraft, mit dem der Bund eine neue Steuer auf die Verwendung von Kernbrennstoffen eingeführt hat. Das Gesetz verpflichtet die Betreiber von Kernkraftwerken, die Kernbrennstoffsteuer selbst zu berechnen und bei dem für sie zuständigen Hauptzollamt anzumelden. Der Verbrauch von Kernbrennstoff (Uran und Plutonium), der zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom verwendet wird, wird so besteuert. Die Steuer entsteht, wenn ein Brennelement in einen Kernreaktor eingesetzt und eine sich selbsttragende Kettenreaktion ausgelöst wird. Der Steuersatz liegt bei 145 € je Gramm Kernbrennstoff.
Die Antragstellerin gab im Juli 2011 beim Hauptzollamt Hannover eine Steueranmeldung über rd. 96 Mio. € Kernbrennstoffsteuer ab. Die Antragstellerin zahlte in der Folge auch die Kernbrennstoffsteuer, um die Festsetzung von Säumniszuschlägen zu vermeiden, reichte aber zugleich beim FG einen vorläufigen Rechtsschutzantrag ein, mit dem sie die Aufhebung der Vollziehung ihrer Steueranmeldung, d.h. die vorläufige Rückzahlung der von ihr gezahlten Kernbrennstoffsteuer begehrt.
Das FG gab dem Antrag statt und setzte die Vollziehung der Steueranmeldung aus. Die Beschwerde an den BFH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Die Gründe:
Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage bestehen ernstliche Zweifel daran, ob dem Bund für den Erlass der Kernbrennstoffsteuer nach dem GG eine Gesetzgebungskompetenz zusteht.
Es ist fraglich, ob die Kernbrennstoffsteuer dem verfassungsrechtlichen Typus einer Verbrauchsteuer entspricht. Bei Verbrauchsteuern handelt es sich typischerweise um Warensteuern, die den baldigen Verzehr oder Verbrauch bestimmter Güter des ständigen Bedarfs belasten. Sie werden in der Regel bei demjenigen Unternehmer erhoben, der das Gut am Markt anbietet, sind aber auf Überwälzung auf den Verbraucher angelegt.
Kernbrennstoffe sind kein Konsumgut, sondern werden ausschließlich zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom verwendet, ohne dabei in den allgemeinen Wirtschaftsverkehr zu gelangen. Dass den Stromerzeugern eine Überwälzung der durch die Kernbrennstoffsteuer entstehenden zusätzlichen Kosten möglich sein wird, erwartet ausweislich der Gesetzesbegründung selbst der Gesetzgeber nicht.
Über den konkreten Fall hinaus reicht die Frage, ob der Gesetzgeber neben den im GG genannten Steuern und Steuerarten noch neuartige Steuern einführen darf. Das FG äußert erhebliche Vorbehalte gegen ein solches "Steuerfindungsrecht". Es besteht die Gefahr, dass damit die von der Finanzverfassung sorgsam ausbalancierte Verteilung der Steuereinnahmen zwischen Bund und Ländern umgangen werden könnte.
Da also bereits ernstliche Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes zum Erlass des Kernbrennstoffsteuergesetzes bestanden, konnte u.a. offen bleiben, ob die Kernbrennstoffsteuer auch gegen die Grundrechte auf Gleichbehandlung und auf Eigentum oder gegen Europarecht verstößt.