FG Köln schließt Steuerfalle bei der Ausübung von Bezugsrechten aus "Altanteilen"
FG Köln 23.10.2014, 10 K 3473/12Die Kläger verfügen über diverse Kapitalanlagen, darunter auch Aktien der A-Bank AG, die sich bereits vor dem 1.1.2009 in ihrem Wertpapierdepot befanden. Im Jahr 2010 wurde bei der A-Bank eine Kapitalerhöhung vollzogen. Daraufhin erwarben die Kläger 765 junge Aktien der A-Bank über Bezugsrechte aus Aktien, die sie sich bereits vor dem 1.1.2009 angeschafft hatten (sog. Altaktien). Im November 2010 veräußerten die Kläger zehn dieser Aktien mit einem Gewinn i.S.v. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 4 EStG von 58,15 €. Hiervon ausgehend stellte die A-Bank den Klägern eine Erträgnisaufstellung für 2010 aus, in der sie Kapitalerträge i.H.v. insgesamt 135,15 € bescheinigte, die sich aus den Aktienverkäufen und Dividenden aus Geschäftsguthaben i.H.v. 77 € zusammensetzten.
Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für 2010 beantragten die Kläger die Überprüfung des Steuereinbehalts für bestimmte Kapitalerträge. Der Kläger brachte insoweit bei der Berechnung seines im Streitjahr erzielten Gewinns aus Aktienverkäufen 72 € als Wert der Bezugsrechte, die den von ihm veräußerten jungen Aktien zu Grunde gelegen hatten, in Abzug und setzte die von ihm im Streitjahr 2010 erzielten Kapitalerträge dementsprechend lediglich mit 63,15 € statt mit 135,15 € an.
Das Finanzamt berücksichtigte die Anschaffungskosten der Bezugsrechte gem. § 20 Abs. 4a S. 4 EStG i.V.m. dem BMF-Schreiben vom 22.12.2009 jedoch hiervon abweichend mit 0 € und legte der Veranlagung - entsprechend der Erträgnisaufstellung der A-Bank - einen Gewinn aus Aktienverkäufen i.H.v. 58,15 € zu Grunde. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Allerdings wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Verfahrens und zur Fortbildung des Rechts die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Das Finanzamt hatte bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns der Kläger aus Aktienverkäufen unter Verweis auf die gesetzliche Regelung des § 20 Abs. 4a S. 4 EStG i.V.m. den BMF-Schreiben vom 22.12.2009 und 9.10.2012 zu Unrecht nicht die tatsächlichen Anschaffungskosten der vom Kläger ausgeübten Bezugsrechte i.H.v. 72 €, sondern einen Wert von 0 € angesetzt. Bei einer aus Sicht des erkennenden Senats gebotenen einschränkenden verfassungskonformen Auslegung der §§ 20 Abs. 4a S. 4, 52a Abs. 10 S. 10 EStG fand die Vorschrift des § 20 Abs. 4a S. 4 EStG im vorliegenden Fall keine Anwendung.
Nach der mit der Abgeltungsteuer eingeführten Vereinfachungsregelung des § 20 Abs. 4a S. 4 EStG werden Bezugsrechte aus Gesellschaftsanteilen im Falle ihrer Ausübung oder Veräußerung nicht (mehr) mit ihrem rechnerischen/anteiligen Wert, sondern mit fiktiven Anschaffungskosten von 0 € angesetzt. Das BFM vertritt hierzu die Ansicht, dass dies unabhängig davon gelte, ob die Anteile, aus denen die Bezugsrechte abgespalten wurden, vor oder nach Einführung der Abgeltungsteuer erworben wurden.
Dies führt zur nachträglichen Besteuerung stiller Reserven, die bei Einführung der Abgeltungsteuer nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG a.F. nicht mehr steuerverstrickt waren. Demgegenüber unterliegt der wirtschaftlich vergleichbare Fall der unmittelbaren Veräußerung eines solchen Bezugsrechts nach Verwaltungsauffassung nicht der Besteuerung. Infolgedessen verstößt die Verwaltungspraxis sowohl gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG als auch gegen das aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete Rückwirkungsverbot. Der § 20 Abs. 4a S. 4 EStG findet somit keine Anwendung, wenn junge Anteile veräußert werden, die mit Bezugsrechten aus nicht mehr steuerverstrickten "Altanteilen" erworben wurden.
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